Villa Spiritus in Bonn Stuckdecke mit Fratzen entdeckt

GRONAU · Es gibt Funde, mit denen rechnet man als Bauherr nicht. In der Villa Spiritus gab es einen Verhörraum mit Spiegel und Stahltür. Die britischen Streitkräfte haben ihn nicht ausgebaut, als sie den Standort vor zwei Jahren verließen.

 Architektin Gisela Tebrake schaut auf den wiederentdeckten Stuck in der Villa Spiritus.

Architektin Gisela Tebrake schaut auf den wiederentdeckten Stuck in der Villa Spiritus.

Foto: Max Malsch

Eine Bonner Familie hat das ehemalige Bürgermeisterhaus oberhalb des Bonner Rheinufers gekauft und macht es wieder zu dem, was es einmal war: ein Wohnhaus. Vom Verhörzimmer bleibt nur noch das Guckloch übrig. Beim Tag des offenen Denkmals am Sonntag gewähren die neuen Eigentümer einen Blick auf die laufenden Sanierungsarbeiten. Die Familie verwirklicht hier ihren Traum vom Wohnen am Rhein und zieht mit drei Generationen unter ein Dach.

Zuerst soll die Villa ihre alte Struktur zurückbekommen, alle Trennwände flogen raus. Dabei traten schon Überraschungen zutage. Zum Beispiel in der künftigen Küche: "Der Raum war durchteilt und abgehängt. Wir haben eine tolle Stuckdecke mit Fratzen gefunden", berichtet die Kölner Architektin Gisela Tebrake.

Ohnehin hatten die Briten manches verpackt und verkleidet. Vielleicht, weil Schnörkel nicht zur nüchternen Aufgabe eines Verbindungsstabes passten. Dafür hingen Karten-Verstecke an den Wänden. Eine andere Nutzung kann sich Tebrake für die flachen Schränke, deren Rückwände mit Tausenden winziger Stecknadelspuren gespickt sind, nicht erklären.

Die Untere Denkmalbehörde der Stadt hat immer ein Wörtchen mitzureden. Die Idee, im riesigen Treppenhaus einen praktischen Fahrstuhl für die Großeltern unterzubringen, musste die Familie schnell wieder verwerfen. Der von den Briten verbaute Aufgang wird jetzt wieder so repräsentativ wie zu Zeiten von Wilhelm Spiritus. Die fehlenden Treppengeländer lassen die neuen Eigentümer nachschnitzen. Der einstige Dienstbotenaufgang wurde verlängert, damit die oberen Wohnungen einen eigenen Aufgang haben, für den Fahrstuhl wird das Badezimmer kleiner.

Der Dachstuhl, wo Spiritus die Fahnen für den Turm aufbewahrte, ist gedämmt, die Lücken im Außenputz sind gefüllt. "Jetzt ist die Fassade erst mal gerettet", sagt Tebrake. Man kann sich in diesem Haus leicht in Details wie ziselierte Fensterknäufe oder pralle Stuckröschen verlieben. Zuerst muss aber das Gerüst stimmen, alles gleichzeitig zu restaurieren, wäre finanziell nicht drin. "Man muss weg vom Perfektionismus", sagen die Bauherren mit Blick auf die Größe ihrer Baustelle.

Der alte Blumenkeller des Oberbürgermeisters ist übrigens schon wieder in Betrieb, sein Gymnastikraum bleibt wohl Geschichte. In einer Blechröhre im Keller haben die Bewohner etwa 1000 Seiten mit winziger Schrift gefunden. Auf Russisch. "Das ist ein Spion gewesen", mutmaßten die Kinder. Studenten haben jetzt angefangen, zu übersetzen. Die Villa Spiritus hat ihren neuen Eigentümern längst nicht alle Geheimnisse verraten.

Die Villa Spiritus, Kaiser-Friedrich-Straße 19, ist diesen Sonntag von 15 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen mit Stadtkonservator Franz-Josef Talbot gibt es um 15 und 16 Uhr. Wegen der laufenden Restaurierungen können nur Teile der Villa besichtigt werden.

Die Geschichte der Villa

1897 zog der damalige Bonner Oberbürgermeister Wilhelm Spiritus in die Villa an der neu angelegten Kaiser-Friedrich-Straße ein. Die Kölner Architekten Alfred Müller und Otto Grah haben die Villa im malerischen Stil geplant, mit mittelalterlichen Formen mit Anklängen an Renaissance und Gotik vereint.

1933 baute das Bonner Architekturbüro Denninger die Villa im Auftrag der Erben von Wilhelm Spiritus in ein Dreifamilienhaus um. 1945 besetzten die britischen Streitkräfte die Villa, seitdem war sie nicht mehr öffentlich zugänglich. 1956 erwarb der Bund das Anwesen und überließ es weiterhin den Briten zur Nutzung.

Am 4. November 2011 gaben die britischen Streitkräfte den Standort feierlich auf. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) bot die Villa im Juli 2012 zum Verkauf an. Eine Bonner Familie erhielt den Zuschlag.

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