Zwei Festivals in der Bonner Rheinaue Sommer im Park

Bonn · Das Parkrestaurant in der Rheinaue feiert ein doppeltes Jubiläum: 25 Jahre Jazz im Biergarten und 20 Jahre Sommerfestival. Auf dem Programm stehen 50 Konzerte – bei freiem Eintritt. Die Veranstalter erwarten rund 50 000 Besucher.

Es knirscht der Kies, an Theke und Tischen klirren die Gläser. Die flache Bühne ist bereits eingerichtet mit Instrumenten und Lautsprecherboxen. Sieht einladend aus, hier spielen die Künstler auf Augenhöhe mit dem Publikum. In 30 Minuten wird der britische Trompeter Rod Mason den ersten Jazztitel intonieren. 150 Gäste haben bereits Platz genommen. Vielleicht kommen weitere 300 Besucher, wenn das Wetter bleibt, wie es ist, oder weitere 600 und mehr, wenn die Wolken endlich das Weite suchen. Doch der Himmel weiß noch nicht, was er will. Typisch in dieser Saison, bisher jedenfalls.

Dirk Dötsch bleibt trotzdem cool – und macht in Optimismus. Wird es heute regnen? „Nein“, sagt der Bonner Gastronom, „für mich regnet es nie.“ Außerdem: „Es hat in diesem Sommer schon so viel geregnet, irgendwann muss das Wasser doch mal alle sein.“ Dötsch ist Geschäftsführer im Parkrestaurant Rheinaue und auch Veranstalter der Konzerte im Biergarten des Lokals. Ab 2000 war er bereits Betriebsleiter und kennt somit einen Großteil der Erfolgsgeschichte der beiden Konzertreihen, die in diesem Sommer ein Jubiläum feiern: 25 Jahre Jazz im Biergarten und 20 Jahre Sommerfestival. Die Jazztermine laufen seit Mitte Mai jeweils Freitag, das Sommerfestival reiht sich am kommenden Montag ein mit wöchentlich vier bis fünf Konzerten – bis zum Abschlussfeuerwerk am 3. September.

Auch Walter Schnabel sitzt am Tisch. Er bucht die Bands, und das seit den Geburtsstunden der Konzertreihen. Schnabel kennt die Zahlen: Seit 1992 sind bei den Jazzkonzerten 97 verschiedene Bands aufgetreten; berücksichtigt man die Wiederholungstäter, so ergibt sich daraus eine Summe von 358 Veranstaltungen. Das Sommerfestival ging fünf Jahre später an den Start, hat aber eine deutlich höhere Schlagzahl. Bilanz: 671 Veranstaltungen mit 185 Bands in 20 Jahren.

Schnabel hat nichts einzuwenden gegen einen neugierigen Blick über seine Schulter. Vor ihm liegt eine Liste mit den geschätzten Besucherzahlen. Sie berücksichtigt, wen wundert es, auch die äußeren Bedingungen: „2012 ca. 38 000 (wechselhaftes Wetter)“, „2013 ca. 45 000 (guter Sommer)“, „2014 ca. 30 000 (verregnete Saison)“, „2015 ca. 47 000 (guter Sommer)“.

Wer nun die durchschnittliche Besucherfrequenz eines Jahres mit dem Faktor 25 beziehungsweise 20 multipliziert, kommt auf das statistisch belastbare Ergebnis, dass in all den Jahren jeder Bonner mindestens einmal vor dieser kleinen flachen Bühne Platz genommen hat. Zaungäste nicht eingerechnet, denn bei perfekten Bedingungen bildet sich ein Kranz an Passanten, die einen Blick auf Le Clou, Sticky Fingers oder U 12 werfen wollen.

Oder auf die Sunny Skies, womit wir wieder beim Wetter wären. Das lässt sich zwar nicht beeinflussen, aber austricksen – indem man das Profil des Programms schärft. Dirk Dötsch erklärt diesen Vorgang mit einem frühen Schlüsselerlebnis. „Wir hatten ein Konzert, doch das Wetter war mehr als dürftig, wir rechneten mit 40 bis 50 Besuchern, es kamen aber 450, und die waren begeistert.“ Wie konnte das passieren? So: Auf der Bühne stand eine Band, die ausschließlich Lieder von Abba gespielt hat. Eine Coverband also, auch Tribute-Band genannt. „Wir haben mit der Zeit gemerkt, dass es Stilrichtungen gibt, die ein größeres Publikum ansprechen“, sagt Dötsch. „Und wenn wir nun den Ehrgeiz verfolgen, ohne jeden Eintritt zu spielen, muss der Platz gut gefüllt sein“.

Weil „Eintritt frei“ eben auch bedeutet, dass Kosten wie Honorare, Energie oder Investitionen in große Sonnenschirme, die auch vor Regen schützen, von den Umsätzen der Gastronomie gedeckt werden. So ist das in der freien Wirtschaft, die nicht am Tropf städtischer Subventionen hängen möchte.

Das erklärt die Ausrichtung der Konzerte mit zahlreichen Coverbands – und bringt Dötsch gelegentlich in Erklärungsnöte. Covermusik sei keine Kultur, hat man ihm mitunter vorgehalten. Wer ist „man“? „Auch die Medien“, sagt Dötsch und fragt sich, warum dieses Genre gemeinhin nicht unter den allgemeinen Kulturbegriff fällt. „Klar“, sagt er, „wir sehen uns in erster Linie als Unterhalter“. Aber auch das ist Kultur. Unterhaltungskultur.

Hochwertige Unterhaltung gibt es auch im diesjährigen Aufgebot. Die Musiker von Bosstime zählen bundesweit zu den gefragtesten Experten für das Repertoire von Bruce Springsteen. Die Band Supernatural bleibt stilsicher selbst in den filigransten Synkopen eines Carlos Santana. MAM spielt BAP, und das mit dem hochoffiziellen Segen des Originalkölschrockers Wolfgang Niedecken, der seine Karriere, wenn man so will, ebenfalls als Covermusiker begonnen hat: als Südstadt-Dylan mit Faible für amerikanische Folksongs.

Rod Mason betritt die Bühne und holt tief Luft. Die Sonne blinzelt für einen Moment durch die Wolkendecke. Ein gutes Zeichen, vielleicht sogar für den Rest des Sommers.

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