Verwaltung plant am Rat vorbei So soll der Verkehr am Bonner Hauptbahnhof fließen

Bonn · Bonner Politiker kritisieren die Verkehrsführung rund um den Hauptbahnhof. Die Wirtschaft lehnt eine Unterbrechung des City-Rings strikt ab. Ein Überblick über die Planungen.

Die Pläne für die neue Verkehrsführung rund um den Hauptbahnhof im Zuge der Neugestaltung des Zentralen Omnibusbahnhofs (ZOB) lagen kaum auf dem Tisch, da gab es schon lautstarken Protest. Die Bonner Wirtschaftsverbände hatten in einem Brandbrief an den Oberbürgermeister und die Ratsfraktionen ein klares Veto eingelegt. Sie lehnen die vom Planungsamt vorgeschlagene Verkehrsführung strikt ab und sprechen sich gegen eine Unterbrechung des Cityrings für Autos aus. Auch in der Politik stößt diese Planung teilweise auf Ablehnung.

Rat vertagt Entscheidung

Nachdem der Stadtrat – anders als von der Verwaltung gewünscht – das Thema kurz vor seiner Sommerpause vertagt und in die Septembersitzung verschoben hat, wird hinter den Kulissen heiß über die Verkehrsführung diskutiert. Die Verwaltung hatte mit Blick auf den Zeitplan der Arbeiten für das neue Maximiliancenter gegenüber dem Hauptbahnhof auf grünes Licht gedrängt. Allerdings hatte sich die Ratsmehrheit nicht beeindrucken lassen, zumal diese Pläne aus ihrer Sicht recht kurzfristig vorgelegt worden waren. Diese Planung der Stadt sieht in wesentlichen Zügen Folgendes vor:

Die Stockenstraße wird zwischen Franziskanerstraße und Rathausgasse gesperrt, nur die Marktgaragenzufahrt bleibt möglich. Über eine Umkehr der Einbahnstraße Franziskanerstraße können Autofahrer bei voller Garage zur B9 gelange, allerdings nur, um Richtung Süden zu fahren. Es wird allerdings einen Linksabbieger vom Belderberg in die Rathausgasse geben. An dieser Ecke arbeitet der Verkehrsplan ins Blaue hinein, weil die Zukunft des Viktoriakarrees nach wie vor ungeklärt ist. Die Bürgerwerkstatt läuft. Unter dem Karree war bislang eine Tiefgarage angedacht. Die Zu- und Abfahrten zur Marktgarage in Stockenstraße und auf dem Bischofsplatz sollen eigentlich verschoben werden.

Eine weitere Sperrung für Autos ist im Abschnitt zwischen Kaiserstraße/Kaiserplatz und Wesselstraße/Am Hauptbahnhof für Autos vorgesehen. Damit soll laut Verwaltung der Autoverkehr vor dem Hauptbahnhof um 40 bis 60 Prozent gesenkt werden.

Wer über Rathausgasse, Am Hof und Wesselstraße Richtung Hauptbahnhof fährt, kann über eine noch zu bauende Straße durch den heutigen Busbahnhof fahren. Der Busbahnhof läge dann rechter Hand auf kleinerer Fläche. Die Autozufahrt vor den Bahnhof wäre zwar möglich, aber – ein Kritikpunkt der CDU – auf dem kurzen Stück zwischen Wesselstraße und Südüberbauung von vier Ampeln gesäumt. Den Autos bliebe eine Fahrspur Richtung Thomas-Mann-Straße. Eine Fahrspur in jede Fahrtrichtung wäre originär für den öffentlichen Nahverkehr mit Straßenbahnen und Bussen vorgesehen.

Radfahrer bekämen jeweils einen 1,60 Meter breiten Radweg pro Richtung, der gesondert gekennzeichnet ist. Heute fahren Radler auf den unmarkierten Autospuren mit. In einer zweiten Variante beschreibt die Verwaltung einen Vorschlag mit einem Zweiwege-Radweg an der Seite zum Hauptbahnhof. Es ist aber abwegig, dass diese Lösung kommen wird. Der Allgemeine Deutsche Fahrradclub Bonn hat sich ebenso dagegen ausgesprochen wie der Investor des Maximilian-Centers Ten Brinke (ehemalige Südüberbauung vor dem Hauptbahnhof). Die Gleise müssten verschoben werden, die Mehrkosten wären erheblich.

Die Bahnhaltestelle für die Linien 61 und 62 zur Thomas-Mann-Straße entstünde vor dem Maximilian-Center. Um einen gefahrlosen Aus- und Einstieg zu gewährleisten, hielte eine Ampel Radler von der Weiterfahrt ab.

