Debatte um Stadtzuschuss Tagesmütter fürchten um ihre berufliche Zukunft

BONN · Ab 1. August tritt die vom Rat beschlossene neue Satzung über die Förderung der Tagespflege in Kraft. Ob dann Eva-Maria Koslowski noch als Tagespflegerin arbeiten kann, steht in den Sternen. Das Jugendamt rechne nicht fair, kritisiert sie.

"Guck mal", sagt Josephine, "ich kann schon auf der Schaukel stehen." Stolz genießt die knapp Dreijährige das Staunen der Spielplatzbesucher. Eva-Maria Koslowski steht hinter ihr, den kleinen Enoch im Arm. Der will jetzt natürlich auch schaukeln. "Kannst du denn schon Schwung holen?", fragt Koslowski und hilft dem Knirps ganz leicht nach. Drüben buddelt Max (1) verträumt im Sand. Und auch der gleichaltrige Joseph will im Auge behalten werden: Er versucht sich am Klettergerüst. "Mama" und dann mit Blick auf Koslowski, "Mama-Eva" ruft Joseph und strahlt.

Eva-Maria Koslowski ist die Tagesmutter des Kleeblatts. Drei Tage die Woche nimmt sie die Vier individuell nach deren Bedürfnissen und Entwicklungsstand unter ihre Fittiche. "Joseph lernt gerade sprechen. Wunderbar, das fördern zu können", schwärmt sie von ihrer Arbeit. Die munteren Vier sind ihr ans Herz gewachsen.

Ob sie aber auch, wenn diese Kinder flügge geworden sind, noch als Tagespflegerin arbeiten werde, wisse sie nicht, fügt sie hinzu. Ab 1. August tritt die vom Rat beschlossene neue Satzung über die Förderung der Tagespflege in Kraft, gegen die, wie berichtet, zahlreiche Bonner Tagespflegekräfte Sturm laufen. Das Jugendamt rechne ihrer Meinung nach nicht fair, kritisiert Koslowski die Zahlenbeispiele der Stadt (siehe unten). Sie komme bei dem von der Stadt angegebenen monatlichen Einkommen nicht auf 2940, sondern nur auf rund 2100 Euro brutto. Das Jugendamt rechne etwa die von ihm hälftig bezahlten Renten- und Krankenversicherungsbeiträge in den Verdienst mit hinein. "Dabei ist das doch nur der Arbeitgeberanteil. Den Arbeitnehmeranteil müssen wir selbst tragen." In den Verdienst gehörten auch die Sachleistungskosten für Wohnraum, Heizung und vieles mehr nicht hinein, argumentiert Koslowski. "Nur die Bezahlung der Förderleistung ist unser Bruttoverdienst. Das sind bei den in der Satzung neu beschlossenen 4,50 Euro pro Betreuungsstunde dann nur 2,70 Euro netto."

Bei im Durchschnitt drei betreuten Kindern liege der Bruttoverdienst von Bonner Tageseltern dann also bei 8,10 Euro pro Stunde. Und das, ohne zusätzliche Arbeiten wie Elterngespräche oder die Bildungsdokumentation über jedes Kind honoriert zu bekommen. "Ich kann den Kindern dann doch schlecht sagen: Jetzt lest Euch mal gegenseitig was vor", sagt die Tagesmutter.

Große Summen seien auch bisher nicht zu verdienen. Sie betreue vier Kinder jeweils 20 Wochenstunden, mit Vor- und Nachbereitung sei sie also 30 Stunden die Woche beschäftigt. "Damit verdiene ich bei jetzt sechs Euro Stundenlohn nach Abzug von Sozialversicherung, Steuern und der Sachleistungspauschale 1000 Euro netto. Das ist doch nicht zu viel. Das will man mir noch kürzen?" In den sechs Euro pro Stunde ist bislang auch eine private Zuzahlung der Eltern enthalten.

Wenn die Stadt ab August den Stundenlohn deckele, würden Tagespflegepersonen nur noch Verträge mit hohen Stundenzahlen anbieten, damit es sich für sie lohne, prophezeit Koslowski. Mit der Folge, dass Ein- und Zweijährige häufiger betreut würden, als es nötig wäre. "Ist das dann familienfreundlich?"

Sie verstehe ja, dass die Stadt nicht genug Geld habe, um gute Tagespflege leistungsgerecht zu bezahlen. "Das ist nicht schlimm, die Eltern zahlen ja bisher auch gerne dazu, wenn sie wissen, dass ihr Kind gut betreut wird." Koslowski bietet neben individueller Förderung Musik- und Vorleseeinheiten und immer auch Ausflüge. Und vor allem eine Betreuung mit Herz. "Ein Mindestmaß an Wettbewerb sollte da schon sein, sonst lohnt sich gute Tagespflege nicht."

Die neue Satzung der Stadt Bonn
Mit der ab 1. August geltenden Satzungsneufassung sollen sich auch Eltern oder Alleinerziehende mit geringem Einkommen die Tagespflege leisten können. Der Stundenfördersatz pro Kind wird auf 4,50 Euro festgesetzt. Zusätzliche Zahlungen von Eltern sind nicht mehr erlaubt, damit die Kosten denen von Kindergärten entsprechen. Laut Verwaltung könne eine Tagesmutter, die eine Ausbildung von 80 Stunden absolviert habe, so mit drei Pflegekindern für die Basisbetreuung ein monatliches Einkommen von 2940 Euro brutto erzielen. Die Kosten für Mittagessen und Sonderleistungen kämen hinzu. "Wir sind aber keine Aufbewahrungsstationen, haben also einen riesigen Kostenapparat und tragen als Selbstständige weiterhin das volle Risiko", widerspricht etwa Tagesmutter Daniela Lamberz. Was sie wolle, sei, weiter in der Tagespflege finanziell "angstfrei zu leben".

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