"Kaum praktikabel" Stadt Bonn sieht Urteil zum Diesel-Fahrverbot mit Sorge

Bonn · Die Stadt Bonn und die Kammern sehen das Leipziger Urteil zum Diesel-Fahrverbot mit Sorge. Luftqualität soll mit anderen Maßnahmen verbessert werden, findet Oberbürgermeister Ashok Sridharan.

Das Urteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts, dem zufolge ein Diesel-Fahrverbot in Städten grundsätzlich zulässig ist, ist in Bonn bei Stadt und Kammern auf Ablehnung gestoßen. Die Entscheidung bedeute zwar nicht, dass ab morgen Dieselfahrzeuge in der Bonner Innenstadt verboten seien, sagte Oberbürgermeister Ashok Sridharan. "Aber dennoch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Bezirksregierung Köln Dieselfahrverbote im Luftreinhalteplan Bonn anordnet, wenn die Stickoxid-Grenzwerte anders nicht eingehalten werden können."

Das allerdings will auch die Behörde selbst verhindern. "Wir versuchen alles Mögliche, damit es zu keinen Fahrverboten kommt", betonte Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung Köln. Zunächst prüfe die Behörde jetzt alle Maßnahmen, die in den betroffenen Städten im Regierungsbezirk - also Köln, Bonn und Aachen - zur Verbesserung der Luftqualität geplant seien.

Zudem werde auch die Verhältnismäßigkeit vor einem möglichen Fahrverbot berücksichtigt, also zum Beispiel dadurch entstehende Kosten. Dem Leipziger Urteil zufolge seien Fahrverbote nicht vor September 2019 möglich, sagte Nolte. Falls es trotz aller Bemühungen, dies zu verhindern, auch dazu kommen sollte, würde bis dahin auf jeden Fall noch mehr Zeit vergehen.

"Kaum praktikabel und nicht zu kontrollieren"

Für den Ernstfall sieht Bonns Oberbürgermeister Sridharan noch ein anderes Problem: "Solche Fahrverbote wären kaum praktikabel und nicht zu kontrollieren." Eine flächendeckende Kontrolle im gesamten Stadtgebiet seitens der Polizei hält auch Udo Schott für unmöglich. "Für dieses neue Aufgabenfeld ständen gar keine Ressourcen zur Verfügung", sagte der Vorsitzende der Kreisgruppe Bonn der Gewerkschaft der Polizei.

Derweil haben auch die Handwerkskammer Köln sowie die Industrie- und Handelskammer Bonn/Rhein-Sieg das Leipziger Urteil mit Sorge aufgenommen. So befürchtet Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln, bei einem Fahrverbot "empfindliche Beschäftigungs- und Umsatzeinbußen" für die Betriebe in den betroffenen Städten und ihrem Umland. "Wir beschäftigen im Handwerk in der Region rund 190 000 Mitarbeiter. Der aus den Fahrverboten resultierende Auftragsrückgang würde auch Arbeitsplätze gefährden", sagte er. Zudem wäre die Versorgung der Bewohner mit Gütern und Dienstleistungen nicht mehr sichergestellt.

Wirtschaftlich nur schwer verkraftbar

Ähnlich argumentierte Hubertus Hille, Hauptgeschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg. Kurzfristige Flottenerneuerungen seien für viele kleine und mittelgroße Unternehmen wirtschaftlich nur schwer verkraftbar, Berufspendler seien auf die Erreichbarkeit ihres Arbeitsorts angewiesen, betonte er. Erfreulich an dem Urteil ist aus seiner Sicht nur eines - "die vom Gericht als zulässig angesehenen Ausnahmegenehmigungen".

Unter anderem darauf setzt auch Elmar Große Winkelsett, Prokurist bei der Bonner Spedition Heinrich Schlang und dort für den Fuhrpark der zwölf Sattelschlepper zuständig, die größtenteils der Euro-6-Norm entsprechen. Zumindest bleibt er entspannt - die Waren müssten schließlich transportiert werden.

Stadt sieht Industrie und Regierung in der Pflicht

Die Stadt Bonn sieht jetzt Autoindustrie und Bundesregierung in der Pflicht zu reagieren. Ansonsten setzt sie auf ein Maßnahmenbündel zur Verbesserung der Luftqualität - vom Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs bis zur Umrüstung von Linienbussen. Allerdings sei dies ein längerer Prozess.

"Im Vergleich zu Fahrverboten, die den Schadstoffausstoß nur räumlich verlagern, besitzen die meisten dieser Lösungen den Vorteil, dass sie die Emissionen in den Städten nachhaltig verringern und die Mobilität insgesamt verbessern", findet auch Stephan Wimmers, Geschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg.

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