Wer mit dem Auto über die Rabinstraße kommt oder über die Thomas-Mann-Straße (auch dort ist eine Umkehr der Einbahnstraße angedacht), kommt nicht weiter als bis zur neuen Parkgarage Rabinstraße. Der Investor auf dem Nordfeld, die Developer, wollen sie bauen.

Diskussionsbedarf innerhalb der Koalition

Dass es genauso kommen wird, gilt zurzeit indes als unwahrscheinlich: Nicht nur zwischen Stadtverwaltung und Ratsfraktionen besteht offenbar noch Diskussionsbedarf, sondern auch innerhalb der Jamaika-Koalition.

Offiziell sprechen die Koalitionspartner davon, sie befänden sich noch „in der internen Abstimmung“. Doch wer genauer hinsieht, stellt in den aktuellen Stellungnahmen der Fraktionen zur Planung der Verkehrsführung deutliche Unterschiede fest. So erklären die Planungs- und Verkehrsexperten der Grünen-Ratsfraktion, Hartwig Lohmeyer und Rolf Beu: „Wir stehen vor der Entscheidung, wie wir den Verkehr in der City für die kommenden Jahrzehnte organisieren. Das bedarf gründlicher Abwägungen. Es ist aber überdeutlich, dass eine gute und nachhaltige Lösung für alle Verkehrsteilnehmer nur gelingen kann, wenn wir uns von dem überholten Konzept des City-Ringes verabschieden.“

Grüne können sich autofreie Rathausgasse vorstellen

Während die Grünen es also für durchaus möglich halten, den privaten Autoverkehr aus dem Straßenzug Rathausgasse bis Hauptbahnhof rauszunehmen, tun sich CDU und FDP mit dieser Idee schwer. „Wir teilen die Bedenken der IHK und des Einzelhandels“, sagte CDU-Fraktionsgeschäftsführer Georg Fenninger dem GA. Grundsätzlich stehe für ihn fest: „Eine Kappung des Cityrings ist äußerst problematisch.“ FDP-Ratsfraktionschef Werner Hümmrich stößt ins gleiche Horn: „Ohne vernünftige Mitberatung durch Einzelhandel, IHK und auch Stadtwerke kann man das sowie nicht beschließen. Wir brauchen eine geordnete Debatte in den Fachausschüssen.“

Verärgert zeigten Fenninger und Hümmrich sich auch darüber, dass die Verwaltung bei der Verkehrsführung vor dem Hauptbahnhof mit Blick auf den Neubau des Maximilian-Centers jetzt so auf die Tube drückt. Zudem habe er, so Fenninger, in Gesprächen mit der Planungsverwaltung erfahren, dass die Politik quasi keine Wahlmöglichkeit mehr habe, da der Radweg in beide Richtungen auf der Seite des Hauptbahnhofs nur mit einer deutlichen Verschiebung der Straßenbahnschienen in Richtung Poststraße einhergehe, dies aber auch aus technischen Gründen erheblich teurer sein werde als die andere Variante. Fenninger: „Uns wird suggeriert, wir hätten noch Handlungsspielraum. In Wirklichkeit besteht der nicht mehr.“

Auch die SPD hat ihrem planungspolitischen Sprecher Helmut Redeker zufolge noch Beratungsbedarf. „Für eine endgültige Positionierung noch viel zu früh.“ Positiv sei aber festzuhalten, dass bestimmte Aspekte, die die SPD in der Vergangenheit für dieses Areal gefordert habe, wie etwa der beidseitige Fahrradstreifen, Teil der vorgelegten Planung sei. Dies werde die SPD-Fraktion „sicherlich“ unterstützen. „Andere Vorhaben, wie die Trennung der südlichen Zufahrt zum City-Ring, müssen intensiv mit allen Beteiligten diskutiert werden“, sagte Redeker.

Für Holger Schmidt von der Linksfraktion steht fest: „Der Autoverkehr muss vor dem Bahnhof reduziert werden, um für Fußgänger, Radverkehr und ÖPNV mehr Komfort zu ermöglichen.“ Zufahrtsbeschränkungen für den Autoverkehr seien dafür unvermeidlich. Der Bürger Bund lehnt die geplante Verkehrsführung rigoros ab. Nicht nur die Kappung des Cityrings ist Ratsherr Marcel Schmitt ein Dorn im Auge, sondern auch der geplante Radweg: „Diese Planung ist mit ihren Annahmen zur Disziplin und regelkonformen Fahrweise von vielen Pedaleuren nicht nur realitätsfern, sondern auch noch gefährlich.“ Die Stadtverwaltung will sich auf Nachfragen des GA derzeit überhaupt nicht mehr zu dieser Planung äußern.

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