Alternative zur Sanierung Stadthalle Godesberg könnte neuer Oper weichen

Bonn · CDU, SPD und FDP wollen einen Abriss des Opernhauses als Alternative zur Instandsetzung prüfen lassen. In einem Neubau, so die Idee, könnten Oper und Schauspiel gemeinsam unterkommen.

Seit einer Woche wird dieser Vorstoß in der Stadt heiß diskutiert. Es wäre eine radikale Lösung mit vielen Vorteilen: Zwei alte Gebäude abreißen, um ein modernes Zweispartenhaus zu bauen. Doch die Hürden für diese Idee sind hoch.

Kann sich Bonn einen Neubau leisten?

Bei Schulden von rund 1,7 Milliarden Euro tut jeder Euro weh. Kernfrage: Wird ein Neubau überhaupt teurer als eine Instandsetzung und falls ja, in welcher Höhe? Bisher sind vom Fachbüro „theapro“ für die Instandsetzung von Oper und Kammerspielen 109 Millionen Euro veranschlagt. Dazu kommen 13 Millionen für die Ertüchtigung der Theatergebäude in Beuel, die während der jahrelangen Bauarbeiten als Ausweichquartier für Proben und Werkstätten genutzt werden müssten.

Für diese 122 Millionen Euro wären die drei Objekte aber nicht umfassend saniert. Eine Betonsanierung der Wände zum Beispiel wäre nicht enthalten – und würde irgendwann später fällig. Und: In der Kostenprognose ist zwar ein 30-prozentiger Puffer für unvorhergesehene Probleme wie unentdeckte Schadstoffe eingepreist – ob der reicht, weiß aber keiner. Zwei namhafte Fachbüros, HPP Architekten aus Düsseldorf und PFP aus Hamburg, halten eine Sanierung deshalb prinzipiell nicht für preiswerter als einen Neubau, selbst wenn die technische Ausstattung neu angeschafft werden muss.

Welche Vorteile hat ein Neubau?

Ein Neubau entspricht dem aktuellen technischen und energetischen Standard (was die Energiekosten senkt) – und kann sowohl künstlerischen Bedürfnissen als auch den finanziellen Möglichkeiten der Stadt angepasst werden. Das Bauprojekt ist verlässlicher zu planen als eine Sanierung, und während der Bauzeit ist keine Interimsspielstätte nötig.

Selbst wenn die Neubau-Variante die teurere sein sollte, ist sie für die Stadt aus haushaltstechnischen Gründen einfacher auf Pump zu finanzieren. Hintergrund ist die Unterscheidung in konsumtive und investive Ausgaben: Mit konsumtiv sind vor allem laufende Kosten für Personal, Transferleistungen, Zuschüsse gemeint. Investiv heißt, es wird ein Wert geschaffen, der das Eigenkapital der Stadt erhöht. Bei investiven Krediten ist die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde für hoch verschuldete Städte deshalb nicht so streng – bei konsumtiven Ausgaben aber um so mehr.

Das Problem: Die Theaterinstandsetzung gilt nach Einschätzung von Kämmerin Margarete Heidler in weiten Teilen als konsumtiv, weil sie zu keiner wesentlichen Verbesserung der Häuser führt. Damit unterliegt sie den Restriktionen des Haushaltssicherungskonzepts (HSK), das Bonn zwingt, bis 2021 mindestens eine schwarze Null zu erreichen. Das Jahresdefizit 2016: 65 Millionen Euro. Ein Neubau wäre dagegen investiv. Zins und Tilgung drücken die Stadt natürlich trotzdem, ebenso wie bei Instandsetzung.

Was bringt es, Schauspiel und Oper unter einem Dach zu haben?

Ob im Neubau oder wie früher in der Oper – beide Sparten in einem Haus erhöhen zwar den täglichen Planungsaufwand, steigern aber auch die Auslastung. Außerdem sinken die Personalkosten, wenn nur noch ein Standort bespielt wird – für technische Mitarbeiter, Kartenverkauf, Hausmeister, Reinigung und Verwaltung etwa. In welchem Umfang, ist unklar. Selbst, wenn es zum Beispiel nur zehn Planstellen wären, spart die Stadt rund 500 000 Euro im Jahr.

Was ist mit den massiven Brandschutzmängeln in Oper und Kammerspielen?

Die müssen in beiden Varianten so schnell wie möglich behoben werden. Die Stadt hat dafür aus Mitteln des laufenden Unterhalts für 2017 und 2018 rund sechs Millionen Euro zur Verfügung.

Welche Vorteile bietet die Instandsetzung?

