Interview mit Ingrid Bodsch Stadtmuseum-Chefin hofft auf ein Ende des Provisoriums

Bonn · Zur 2000-Jahr-Feier Bonns 1989 vom Rat aus der Taufe gehoben und mit der Dauerausstellung 1998 eröffnet, fristet das Bonner Stadtmuseum in der Franziskanerstraße heute ein Nischendasein. Das soll sich ändern.

Museumsleiterin Ingrid Bodsch findet Bonns Stadtgeschichte auch nach zwei Jahrzehnten noch spannend.

Museumsleiterin Ingrid Bodsch findet Bonns Stadtgeschichte auch nach zwei Jahrzehnten noch spannend.

Foto: Martin Wein

Wir stehen hier im Foyer des Stadtmuseums, das immer noch mehr an die alte Sauna erinnert, in die es hier früher ging. Im Grunde leben Sie jetzt schon 20 Jahre mit einem Provisorium.

Ingrid Bodsch: Der Eingangsbereich ist tatsächlich Provisorium geblieben. Der war seinerzeit für eine vollständige Umgestaltung vorgesehen. Es gab dafür fertige Pläne, aber nachdem der Architekt vorzeitig verstarb, sind sie nicht umgesetzt worden. Danach wurden wir Jahr für Jahr vertröstet.

Da hat sich also in 20 Jahren nichts verändert?

Bodsch: Unten nicht. Und auch in der Dauerausstellung konnten wir mangels Budget nur sehr begrenzt Hand anlegen.

Ist diese Anmutung einer Bundesstadt würdig?

Bodsch: Bonn war mit der Museumsgründung angesichts seiner 2000-jährigen Geschichte extrem spät dran. Alle anderen Städte, die schon im 19. Jahrhundert ihre Museen öffneten, nutzen dafür sehr repräsentative Bauten. Der Stolz auf die eigene Vergangenheit drückt sich darin aus. Davon kann in Bonn ganz offensichtlich keine Rede sein.

Hat die Stadt abgesehen von der Archivierungspflicht für ihre Akten eine Verpflichtung, Artefakte aus ihrer Geschichte zu erhalten und zu präsentieren?

Bodsch: In NRW sind Städte tatsächlich nur verpflichtet, ein Archiv für Amtsakten zu pflegen. Allerdings dürfen Kommunen nach den Erfahrungen im Nationalsozialismus ihren kulturellen Besitz nicht einfach verkaufen. Das was an Sammlungsgegenständen vorhanden ist, muss erhalten bleiben. Sprich: Das Museum könnte man schließen. Aber die Bestände müssten dann von der Stadt andernorts sicher und erhaltungsstabil eingelagert werden.

Das Haus besetzt inhaltlich die Lücke zwischen dem Rheinischen Landesmuseum und dem Haus der Geschichte. Fühlen Sie sich da inhaltlich eingeengt?

Bodsch: Das Landesmuseum war im 19. Jahrhundert vor allem archäologisch orientiert. Es sammelte anschließend breiter, aber für die gesammelte Rheinprovinz. Würselen war da genauso wichtig wie Bonn. Das Haus der Geschichte befasst sich mit der Bundesrepublik Deutschland nach 1945. Da spielt Bonn naturgemäß eine große Rolle. Wir konzentrieren uns darauf, was die Hauptstadtfunktion in der Stadt selbst bewirkt hat. Insofern wird Bonns eigentliche Stadtgeschichte von keinem der beiden anderen Museen wirklich adäquat abgedeckt.

Machen wir einen kleinen Rundgang. Welche Exponate zeigen Sie Besuchern am liebsten?

Bodsch: In Stein gehauen ist es sicher der Bonner Löwe aus dem 13. Jahrhundert als kurfürstliches und Bonner Wappentier. Anhand eines einzigen Objektes kann man viel über die Stadtverfassung berichten. Wertmäßig das teuerste ist sicherlich das Emmel-Silber. Dieses zeigt, dass selbst in der kleinen Residenzstadt Bonn bis zum Ende des Alten Reiches sehr gute und entsprechend teure Handwerker ihr Auskommen und ihre Abnehmer fanden.

Ist die Sammlung in den 20 Jahren nennenswert gewachsen?

