Wohnungsbau Streit um Grundstückspreise in Bonn

BONN · Die Mehrheit im Stadtrat will Grundtsücke bevorzugt und zu günstigeren Preisen an die städtische Wohnbaugesellschaft Vebowag verkaufen. Ein Rechtsgutachten sieht das positiv. Die Verwaltung ist anderer Meinung.

 Die Vebowag liegt mit ihrem Neubau an der Friedenstraße in Pützchen in den letzten Zügen. Im März werden laut Geschäftsführer Michael Kleine-Hartlage die ersten Mieter in die Förderwohnungen einziehen.

Die Vebowag liegt mit ihrem Neubau an der Friedenstraße in Pützchen in den letzten Zügen. Im März werden laut Geschäftsführer Michael Kleine-Hartlage die ersten Mieter in die Förderwohnungen einziehen.

Foto: Benjamin Westhoff

Um der großen Nachfrage auf dem Bonner Immobilienmarkt gerade nach bezahlbaren Wohnungen gerecht zu werden, will eine breite Mehrheit im Stadtrat städtische Grundstücke bevorzugt und zu günstigeren Preisen an die Vereinigte Bonner Wohnungsbau AG (Vebowag) verkaufen. Die Koalition aus CDU, Grünen und FDP hat einen entsprechenden Antrag auf den Weg gebracht, der allerdings in der Dezember-Sitzung des Stadtrats zunächst vertagt wurde. Es gibt zwar einen gültigen Beschluss, die Vebowag zu bevorteilen, der im Zuge eines Zwölf-Punkte-Plans erfolgte. Allerdings gibt es bislang keinerlei Festlegungen, zu welchen Konditionen das kommunale Immobilienunternehmen, das zu 93 Prozent der Stadt Bonn gehört, kaufen kann. An die Vebowag hat die Ratskoalition in den vergangenen zehn Jahren lediglich vier Grundstücke verkauft.

Die rechtliche Gemengelage ist nicht eben einfach. Die Stadt ist beim Grundstücksverkauf an das Haushaltsrecht, Vergaberecht und Beihilfegesetz gebunden. Letzteres ist eine EU-Regelung. Sie definiert, unter welchen Voraussetzungen Kommunen (oder kommunale Gesellschaften) zu günstigeren Preisen als auf dem Markt üblich verkaufen dürfen: Eine Abwägung zwischen Wettbewerb und Gemeinwohlinteresse liegt dem zugrunde. Mit dem Verweis auf das Beihilferecht hat die Verwaltung in der Vergangenheit in einigen Fällen begründet, dass die Vebowag keinen Zuschlag für ein Grundstück bekommen hat.

Vebowag-Geschäftsführer Michael Kleine-Hartlage hat ein juristisches Gutachten der Anwaltskanzlei Redeker, Sellner und Dahs in Auftrag gegeben, um eine fachliche Einschätzung der Rechtsexperten zu bekommen. Es liegt nun vor. Nach Auffassung der Fachjuristen ist der Verkauf zu günstigeren Konditionen an die Vebowag, vor allem für den Bau geförderter Wohnungen, unter bestimmten Voraussetzungen durchaus möglich.

Um den marktüblichen Preis eines Grundstücks festzustellen, sei entweder ein Bieterverfahren möglich oder – ein häufiger Fall – ein Gutachter lege ihn nach vorheriger Prüfung fest. Die Anwälte schreiben in ihrer Analyse, „dass eine vertragliche Verpflichtung der Vebowag zur Errichtung von öffentlich gefördertem Wohnraum die Annahme eines unter dem ,normalen' Marktwert liegenden, ,speziellen Marktpreises' rechtfertigt”. Will heißen: Da die Vebowag im öffentlichen Interesse agiere und zu günstigeren Preisen geförderte Wohnungen vermiete, müsste das Grund genug für die EU-Kommission sein, eine billigere Abgabe der Stadt an „ihre” Wohnbaugesellschaft zu akzeptieren.

Stadt zögert mit Stellungnahme

Der Bau für das Gemeinwohl und die Folge von verminderten Mieteinnahmen rechtfertigten also einen Preisnachlass, meinen die Anwälte. Sie schreiben: „Auch eine Veräußerung zu einem Kaufpreis unterhalb des Marktwerts kann im Einklang mit den beihilferechtlichen Vorschriften erfolgen.”

