Diskussion um Flüchtlingspolitik Stadt Bonn will Flüchtlingskontingent nicht erweitern

Bonn · Oberbürgermeister Ashok Sridharan und seine Kollegen wollen ihren Appell als politisches Signal verstanden wissen. Evangelische Kirche und Deutscher Städtetag loben die Aktion, Bürger Bund warnt vor "Blankoscheck".

 In Decken gehüllte afrikanische Flüchtlinge warten in Motril darauf, vom Roten Kreuz registriert zu werden.

In Decken gehüllte afrikanische Flüchtlinge warten in Motril darauf, vom Roten Kreuz registriert zu werden.

Foto: dpa

Bei ihrem Angebot zur Aufnahme im Mittelmeer aufgenommener Migranten legt sich die Stadtverwaltung nicht auf konkrete Zahlen fest. Auch stellte sie auf Nachfrage des General-Anzeigers klar, dass es nicht um zusätzliche Kontingente und neue Fakten gehe, sondern die Zuweisung für Bonn weiterhin über den geltenden Verteilungsschlüssel ablaufen solle. Der ersten Reaktionen zu entnehmende Eindruck, die Stadt Bonn wolle kurzfristig außerplanmäßige Zusatzkapazitäten schaffen, ist somit falsch. Vielmehr vereint die drei Stadtoberhäupter offenbar das politische Ziel, „die Seenotrettung im Mittelmeer wieder zuzulassen“.

Wie berichtet, hatten die Oberbürgermeister von Bonn, Düsseldorf und Köln am Donnerstag mit einem gemeinsamen „Angebot und Appell zur Flüchtlingshilfe an Bundeskanzlerin Merkel“ für Aufmerksamkeit gesorgt. Die Initiative ging von Düsseldorfs OB Thomas Geisel (SPD) aus. Wie Stadtsprecherin Monika Hörig auf Anfrage erklärte, gehe es den drei Politikern darum, „ein Signal zu setzen“ und nicht um Zahlen. Da es „nicht um ein konkretes Angebot geht“, sei auch eine Beteiligung des Stadtrates bislang nicht erforderlich gewesen, erklärte sie. Sofern Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa gelangen, nach Bonn kommen, stünden bestehende Übergangsheime zur Verfügung. Man sei, so die Stadt, „grundsätzlich auf die Unterbringung vorbereitet“. Die Zahl der von der Stadt untergebrachten Menschen war 2017 von zunächst 3000 auf 2100 gesunken.

Unterm Strich bleibt es somit vorerst beim Appell an die Kanzlerin pro Seenotrettung. Über die indes entscheidet nicht die Bundesregierung im Alleingang. Insbesondere Italien hatte zuletzt mehrfach mit einem Aufnahmestopp gedroht, zivile Schiffe in einigen Fällen auch abgewiesen. Zuletzt stand auch die Abweisung von Personen in Rede, die von Schiffen der EU-Mission „Sophia“ aufgenommen wurden – bislang 49 000. Die Mission zur Bekämpfung von Schlepperbanden läuft – inklusive Seenotrettung – unter Beteiligung der deutschen Marine zunächst bis Ende August weiter. Zugleich sind nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) seit Anfang 2018 mehr als 1400 Menschen im Mittelmeer ertrunken.

Eine Bewertung, wie realistisch die auch in dem Appell geforderte „europäische Lösung mit allen Beteiligten“ tatsächlich ist, wäre nach Ansicht der Stadtverwaltung Spekulation. „Fakt ist, dass eine humanitäre Lösung gebraucht wird“. Zur These, dass die Seenotrettung nahe der afrikanischen Küste ein „Teil des Problems“ sei, weil sich Schlepperbanden auf die Nothilfe verließen, entgegnet die Stadt: „Schlepper sind kriminell und müssen verfolgt werden. Das Problem muss an der Wurzel, also in den Herkunftsländern und gemeinsam mit diesen angepackt werden. Auch wenn es noch keine Lösungen gibt, können wir die Menschen nicht ertrinken lassen.“ Zuspruch erhielten die drei rheinischen Oberbürgermeister am Freitag von der Evangelischen Kirche im Rheinland und dem Deutschen Städtetag. „Ich bin dankbar, dass durch diese Initiative die Diskussion um eine humane Flüchtlingspolitik in Deutschland belebt wird“, erklärte Präses Manfred Rekowski. Am vergangenen Wochenende hatten in Bonn rund 1000 Menschen für dieses Anliegen demonstriert.

Der Bürger Bund Bonn (BBB) warnt unterdessen vor einem „Blankoscheck“ in der Flüchtlingsfrage. Bonn habe sich bereits in der Vergangenheit stärker engagiert als nach dem Verteilungsschlüssel erforderlich und und sei auf den Kosten sitzen geblieben. BBB-Sprecher Marcel Schmitt: „Wir machen uns als Kommune doch unglaubwürdig, wenn wir vom Bund wegen des Flüchtlingsstromes erst höheren Kostenersatz fordern, dann aber freiwillig Kapazitäten anbieten, obwohl wir pleite sind.“ Konsequenz aus Sicht des BBB: Der Bund müsse alle Kosten tragen.

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