Bodsch: Das Silber konnten wir mit Geld der Kulturstiftung von Bund und Ländern erwerben. Andere Silberstücke aus den exzellenten Bonner Werkstätten können wir vereinzelt zukaufen, weil uns ein ehemaliger Ministerialbeamter eine höhere Summe für Ankäufe aus der Zeit bis 1800 gestiftet hat. Sonst haben wir nur einen sehr kleinen Ankaufsetat. Auf vieles können wir gar nicht reagieren.

Ist die Dauerausstellung nach 20 Jahren noch zeitgemäß?

Bodsch: Im Regelfall wird ein Konzept alle 15 bis 20 Jahre überarbeitet. Neue Objekte müssen integriert, andere Sichtweisen eingebracht werden. Aus Kostengründen ist diesbezüglich derzeit nichts geplant. Natürlich würde ich heute einige Schwerpunkte anders setzen. Die Zeit nach 1945 kommt eindeutig zu kurz.

Es gibt neben Vitrinen und dem Stadtmodell auch Schauräume mit historischem Mobiliar. Inszenierte Geschichte ist in historischen Museen derzeit hoch im Kurs. Besucher sollen möglichst mit allen Sinnen erleben.

Bodsch: Ich würde gerne verstärkt mit Inszenierungen und audiovisuellen Mitteln arbeiten. Neben dem Ankauf müsste allerdings auch der Betrieb finanziell gesichert sein. Keine Technik ist so schrecklich wie eine, die nach zwei Jahren als veraltet gilt oder nicht funktioniert.

Was könnten Sie sich beispielsweise vorstellen?

Bodsch: Statt das Tafelsilber nur zu zeigen, würde ich die Besucher gerne wie früher die Günstlinge am Hof als Zuschauer an die kurfürstliche Tafel treten lassen. Geräusche, Gerüche, Beleuchtung, vielleicht sogar ein digitaler Gastgeber könnten eine eigene Welt erschaffen. Der Fantasie konnte man vielfältig nachhelfen. Im Museum of London habe ich schon vor 20 Jahren eine Römerin gesehen, die sich auf einer Kline (griechische Ruheliege, Anm. d. Red.) räkelte und die Fragen der Besucher beantwortete.

Dafür könnten Sie doch Ex-OB Jürgen Nimpsch einstellen?

Bodsch: (lacht) Herzlich gerne.

Tatsächlich ist die Weiterentwicklung des Museums ungewiss. Wäre eine engere, räumliche Kooperation mit dem Stadtarchiv sinnvoll?

Bodsch: Die Aufgaben sind vollkommen andere – und dementsprechend auch die Öffnungszeiten. Wer das Archiv nutzt, der geht nicht anschließend ins Museum und umgekehrt. Natürlich nutze ich für Ausstellungen die Bestände des Archivs. Das geht auch an getrennten Standorten.

An welchem Standort sähen Sie persönlich das Museum gerne?

Bodsch: 20 Prozent der Besucher kommen zufällig. Ein attraktives, zentrales Umfeld ist deshalb sehr wichtig. Unser Traum für eine Unterkunft war immer das Fürstenbergische Palais, die heutige Post, auf dem Münsterplatz.

In Rede stehen die Pestalozzi-Schule in Kombination mit dem Stadtarchiv, das Viktoriabad oder die jetzigen Räume...

Bodsch: Wenn wir hier bleiben, muss an der Fassade und im Foyer dringend etwas passieren. Außerdem hätten wir gerne etwas mehr Platz. Mit dem attraktiv beleuchteten Glasfenster kann ich mir auch das Bad als Standort sehr gut vorstellen. Die Pestalozzi-Schule wäre nach den Plänen baulich ideal. Allerdings müsste das Umfeld deutlich aufgewertet werden. Und es ist eine Zeitfrage, denn zuerst zieht ja zwingend das Archiv um.

Glauben Sie eine Entscheidung fällt noch in Ihrer Dienstzeit?

Bodsch: Ich bleibe bis 2021. Ich kann mir zumindest nicht vorstellen, dass man im Jahr zuvor Beethovens Geburtstag feiert und dann nach meinem Ausscheiden das Museum schließt. So geschichtsvergessen ist Bonn nicht.

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