Fall Niklas Pöhler Beide Seiten fordern Freispruch für Walid S.

Bonn · Im Fall des getöteten Niklas Pöhler hat die Staatsanwaltschaft überraschend Freispruch für den Hauptangeklagten Walid S. gefordert. Ein Grund dafür ist die Ähnlichkeit zu Hakim D..

Überraschung im Prozess um den gewaltsamen Tod von Niklas Pöhler: Staatsanwalt Florian Geßler hat überraschend einen Freispruch für den Hauptangeklagten Walid S. gefordert. In seinem Plädoyer erklärte er, dass er nach anfänglicher Überzeugung einer Schuld von Walid S. während des Prozesses doch Zweifel an der Tatbeteiligung Walid S. habe. Grund sei besonders die Ähnlichkeit des weiteren Tatverdächtigen, Hakim D.

"Ich kann nicht mit der nötigen Überzeugung sagen, dass es der Angeklagte war, der Niklas den tödlichen Schlag versetzt hat", sagte Geßler. Der Staatsanwalt erklärte, zu viele vernünftige Zweifel bestünden an der Schuld des Angeklagten, auch wenn die Tat Walid S. zuzutrauen sei. "Diese Tat liegt auf einer Linie mit Taten, die der Angeklagte schon begangen hat." Dazu gehöre unter anderem eine körperliche Attacke vom 30. April 2016, eine Woche vor dem Tod von Niklas Pöhler.

Walid S. hatte zugegeben, damals einen anderen Jugendlichen geschlagen und getreten zu haben. "Dass er seinem Opfer eine Flasche auf den Kopf schlug, bestreitet Walid S. zwar, doch auch das steht für mich fest", sagte Geßler. Deshalb beantrage er für die Tat am 30. April eine Jugendstrafe von einem Jahr auf Bewährung und im Fall Niklas einen Freispruch.

Nachdem der 22-jährige Tunesier Hakim D. im Laufe des Prozesses als möglicher Täter aufgrund einer Zeugenaussage erneut in Frage kam und in den Zeugenstand musste, habe sich der Zweifel bei der Staatsanwaltschaft verfestigt, ob Walid S. wirklich der Täter war. Es kann offenbar nicht ausgeschlossen werden, dass Zeugen die beiden möglicherweise verwechselt haben. Auch Hakim D. sei eine solche Tat zuzutrauen und er sehe Walid S. tatsächlich ähnlich. "Es gibt nach der Beweisaufnahme zwei mögliche Täter, so dass ich nicht mehr sagen kann, wer der wirkliche Täter ist", sagte der Staatsanwalt. Dieser Ausgang des Verfahrens sei für ihn sehr unbefriedigend. Vor allem tue es ihm sehr leid für die Mutter des Getöteten.

Am 7. Mai 2016 wurde der 17-jährige Niklas Pöhler aus Bad Breisig auf dem Rückweg von einem Konzert in der Nähe des Bad Godesberger Bahnhofs attackiert und mit einem Faustschlag gegen den Kopf so schwer verletzt, dass er sechs Tage später an den Folgen starb. Zehn Tage nach der Tat wurde Walid S. als Tatverdächtiger festgenommen.

Der als gewalttätig bekannte Heranwachsender mit Migrationshintergrund wurde in U-Haft gesteckt und schließlich zusammen mit dem mutmaßlichen zweiten Täter Roman W. angeklagt. Letzterer soll an der für Niklas tödlichen Schlägerei beteiligt gewesen sein und überdies einer Begleiterin von Niklas mit der Faust gegen den Kopf geschlagen haben. Bis zuletzt war die Staatsanwaltschaft überzeugt, mit Walid S. den Haupttäter gefasst zu haben.

Gleich zu Beginn der Ermittlungen rückte auch der 22-jährige Tunesier Hakim D. in den Fokus der Ermittlungen. Aufgrund anderer Straftaten sollte Hakim D. abgeschoben werden. Dies wurde aufgrund der Ermittlungen im Fall Niklas erst einmal aufgeschoben. D. sitzt aktuell in Haft. Obwohl die Staatsanwaltschaft keine Indizien für eine Beteiligung von Hakim D. an der Attacke an Niklas finden konnte, rückte der 22-Jährige im Laufe des Prozesses gegen Walid S. doch noch einmal in den Mittelpunkt. Eine Zeugin sagte aus, ein Bekannter von ihr habe Hakim D. als Angreifer von Niklas erkannt und vor Gericht aus Angst nicht die Wahrheit gesagt. Besagter Zeuge bestritt dies jedoch erneut vor Gericht und blieb bei seiner Aussage: Er habe den Angreifer von Niklas nicht erkannt.

Im Anschluss an das Plädoyer des Staatsanwalts beantragte auch der Verteidiger Martin Kretschmer erwartungsgemäß Freispruch für seinen Mandanten Walid S. im Fall Niklas und einen Dauerarrest für die Attacke am 30. April.

Zum letzten Wort des Angeklagten kam es allerdings nicht mehr, weil der Anwalt der Mutter von Niklas Pöhler krankheitsbedingt fehlte und deshalb nicht plädieren konnte. Dessen Schlussvortrag wird nun am Morgen des 3. Mai stattfinden. Am selben Tag soll dann mittags das Urteil gesprochen werden.

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