Fall Niklas Pöhler Staatsanwalt ermittelt nach Freispruch weiter

Bonn · Die Ermittler hoffen, dass sich doch noch ein Zeuge durchringt, die Wahrheit zu sagen. Noch herrsche "Eine Phalanx aus Lügen und Schweigen." Im Fadenkreuz steht nun auch der 22-jährige Hakim D.

Wer hat Niklas Pöhler am 7. Mai 2016 in Bad Godesberg getötet? Kann der Fall überhaupt noch geklärt und die Tat gesühnt werden? Diese Fragen stellen sich nun ein Jahr nach dem gewaltsamen Tod des 17-Jährigen erneut, nachdem der Hauptverdächtige am Mittwoch nach viermonatigem Prozess vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge vom Bonner Jugendschwurgericht freigesprochen worden ist.

Das Gericht hatte am Ende nicht nur zu viele Zweifel an der Täterschaft des 21-Jährigen Walid S., sondern kam sogar zu dem Ergebnis: Es spreche mehr dafür, dass er es nicht war, der Niklas in jener Nacht den Faustschlag gegen den Kopf versetzte, der zum Tode des 17-Jährigen führte. Die Staatsanwaltschaft will jedenfalls noch nicht aufgeben.

Wie ihr Sprecher Robin Faßbender am Donnerstag auf Anfrage erklärte, wolle man nun nach neuen Ermittlungsansätzen suchen und dabei noch einmal „jeden Stein umdrehen. Wir werden uns noch einmal die komplette Ermittlungsakte vornehmen und die ganze Hauptverhandlung auswerten“, erklärte der Oberstaatsanwalt, der auch Leiter der für den Fall zuständigen Kapitalabteilung seiner Behörde ist.

Gegen Roman W. wird weiter verhandelt

Faßbender versicherte, man habe zu keinem Zeitpunkt einseitig ermittelt und von Anfang an gegen eine Vielzahl von Personen aus den einschlägigen Bad Godesberger Kreisen ermittelt – auch gegen den nun erneut in den Fokus geratenen Hakim D., der Walid S. so ähnlich sieht. Und der Zeugen zufolge zur Tatzeit in Tatortnähe gesehen wurde – zusammen mit dem 21-jährigen Roman W., gegen den im Fall Niklas gesondert weiter verhandelt wird. Staatsanwalt Florian Geßler erklärte dazu im Prozess: Dass Roman W. bei der Attacke auf Niklas dabei war und dessen Begleiterin geschlagen habe, stehe für ihn fest.

Die Hoffnung der Ermittler im Fall Niklas besteht vor allem darin, dass sich vielleicht doch noch ein Zeuge dazu durchringt, die Wahrheit zu sagen. Wie schon Geßler kritisiert auch Faßbender das Aussageverhalten der meisten Zeugen, denn auch für ihn steht fest, dass es Leute gibt, die genau wissen, wer der Haupttäter ist. „Wir führen hier einen Kampf gegen eine Phalanx aus Lügen und Schweigen, und erst wenn wir es schaffen, diese Mauer zu durchbrechen, kommen wir weiter“, so der Oberstaatsanwalt.

Nun steht der 22-jährige Hakim im Fadenkreuz

Ob das gelingen wird, ist mehr als ungewiss. Zumal der 22-jährige Tunesier Hakim D., der nun wieder im Fadenkreuz der Ermittlungen steht, seit April nach einer Haft in anderer Sache wieder auf freiem Fuß ist. Und auch Roman W., der in U-Haft geschickt worden war, weil er Zeugen im Fall Niklas bedroht und attackiert hatte, ist wieder frei. Ob das die Wahrheitsliebe möglicher Zeugen befördert, darf bezweifelt werden.

Sollte sich im Zuge weiterer Ermittlungen allerdings herausstellen, dass doch der freigesprochene Walid S. der Täter sein könnte, kann er nicht so ohne Weiteres noch einmal vor Gericht gestellt werden. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen einen Freigesprochenen ist nach Paragraf 263 der Strafprozessordnung nur unter eng gefassten Voraussetzungen möglich.

So könnte er laut Faßbender erneut angeklagt werden, wenn er plötzlich ein glaubhaftes Geständnis ablegte, oder wenn ein Zeuge, der zu seinen Gunsten gelogen hätte, plötzlich gegen ihn aussagen und wegen der früheren Falschaussage rechtskräftig verurteilt würde. Dass Walid S. derjenige war, der Niklas' Tod verursacht hat, ist nach dem Bild, das während des Prozesses entstand, höchst unwahrscheinlich.

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