Regionalplan 2035 Stadt Bonn will Gewerbegebiete in der Region ansiedeln

Bonn · Die Wirtschaftsflächen in Bonn platzen aus allen Nähten, das Potenzial ist begrenzt. Die Lösung liegt im Umland. Doch wie schafft man dort Flächen, von denen alle Partner profitieren? Den Durchbruch soll nun der „Regionalplan 2035“ bringen.

Die Stadt Bonn stößt an die Grenzen ihrer Gewerbeflächen. Helfen sollen Kooperationen mit Kommunen im Umland.

Die Stadt Bonn stößt an die Grenzen ihrer Gewerbeflächen. Helfen sollen Kooperationen mit Kommunen im Umland.

Foto: Benjamin Westhoff

Auch ein kleiner Appetitanreger kann eine bekömmliche Sache sein. Bonns Oberbürgermeister Ashok Sridharan jedenfalls lässt sich den Termin mit seinen Kollegen der Nachbarkommunen Bornheim und Alfter Ende März sichtlich schmecken. Da gerät es beinahe in den Hintergrund, dass bei dem neuen „interkommunalen Gewerbegebiet“, welches an diesem Tag in der Alanus Hochschule präsentiert wird, eindeutig die Alfterer den Hut aufhaben. Während die Vorgebirgsgemeinde sämtliche Investitionen trägt und später auch allein die Steuereinnahmen einstreicht, bleibt Bonnern und Bornheimern lediglich ein Mitspracherecht bei der Ansiedlung einzelner Firmen. Gleichwohl: Unternehmen, die nicht in Bonn, wohl aber im nahen Alfter unterkommen, müssen nicht in die Peripherie wie Eifel oder Rheinland-Pfalz ausweichen, sondern bleiben – ebenso wie die Kaufkraft ihrer Mitarbeiter – wenigstens vor der Haustür – der Bundesstadt.

In Bonn ist allein das für die Verantwortlichen schon Grund genug, sich den Schritt nicht kleinreden zu lassen. Wohl auch nicht vom Bürger Bund Bonn (BBB), der mit Blick auf die Kooperation in Alfter postwendend die Befürchtung aufwarf, außer zusätzlichem Verkehr werde die Stadt vom benachbarten Gewerbepark nichts haben. Vielmehr stehe gar zu befürchten, „dass manches Bonner Unternehmen den OB beim Wort nimmt und Bonn in Richtung Alfter gleich ganz verlässt“, so Fraktionschef Marcel Schmitt. Immerhin liegt die Gewerbesteuer bei den Nachbarn satte zehn Prozentpunkte unter der von Bonn.

In der Tat ist die Herangehensweise der Verwaltungsspitze eine andere: Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass die Entwicklungsmöglichkeiten in Bonn – vorsichtig ausgedrückt – begrenzt sind: Sie reichen nicht einmal für bereits bestehende Betriebe, die gern expandieren möchten.

Projekt in Alfter ist ein erster Schritt

Das hat auch der Bonner OB im Hinterkopf, wenn er sich zuversichtlich zeigt, ähnliche Projekte mit anderen Kommunen des Rhein-Sieg-Kreises fortsetzen zu können – „vielleicht auch auf einer anderen rechtlichen Basis“, schiebt Sridharan hinterher. Das Projekt in Alfter sei „ein erster erfolgreicher Schritt in die richtige Richtung, dem hoffentlich noch viele weitere folgen.“ Wo genau, darauf will sich der Oberbürgermeister auch auf Nachfrage nicht festlegen; eventuell könne er zur Jahresmitte konkreter werden.

Planungsrechtlich hat Bonn im Idealfall die Möglichkeit, Gewerbeflächen, für die in der Bundesstadt schlichtweg kein Platz ist, in der Nachbarschaft nachzuweisen. Die „Gastgeberkommune“ hat davon keinen Nachteil. Verhandelt werden muss über jenen „Überschwappeffekt“ mit der Bezirksregierung.

Dies ist die Stelle, an der manch ein Bürgermeister und Wirtschaftsförderer im Umland hellhörig werden dürfte. Neu ist die Idee eines „echten“ interkommunalen Gewerbegebiets, bei dem Bonn und seine Kooperationspartner gleichberechtigt auf Augenhöhe agieren, beileibe nicht.

Entsprechend haben Bonn und Rhein-Sieg-Kreis beim Kölner Planungsbüro Dr. Jansen GmbH die Ausarbeitung eines Gewerbeflächenkonzeptes für den Zeitraum bis zum Jahr 2035 in Auftrag gegeben, mit dessen Fertigstellung bis zur Jahresmitte gerechnet wird. Zugleich bleibt das Thema ein Dauerbrenner der zahlreichen Treffen von Bürgermeistern, Landrat, Regierungspräsidentin und Vertretern des Landes. Und auch die Wirtschaftsvertreter brennen darauf, dass es mit dem Thema weitergeht. „Am Ende profitieren davon alle Beteiligten – die Kommunen und die Betriebe, die in der Region bleiben können“, ist Professor Stephan Wimmers, Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg, überzeugt. Insofern begrüße die IHK den Vorstoß für ein gemeinsames Vorgehen, der aus ihrer Sicht jedoch „schon früher erwünscht“ gewesen wäre. Stephan Wimmers: „So haben wir leider den einen oder anderen Betrieb etwa in den Landkreis Ahrweiler verloren.“ Der Durchbruch lässt also noch auf sich warten.

