Landschaftsverband Rheinland Streit um 435 neue Stellen und ein neues Dezernat

Bonn · Der Landschaftsverband Rheinland will 435 neue Stellen schaffen und ein neues Dezernat einrichten. Die Krux: Städte wie Bonn müssen die Zechen zahlen. Darüber ist jetzt ein Streit entbrannt.

 Vorzeigeprojekt des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Bonn: Das Landesmuseum an der Colmantstraße.

Vorzeigeprojekt des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) in Bonn: Das Landesmuseum an der Colmantstraße.

Foto: Benjamin Westhoff

Soll der Landschaftsverband Rheinland (LVR) einzig aus Gründen des Parteienproporzes personell aufgebläht werden, wie es die Grünen behaupten? Oder ist die Gründung eines neuen Dezernats für Digitalisierung ein ganz normaler Vorgang, wie Vertreter der Großen Koalition in den LVR-Gremien entgegnen? Tatsache ist: Aus beiden Sichtweisen hat sich auf Ebene des Landschaftsverbands ein heftiger Streit entzündet. Die Stadt Bonn und ihre Bürger sind von der Expansion des LVR unmittelbar betroffen – und zwar finanziell. Denn der Verband finanziert sich aus der sogenannten Landschaftsumlage durch die Mitgliederkommunen.

Konkreter Streitpunkt ist ein neues Dezernat, das nach dem Willen von CDU, SPD und FDP in absehbarer Zeit im LVR-Hochhaus in Köln-Deutz einziehen soll. Sein Aufgabenbereich: Digitalisierung, IT-Steuerung, Mobilität und technische Innovation. Beschlossen hat das am Freitag die Mehrheit im Landschaftsausschuss und damit das wichtigste Gremium nach der 124 Mitglieder starken Landschaftsversammlung, bestehend aus Kommunalpolitikern aller 25 Mitgliedskommunen, die erst im Sommer wieder tagt. Doch hinter den Kulissen gab es bis zuletzt Widerstand. Die Grünen, die Linken und die Freien Wähler wittern hinter der Erweiterung der LVR-Administration reines Postengeschachere und zusätzliche Kosten in Höhe von zwei Millionen Euro, die auf die Kommunen, darunter Bonn, verteilt werden müssen.

Eines der aus dem Bonner Stadtrat entsandten Mitglieder der Landschaftsversammlung ist Rolf Beu von den Grünen. Für ihn ist „Fraktionsarithmetik“ der wahre Grund für die Verbreiterung des LVR. Das Dezernat werde geschaffen, „damit die SPD auch wieder gleich viele Personen im Verwaltungsvorstand stellen kann wie die CDU“, sagt Beu.

Die Vermutung der Grünen:

Nachdem zuletzt die CDU vier leitende Positionen besetzen durfte und die SPD mit drei solcher Stellen im „Rückstand“ ist, sehen sich nun wieder die Sozialdemokraten im Zugriffsrecht. Das neue Dezernat wäre das zweite, das in der laufenden Wahlperiode neu geschaffen wird. „Insgesamt hätte der LVR dann zehn Dezernate, zwei mehr als der Schwesterverband Westfalen-Lippe und zwei mehr als die Stadt Köln“, veranschaulichen die Grünen die Relationen.

Für das neue Dezernat sind 22 Stellen veranschlagt, davon 16 komplett neu. Laut LVR sind damit Personalkosten in Höhe von 1,32 Millionen Euro jährlich verbunden. „Nimmt man noch die dadurch entstehenden Sachkosten hinzu, kommt man locker auf zwei Millionen Euro pro Jahr“, rechnet Rolf Beu vor. Das sei gut und gerne das Drei- bis Vierfache der anfallenden Gesamtkosten für die Metropolregion Rheinland.

Insgesamt, also auf alle Fachbereiche bezogen wurden nach GA-Informationen verwaltungsintern gar 435 neue Stellen beantragt. Sollte auch nur die Hälfte davon von der Politik bewilligt werden, müsste beim Personal mit Zusatzkosten von zwölf Millionen Euro kalkuliert werden. Ein mittlerer sechsstelliger Betrag dürfte bei diesem Szenario im Schnitt von den Kommunen wie Bonn zusätzlich zu schultern sein.

Die Ansicht, dass Digitalisierung ein wichtiges Thema ist, teilen auch die Grünen. Sie hätten sich die Aufgabe jedoch auch als Stabsstelle vorstellen können, angesiedelt bei der LVR-Direktion. Derweil weisen Vertreter der beiden großen Parteien die Vorwürfe zurück. Zum einen habe der LVR „schon zu viel Zeit verpasst, um das Thema Digitalisierung anzugehen“, sagt Georg Fenninger (CDU), wie Beu vom Bonner Stadtrat in die LVR-Gremien entsandt.

Nachholbedarf offensichtlich

Verglichen mit mancher Kommune sei der Nachholbedarf des LVR offensichtlich, so Fenninger. Er verortet die Kritik der Grünen auf „populistischer Ebene“ und sieht sie als Auswirkung des „Machtverlusts“ der Grünen im LVR. Ähnlich wie Fenninger argumentiert Jürgen Rolle. Der Pulheimer ist Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Landschaftsversammlung und sagt dem GA auf Nachfrage: „In der Tat waren erste Überlegungen zunächst auf eine Stabsstellenfunktion gerichtet.“ Fachleute hätten dann aber „überzeugend dargelegt, dass Zuwarten und zu zögerliches Vorgehen hier nicht angesagt seien“. Und zum Grünen-Vorwurf des Postenschacherns sagt der SPD-Mann: „Alle Stellen werden ausgeschrieben und nach den dafür vorgeschriebenen Regeln besetzt“.

Die Grünen bleiben bei ihrer Haltung: Ein Kommunalverband, der sich in erster Linie über eine Umlage seiner Mitglieder finanziert, verstoße hier massiv gegen das „Rücksichtnahmegebot“. Von Anzahl und Dotierung der Stellen wird es letztlich abhängen, wie viel tiefer den Bonner Bürgern für den LVR in die Tasche gegriffen wird. Trotz sinkender Umlagesätze sind die Aufwendungen für den LVR in Bonn zuletzt gestiegen.

Bis ins Stadthaus sind die aktuellen Pläne der LVR-Politiker übrigens noch nicht durchgedrungen. Man habe keine Kenntnis davon, hieß es am Donnerstag auf Anfrage. Am Freitag wurde das neue Dezernat beschlossen.

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