Stadtdechant Wilfried Schumacher zurückgetreten Finanzaffäre um Bonner Münster verunsichert Kirchengemeinde

Bonn · Die Gehälter der Mitarbeiter der katholischen Münster-Kirchengemeinde in Bonn sind zum nächsten Monat gesichert. Eine Gemeinde könne nicht pleite gehen, bestätigte die Pressestelle des Erzbistums Köln. Die Verunsicherung ist trotzdem groß.

Laut Erzbistum sind in den Jahren 2009 bis 2014 in der Bonner Kirchengemeinde St. Martin Finanzmittel in Höhe von rund zwei Millionen Euro umgeschichtet worden, sodass das Substanzvermögen aufgebraucht ist. Persönliche Bereicherung wird dem ehemaligen Stadtdechanten Wilfried Schumacher aber nicht vorgeworfen.

Die Staatsanwaltschaft hat noch nicht entschieden, ob sie ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue gegen die Verantwortlichen einleitet. Zunächst müssten die von der Erzdiözese zu dem Fall erstellten Unterlagen geprüft werden, wie Behördensprecher Sebastian Buß am Donnerstag auf GA-Anfrage erklärte: „Und die haben wir angefordert.“ Erst nach dieser Prüfung werde entschieden, ob es zu einem Ermittlungsverfahren oder zu einer Einstellung komme.

Die Zahl der Unterstützer, die eine Petition für den ehemaligen Stadtdechanten unterzeichnet haben, ist groß. Unterdessen werden in der Stadt verschiedene Themen diskutiert:

Die Finanzsituation

Die Bonner Kritiker werfen dem Erzbistum unter anderem vor, dass die finanzielle Ausstattung der Innenstadt-Kirchengemeinde mit 30.000 Euro aus Kirchensteuermitteln unzureichend sei – gemessen an den vielfältigen Aufgaben der Citypastoral. Dazu sagte Bistumssprecher Christoph-Heckeley dem GA: „Die Zuweisungen an die Kirchengemeinden folgen einem einheitlichen Schlüssel, der zweckbestimmt auch besondere Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt. Es gilt allerdings auch für Christen der Grundsatz: Man kann nur das Geld ausgeben, was man hat.“

Nach GA-Informationen hat die Pfarrei St. Martin etwa 3300 Mitglieder. Die Münster-Gemeinde ist nicht nur sehr klein, sie ist zugleich der kleinste Seelsorgebereich des Erzbistums.

Die Software

Die Initiatoren der Petition sehen als einen Grund für die Finanzaffäre, dass es Probleme mit der Software gab. Am 1. Dezember 2010 informierte auch der Generalvikar im Amtsblatt des Erzbistums, dass „bedingt durch die Umstellungen auf das neue Finanz- und Rechnungswesen im kirchengemeindlichen Bereich“, derzeit nicht die technischen Voraussetzungen für eine unvermutete Kassenprüfung bestünden. Die Pressestelle bestätigt, dass die Finanzsoftware MACH im Jahr 2008 beim Erzbistum Köln und im Jahr 2009 in den Gemeinden, so auch in Bonn, eingeführt wurde.

Ein GA-Leser schildert seine Erfahrung: „Die Beschaffung einer untauglichen Buchführungssoftware hat dazu geführt, dass die Kirchengemeinden gut vier Jahre lang im buchhalterischen Blindflug wirtschaften mussten. Das ist aus meiner Sicht der eigentliche Skandal.“ Dazu sagt die Pressestelle des Erzbistums: „Es ist zutreffend, dass die MACH-Einführung in den Jahren 2009 bis 2012 für die Kirchengemeinden eine große Herausforderung darstellte. Was die wirtschaftliche Schieflage der Kirchengemeinde St. Martin Bonn anlangt, kommt die externe, unabhängige Untersuchung jedoch zu dem Ergebnis, dass diese selbst ohne Jahresabschlüsse erkennbar war.“

Der Prüftermin

Ein Vorwurf in der Unterstützer-Petition für Wilfried Schumacher lautet, das Erzbistum Köln habe eine frühere Überprüfung der Finanzen mit der Aussage verweigert, dafür stehe kein Personal zur Verfügung. Dazu sagte Heckeley auf GA-Anfrage: „Die Rendantur in Bonn hat das Erzbistum nicht zu einer früheren Prüfung der Kirchengemeinde St. Martin aufgefordert.

Dem entgegen hat Monsignore Schumacher die durch die Revision angekündigte Prüfung 2009 bis 2013 im Herbst 2015 mit der Begründung des Stadtpatronenfests und der Adventszeit verschoben.“ Mit der Revision sei man so verblieben, zunächst den Jahresabschluss 2014 fertig zu stellen. Die Prüfung habe ab April 2016 stattgefunden habe.

Die Anhörung

Ein weiterer Vorwurf der Bonner Petitionsunterzeichner: Die Personalentscheidung des Erzbischofs sei mit größter Eile und ohne eine qualifizierte Anhörung getroffen worden. Dazu erklärte Heckeley: „Monsignore Schumacher wusste seit Monaten von den Prüfungsfeststellungen der internen Revision.“ Die externe, unabhängige Prüfungsgesellschaft habe den Stadtdechanten während ihrer Untersuchung von Mitte Februar bis Mitte April 2018 zweimal ausführlich zu den geprüften Sachverhalten angehört. „Darüber hinaus fand am 20. März 2018 ein längeres persönliches Gespräch zwischen dem Erzbischof und Monsignore Schumacher statt“, so Heckeley.

Der Kirchenvorstand

Eine Frage, die die Münster-Gemeinde bewegt: Wie geht es mit dem ehrenamtlichen Kirchenvorstand weiter? Er besteht in St. Martin aus acht Mitgliedern und dem Pfarrer als Vorsitzenden. „Eine Haftung der ehrenamtlichen Kirchenvorstände in Bonn oder gar eine Strafanzeige war für das Erzbistum Köln zu keinem Zeitpunkt eine Option“, sagte Heckeley dazu.

Die Nachfolge

Zurzeit übernimmt Schumachers Stellvertreter Pfarrer Bernd Kemmerling die Aufgaben des Stadtdechanten, zusätzlich zur Leitung des Pfarreienverbands Bonn-Melbtal. „Die Ernennung eines neuen Stadtdechanten soll so rasch wie möglich erfolgen, aber hier gibt es keinen generellen Zeitrahmen; die Frist bis zu einer Neubesetzung hängt immer unter anderem vom jeweiligen Einzelfall ab“, teilte das Erzbistum auf Anfrage mit.

Ein neuer Stadtdechant wird vom Erzbischof ernannt. Vorher findet unter anderem eine Anhörung der Priester statt, die im Dekanat ein Amt ausüben. Auch Diakone und Laien im Pastoralen Dienst, der Vorstand des Katholikenrats und gegebenenfalls weitere Personen werden um eine Stellungnahme gebeten. Der Dechant wird für eine Amtszeit von sechs Jahren ernannt. Die Altersgrenze, an der die Tätigkeit spätestens endet, liegt bei 75 Jahren.

Pfarrer Kemmerling hat sich bereits von der Kanzel aus und auf der Internetseite der Gemeinden an die Mitchristen im Pfarrverband gewandt: „Wenn auch die Arbeitsbelastung für mich groß ist, werde ich versuchen, meine Aufgaben in beiden Funktionen – soweit es geht – gerecht zu werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, wenn ich in den kommenden Monaten in unseren Gemeinden nicht so präsent sein werde, wie bisher“, schreibt er.

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