Kommentar zum Bonner Wohnungsmarkt Soziale Zeitbombe

Meinung | Bonn · Von einer Herausforderung zu sprechen, wäre schamlos untertrieben: Die Lage auf dem Bonner Wohnungsmarkt wird sich in den nächsten Jahren dramatisch zuspitzen, sofern kein Wunder geschieht.

Schon jetzt klafft bei preiswerten Unterkünften eine Versorgungslücke von rund 10 000 Wohnungen. Genau in diesem Segment entstand durch den Zustrom tausender Flüchtlinge selbst nach vorsichtigen Berechnungen schon 2015 ein Zusatzbedarf von 1500 Wohneinheiten. Gebaut wurden 2014 ganze 675, davon 121 Sozialwohnungen. Wer diese Zahlen nebeneinander stellt, erkennt schnell, dass Bonn das Problem im Prinzip nicht lösen kann. Da tickt eine soziale Zeitbombe.

Natürlich brauchen Menschen, die vor Gewalt geflohen sind, eigene Wohnungen, um sich in die deutsche Gesellschaft integrieren zu können. Aber es fehlt der Stadt an zwei entscheidenden Voraussetzungen, preiswerten Wohnraum zu schaffen: an Grundstücken und an Investoren. Die reichlich vorhandenen Fördermittel sind kein Anreiz, weil die Zinsen so niedrig liegen, dass der freie Markt viel lukrativer ist als der soziale Wohnungsbau.

Die Stadt sollte deshalb beim Neubau möglichst flächendeckend eine Sozialwohnungsquote durchsetzen – wobei die bisher angestrebten 30 Prozent zu niedrig gegriffen sein dürften. Am einfachsten ist dieses Ziel auf stadteigenen Grundstücken zu erreichen, am besten mit Hilfe der kommunalen Wohnungsgesellschaft, die dafür finanziell aufgepolstert werden müsste. Unverständlich vor diesem Hintergrund: Die Stadtverwaltung hat sich bisher nicht sonderlich bemüht, dem Bund die Ermekeil- und die Gallwitzkaserne abzukaufen – beide Grundstücke sind ideal für den gemeinnützigen Wohnungsbau.

Klar ist aber auch: Bonn wird in Zukunft dichter und höher bauen, um Raum für die wachsende Zahl von Einwohnern zu schaffen. Das wird das Gesicht der Stadt verändern. Auch Tabus wie die weitere Randbebauung des Meßdorfer Feldes werden fallen, einfach weil die Realität es verlangt. Aber selbst wenn Verwaltung und Rat alles tun, um die drohende Wohnungsnot zu mildern, geht es nicht ohne Kooperation mit den benachbarten Städten. Nur die haben genügend Flächen für neue Häuser. Im Umland wohnen, in Bonn arbeiten – davon profitiert die ganze Region.

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