Bleiben die alten Standorte, muss sich das Publikum nicht umgewöhnen. Sowohl das Opernhaus, dessen Architektur in Bonn viele Fans hat, als auch die denkmalgeschützte Stadthalle würden bewahrt. Theoretisch ist die Instandsetzung planerisch schneller zu realisieren. Allerdings: Sie soll wegen des Beethovenjubeljahres erst nach 2020 so richtig beginnen. Weiteres Argument für die Instandsetzung: Ob das Städtische Gebäudemanagement Bonn (SGB) einen Theaterneubau erfolgreich stemmen kann, bliebe abzuwarten. Die Stadt könnte zwar einen Generalunternehmer einschalten. Das kostet aber zusätzlich rund 25 Prozent der Bausumme.

Warum ist Godesberg als Neubau-Standort im Gespräch?

Vor zwei Jahren hat der Rat eine Bestandsgarantie für Oper und Schauspiel beschlossen, weil das städtische Theater die Halle Beuel zur Rettung des Pantheons abgetreten hatte. Da die Godesberger schon ihr Kurfürstenbad verloren haben, würde es einen kommunalpolitischen Aufschrei geben, wenn das Schauspiel in einen anderen Stadtbezirk abwandern würde.

CDU-Fraktionschef Klaus-Peter Gilles favorisiert als Standort für einen Neubau das Grundstück, auf dem die geschichtsträchtige Stadthalle steht. Das Gebäude ist völlig marode und soll ab 2020 saniert werden. Bei einem Abriss würde die Stadt laut Insidern zwischen 20 und 30 Millionen Euro sparen. Allerdings müsste erst eine Ratsmehrheit für eine Aufhebung des Denkmalschutzes stehen. Falls die Denkmalschutzbehörden das ablehnen, was zu erwarten ist, kann NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach den Schutzstatus trotzdem kippen. Die Stadthalle ist jedoch als Veranstaltungsort für Messen, Tagungen und Feste gut ausgelastet – diese müssten dann in die Beethovenhalle, das Brückenforum in Beuel, das World Conference Center Bonn (WCCB) mit seinen zahlreichen großen und kleinen Sälen und Räumen oder etwa ins Maritim-Hotel ausweichen.

Und die Kammerspiele?

Geht das Schauspiel, braucht die Godesberger Innenstadt eine andere öffentliche Nutzung des früheren Kinogebäudes. Vor allem wenn die Stadthalle abgerissen würde, könnte es zum Beispiel als Treffpunkt für die Godesberger Vereine und freie Kulturangebote dienen. Auch dann muss die Stadt das Haus in Schuss bringen – aber mit deutlich weniger Aufwand als die bisher veranschlagten 27 Millionen Euro für das Schauspiel.

Welche Standorte kommen noch infrage?

Genannt wird zum Beispiel das Erzbergerufer neben der Beethovenhalle. Das Stadtgrundstück, auf dem einst das Festspielhaus geplant war, dürfte für ein kombiniertes Opern- und Theaterhaus aber zu klein sein. Außerdem ist es gerade für eine Hotelnutzung ausgeschrieben worden. Nach einem Opernabriss könnte der Neubau auch an derselben Stelle am Rheinufer entstehen. Die Stadt könnte das Filetgrundstück aber auch verkaufen, um Abriss- und einen Teil der Neubaukosten zu refinanzieren. Oder, noch besser: einem Investor mit Erbpachtvertrag anbieten. Dann bleibt die Kommune Eigentümerin und hat jährliche Einnahmen. Zum Vergleich: Für das Karstadt-Grundstück in der City kassiert die Stadt jedes Jahr rund 700 000 Euro Pacht. Am konsequentesten wäre, auch die Theaterhallen in Beuel zu vermarkten. Damit würde die Stadt die Zahl eigener Gebäude verringern, die fast alle großen Sanierungsstau haben – die Gemeindeprüfungsanstalt NRW hat sie schon vor Jahren zu einer Reduzierung aufgefordert.

Wie könnte es weitergehen?

Mit CDU, FDP und SPD gibt es eine Mehrheit für einen Neubau-Prüfauftrag an die Verwaltung. Die Machbarkeitsstudien werden einige Monate in Anspruch nehmen. Wenn Kostenprognosen für die verschiedenen Standorte vorliegen, kann der Rat entscheiden. Bleibt es beim Instandsetzungsplan, wird es zunächst eine Vorplanung für rund zwei Millionen Euro geben. Dabei würde auch geprüft werden, ob beide Häuser bei laufendem Betrieb ertüchtigt oder vorübergehend geschlossen werden sollten.

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