Hauptsache anders Steven Wilson rockt auf dem KunstRasen in Bonn

Bonn · Steven Wilson hat auf dem KunstRasen in der Bonner Rheinaue ein Rockkonzert der Extraklasse gegeben und seinen Fans ein unvergleichliches Klangerlebnis geboten.

Für viele Fans ist Steven Wilson einer der Götter des Progressive Rock, ein Meister der Metamorphose, der immer wieder neue Impulse zu setzen vermag und die Musik beständig neu erfindet. Gleichzeitig erwarten sie aber von ihm, dass er sich treu bleibt und nach Möglichkeit stets so klingt wie einst mit seiner Band Porcupine Tree – ein Gegensatz, den Wilson selbst auf seine eigene Weise auflöst und sich sowohl für den Rock als auch für die Verwandlung entscheidet.

Dies beweist er unter anderem auf dem Kunst!Rasen, wo der 50-Jährige trotz anfänglicher Regenschauer ein Konzert der Extraklasse gibt, bei dem nichts vorhersehbar ist und sich alles permanent ändert. Takt, Tonlage, Instrumentierung, Stilistik, alles ist im Fluss, die einzige Konstante ist die Unbeständigkeit. Und die Qualität. Denn egal, in welchen Sphären Wilson sich gerade tummelt, garantiert er doch stets ein unvergleichliches Klangerlebnis.

In der Gronau zeigt das Prog-Mastermind sich von seiner besten Seite, auch wenn nur 1800 Besucher den Weg auf das KunstRasen-Gelände gefunden haben. Manchen mag sein neues Album „To The Bone“, das er derzeit auf seiner Europa-Tournee vorstellt, einfach zu poppig sein, zu nett – aber genau diesen Menschen zeigt Wilson live die kalte Schulter.

Denn zum einen stellen sie sich der Veränderung in den Weg, und zum anderen kann Wilson auch anders. Bei "Home Invasion" etwa lässt er es ordentlich krachen, und auch sonst kehrt Wilson immer wieder zu der harten Gangart zurück, versinkt in ebenso wuchtigen wie komplexen Soli und zelebriert die Musik mit dionysischer Ekstase und apollonischem Geist.

So ganz nebenbei nutzt er seine Songs immer wieder für politische oder gesellschaftskritische Statements, etwa mit "Refuge" oder "People who eat Darkness". Klasse. Das KunstRasen-Publikum zeigt sich denn auch von der stilistischen Achterbahnfahrt begeistert, zumal Wilson sowohl ein akustischer als auch ein visueller Ästhet ist und seine Songs mit einer bemerkenswerten Multimedia-Show unterlegt, die leider aus technischen Gründen auf einer viel zu kleinen Videowand flackert und dadurch unterzugehen droht.

Fast zweieinhalb Stunden verzaubern Wilson und seine exzellente Band die Menge. Im Gegensatz zu früheren Andeutungen greift der Brite dabei auch auf das ein oder andere Porcupine-Tree-Stück zurück, darunter das fantastische „Lazarus“ und das dräuende „The Sound of Muzak“ – zwei Hits, die vor allem bei langjährigen Fans Jubelstürme auslösen. Zu Recht. Kompositionen wie diese unterstreichen einmal mehr, dass Wilson durchaus auf den Pop-Olymp gehört, in die Nähe von Prince und David Bowie, zu denen er immer noch aufblickt - und denen er in seinen besten Momenten auf Augenhöhe begegnet.

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