Hohe Nachfrage nach Gewerbe- und Industriestandorten

Entsprechend kann auch der Landrat das Thema inzwischen herunterbeten. „Hintergrund ist die Tatsache, dass aufgrund der erfolgreichen Vermarktung und hohen Nachfrage nach Gewerbe- und Industriestandorten sowohl im Rhein-Sieg-Kreis als auch in Bonn das Angebot an verfügbaren Grundstücken nur noch sehr gering ist“, erklärt Rhein-Sieg-Landrat Sebastian Schuster. Insofern liege eine nahe Standortalternative im Interesse aller. „Dann könnten sich auch Arbeitskräfte lange Pendlerstrecken oder gar Umzüge ersparen, und den Unternehmen bleibt das Personal erhalten, weil es ohne großen Aufwand zum neuen Standort im Rhein-Sieg-Kreis mitwechseln kann“, bestätigt Schuster die Haltung der Bonner. Anders als sie können er und Kreis-Wirtschaftsförderer Hermann Tengler aber bereits von einem positiven Beispiel berichten – in Gestalt des interkommunalen Gewerbegebietes Much/Neunkirchen-Seelscheid am Standort Bövingen/Bitzen.

Eines ist aus Sicht von Sebastian Schuster für eine funktionierende Kooperation auf Augenhöhe unabdingbar: Erträge und Kosten müssten natürlich zwischen den Kommunen aufgeteilt werden. Der Landrat ist überzeugt, dass sich in diesem Fall eine „eindeutige Win-win-Situation“ ergibt: „Neue Arbeitsplätze werden geschaffen, bestehende in der Region gehalten, die Wertschöpfung bleibt in der Region, höhere Steuereinnahmen, mehr Wohlstand“, fasst der Landrat die Vorteile zusammen.

Eine jener Nachbarkommunen, die sich seit geraumer Zeit in Gesprächen mit den Bonnern befinden, ist die Stadt Rheinbach. Dass er sich über zusätzliche Arbeitsplätze in seiner Stadt naturgemäß immer freut, verhehlt Bürgermeister Stefan Raetz nicht. Zugleich ist er als Sprecher der 19 Bürgermeister im Rhein-Sieg-Kreis der Kirchturmpolitik unverdächtig. So spiegelt sich in seinen Erwägungen gewissermaßen die Haltung von Ashok Sridharan: Die Kommunen im Umland bekämen die zusätzlichen Gewerbeflächen nur dann zugesichert, wenn sie der Bezirksregierung nachweisen, dass sie mit Bonn kooperieren. Weil Kooperation hier ausschließlich im Wortsinne gemeint sei, hat Raetz folgendes Modell entworfen: Alle Lasten und Erfolge für neue Gewerbe- und Industriegebiete werden geteilt. Bonn zahlt für den zusätzlichen Flächenanteil, der eigentlich der Bundesstadt zusteht, aber außerhalb realisiert wird – weil die Flächen in Bonn fehlen – sowie die Hälfte der Kosten für Ankauf und Erschließung. Bonn bekommt die Hälfte des Verkaufspreises und die Hälfte der zusätzlichen Gewerbesteuer.

Mit anderen Worten: „Alles wird geteilt. Eigentlich ganz einfach und fair.“ Dass es in der Umsetzung auch zu Schwierigkeiten kommen kann, weiß auch Stefan Raetz – etwa wenn die Flächenanteile der Partnerkommunen stark differieren. Doch sei auch das lösbar, etwa mit individuellen Verteilungsschlüsseln.

Leben, wohnen und arbeiten in der Region

Für mindestens so entscheidend wie die Vorteile für die örtliche Wirtschaftskraft hält Raetz etwas, das gemeinhin den etwas nachrangigen Ruf der „weichen Faktoren“ genießt: „Die Bürger leben, wohnen und arbeiten in der Region. Sie dürfen daher zu Recht auch regionale Lösungen erwarten. Es wäre fatal, die Entwicklungspotenziale von Bonn, die dort flächenmäßig nicht mehr darstellbar sind, einfach verpuffen zu lassen“, sagt Raetz und ergänzt mit Blick auf den „Halskrausenkreis“: „So können wir die Region leben. Es bedarf nicht unbedingt neuer Verwaltungsstrukturen, sondern es muss einfach mal mutig und neu gehandelt werden.“ Wo die Arbeit zu den Menschen komme, bringe das nicht nur Beruf und Wohnort in Einklang, sondern dezimiere auch einen beträchtlichen Teil der morgendlichen und abendlichen Staus. Der neue Bahnhaltepunkt „Rheinbach-Römerkanal“, in der Planungshase lange belächelt, sei heute eines der besten Zugpferde für das dortige Gewerbegebiet.

Die Regierungspräsidentin habe sein Konzept für die Neuaufstellung des Regionalplans aufgegriffen, den Verantwortlichen in Bonn habe er es vor einiger Zeit vorgetragen. „Ich bin in der komfortablen Lage, warten zu können. Die Firmen kommen auch ohne Kooperation mit Bonn zu uns“, sagt der Bürgermeister. Es wäre nur schade, die Bonner Flächen nicht gesichert zu wissen. Der Ball liege im Bonner Spielfeld.

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