Allerdings brauche es dafür einer klaren Definition der Zielgruppe durch Festlegung einer haushaltsbezogenen Einkommensgrenze, die deutlich unterhalb des nationalen Durchschnittseinkommens liege. So habe die Rechtsprechung zumindest in einem niederländischen Fall entschieden. Eine solche Einkommensgrenze ist bei Abschluss eines Mietvertrags für geförderte Wohnungen in Bonn jetzt schon vorgegeben. Was allerdings aus Sicht der Gutachter fehle, sei eine förmliche Betrauung der Vebowag mit diesem Auftrag durch die Stadt. Dies könne allerdings unkompliziert durch einen Ratsbeschluss oder innerhalb künftiger Kaufverträge erfolgen.

Die Stadt bleibt trotz dieser juristischen Einschätzung in einer Stellungnahme zum Koalitionsantrag, der übrigens mindestens in den Reihen der Sozialliberalen und der SPD auf Zustimmung stößt, allerdings weiterhin zögerlich. Eine Bevorzugung der Vebowag sei grundsätzlich „zu den ermittelten Verkehrswerten” möglich. Ein über den speziellen Marktpreis hinausgehender Preisnachlass allerdings nicht, ebenso wenig ein Betrauungsakt, argumentiert die Verwaltung.

Sie begründet ihre Haltung unter anderem damit, dass die Vebowag keine hundertprozentige städtische Tochtergesellschaft sei und es sich aus diesem Grund nicht um „Inhouse-Geschäfte” handle. In diesen Details widersprechen sich also Rechtsgutachten und Stadt. Man arbeite nun innerhalb der Verwaltung an einer Beschlussvorlage, um den geförderten Wohnungsbau dennoch zu stärken. In der Kommunalpolitik dringt man nun darauf, dass die Vebowag schnell ein erweitertes Erstzugriffsrecht eingeräumt bekommt. Birgitta Jackel, Stadtverordnete der CDU, wartet seit Dezember auf Antworten der Verwaltung, welche Alternativen diese vorschlägt. „Ich kann die seltsame Haltung der Verwaltung wirklich nicht verstehen, zumal das Gutachten einer renommierten Kanzlei zu anderen Ergebnissen kommt.“

Bindungsverpflichtungen für drei Jahrzehnte

Die Stadt könne nur profitieren, wenn sie Wohnungen über die eigene Gesellschaft baue. Schließlich behalte sie die Liegenschaften in den eigenen Händen, könne sie als Werte im Haushalt berücksichtigen, und zugleich habe die Politik direkten Einfluss auf die Siedlungsentwicklungen selbst nach Auslaufen sogenannter Bindungsverpflichtungen. Vermieter von Förderwohnungen sind in der Regel für einen Zeitraum von rund drei Jahrzehnten daran gebunden, zu günstigeren und gedeckelten Konditionen zu vermieten. Solche Verträge können zwar verlängert werden, aber Investoren können nach deren Auslaufen auch auf dem freien Markt den Wohnraum anbieten.

Jackel steht mit ihrer Ansicht nicht alleine da. Stefan Freitag (Grüne) verweist „auf den engen Wohnungsmarkt” und darauf, dass die Stadt hohe Ausgaben für Mietzuschüsse in Form von Transferleistungen hat, um Geringverdiener zu unterstützen. Diese Unterbringungskosten für etwa 40.000 Bonner Bürgerinnen und Bürger belaufen sich pro Jahr auf 120 Millionen Euro. Sebastian Kelm, Ratsherr für die Sozialliberalen, ist der Auffassung, der Rat hätte längst beschließen müssen. „Wenn eine renommierte Rechtsanwaltskanzlei zu einem positiven Ergebnis in ihrem Gutachten kommt, sollten wir handeln”, sagt Kelm.

Den Geschäftsführer der Vebowag, Michael Kleine-Hartlage, würde ein günstigerer Ankauf naturgemäß freuen. „Das würde uns sicher ein Stück weiterhelfen.“ In der vergangenen Zeit seien Ankaufwünsche oft an den Preisvorstellungen der Stadt gescheitert. Kleine-Hartlage betont dazu, dass auch die Stadt aus seiner Sicht gewinnen würde, weil sie ein Zugriffsrecht über die Bindungslaufzeiten für Förderwohnungen hinaus behalte und damit Entscheidungsspielräume und Stellschrauben für den Sozialwohnungsbau in der eigenen Hand behielte. An der Vebowag hält die Stadt Bonn 93 Prozent. Dass für private Investoren keine Baufelder übrig bleiben, hält Kleine-Hartlage für abwegig. „Die Vebowag kann schließlich nicht überall gleichzeitig bauen.“

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