GA-Serie "Wohnen und Leben" So schwierig ist die Suche nach Wohnungen in Bonn

BONN · Hohe Mieten machen es in Bonn schwer, eine Wohnung zu finden. Häufig gibt es auch Rassismus und Diskriminierungen. Besonders problematisch ist es für junge Familien.

Das Ziel von Sarah Schneider und Tim Meier war die Kölner Südstadt. Am Ende ist es Beuel geworden. „Weil das Preis-Leistungsverhältnis einfach nicht stimmte“, erzählt Schneider. Das junge Paar weiß, wie schwer die Wohnungssuche in Städten mittlerweile geworden ist. Der Bonner Markt hat sich so stark erhitzt, dass Normalverdiener schlechte Chancen haben, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die beiden hatten Glück: Durch Bekannte stießen sie auf den renovierten Altbau. Bis dahin waren sie ein halbes Jahr auf der Suche; erlebten Massenbesichtigungen und Rassismus.

Im Schnitt gibt der Bonner etwa ein Drittel seines Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus, wie die Hans-Böckler-Stiftung in einer Studie herausgefunden hat. Laut Experten eine kritische Schwelle, da so nur noch wenig Geld für die restliche Lebensführung bleibt. Wer in der Bundesstadt lebt, zahlt durchschnittlich 8,74 Euro pro Quadratmeter kalt – nur München, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart sind teurer.

Gleichzeitig fehlt es an staatlich geförderten Wohnungen: Derzeit gibt es in Bonn nur noch rund 10.000 solcher Wohneinheiten, was einem Anteil von sieben Prozent am gesamten Bestand entspricht. Es müssten aber mindestens doppelt so viele sein. Was die Lage verschlimmert: Die Hälfte der Bonner hat aufgrund ihres Einkommens Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein. Etwa 3000 Menschen stehen auf der Warteliste für eine öffentlich geförderte Wohnung, bei der es eine Mietpreisbindung gibt, die Miete also in einem überschaubaren Rahmen bleibt.

(Die Mieten in Bonn steigen und steigen. Vor allem aber variieren sie sehr stark von Stadtteil zu Stadtteil. Der Diplom-Immobilienwirt und Makler Rolf L. Becker von Becker Immobilien Bonn Rhein-Sieg hat für den GA berechnet, wie die durchschnittlichen Kaltmieten pro Quadratmeter sind. Mit der Maus können Sie die einzelnen Ortsteile anklicken. )

Mieter machen immer häufiger Zugeständnisse

„Die aktuelle Situation setzt Mieter unter Druck“, sagt Heike Keilhofer vom Deutschen Mieterbund. Es werden immer häufiger Zugeständnisse gemacht, um überhaupt eine Wohnung zu finden. Das reicht von einer schlechteren Lage über die Übernahme der Küche bis hin zu höheren Mieten oder Einmalzahlungen – sofern man es sich leisten kann. Vermieter haben durch die rare Ware Wohnraum nahezu Narrenfreiheit.

All diese Erfahrungen haben Sarah Schneider und Tim Meier schon gemacht. „Als wir in Köln schauten, war immer schon alles weg, wenn wir anriefen. In Bonn bekamen wir wenigstens eine Einladung“, sagt Schneider. Sie erlebten Besichtigungen, in denen alle 20 Minuten fünf neue Interessenten durch die Räume gejagt wurden. „Im Eingang lag ein Zettel, auf dem man seine Personalien eintragen konnte.“ Vermieter wollten auch die genauen Einkommensverhältnisse und private Details wissen. „Bei manchen musste man wirklich die Hose runterlassen“, erzählt Meier. Immer in Unkenntnis, ob man die Wohnung überhaupt bekommt, weil es so viele andere Interessenten gibt.

Ein Bonus, den das Paar schnell auszuspielen lernte: Polizeibeamte wie Meier werden von Vermietern gerne genommen. Fortan schrieben sie das in jede Bewerbermail. Und: „Es hilft, wenn man kein Standardformular nimmt, sondern persönlich schreibt“, sagt Meier. Als er nämlich einen Nachmieter für seine Wohnung suchte, quellte das Postfach binnen Minuten über. 200 Mails pro Tag waren keine Seltenheit. „Die kann man nur überfliegen und danach gucken, was heraussticht.“

Für 90 Quadratmeter Altbau zahlt das Paar nun rund 1100 Euro kalt, haben einen Garten und sind in fünf Minuten am Rhein oder der nächsten Bahnhaltestelle. Für diese Lage waren sie dann auch bereit, innerhalb weniger Tage umzuziehen. Der Preis dafür liegt über dem qualifizierten Bonner Mietspiegel. Er und die Mietpreisbremse sollen eigentlich verhindern, dass die Mieten nicht willkürlich steigen. Die Praxis sieht allerdings ganz anders aus. „Tatsächlich liegen die Mieten in Bonn häufig über dem Mietspiegel“, sagt Diplom-Immobilienwirt Rolf L. Becker von Becker Immobilien Bonn Rhein-Sieg. Was schlichtweg daran liege, dass Mieter durch den knappen Wohnungsmarkt bereit sind, mehr Geld auszugeben. Zudem sei Bonn, was die Immobilien angeht, stark durchmischt. „Hier ist alles vertreten, vom Vorkriegshaus über die Zweckbauten der 1960er Jahre bis hin zur sanierten Gründerzeitvilla und dem exklusiven Neubau“, erklärt Becker. Die Mietpreise seien demnach nicht nur stark von der Lage abhängig, sondern auch vom Zustand des Mietobjekts.

Die junge Mutter Lisa Wörner würde mit ihrer Tochter sofort in eine günstige Wohnung nach Bonn ziehen – wenn sich die Möglichkeit ergäbe. „Als Alleinerziehende hat man kaum eine Chance“, erzählt die 20-Jährige. Im Internet hat sie bereits unzählige Angebote durchforstet, bei Immobilienportalen und in Kleinanzeigen. Über 300 Mal rief sie bei Vermietern an und verschickte mehr als 200 E-Mails. Immer wieder bekam sie zu hören, dass Kinder nicht erwünscht seien. „Und als ich erzählte, dass ich derzeit Bezüge vom Jobcenter erhalte, wurde mir direkt gesagt, dass man solche Leute nicht haben will.“ Für eine geförderte Wohnung hätte sie drei Jahre warten müssen, weil sie nicht in Bonn gemeldet war. „Wäre ich vorher Bonnerin gewesen, hätte mich die Stadt als Härtefall innerhalb von drei Monaten in einer Sozialwohnung untergebracht.“

Das subjektive Empfinden des Aussiebens zu bestätigen ist schwierig. Dennoch haben sich Wissenschaftler der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen sich daran versucht. Ihr Ergebnis: Es scheint tatsächlich so, dass Alleinerziehende in der Beliebtheit von Maklern ganz unten stehen. Singles sind für rund die Hälfte der Wohnungsvermittler gern gesehene Kunden. Es folgen junge Paare und Familien mit Kindern. Berufsgruppen, die bei der Wohnungssuche die Nase vorn haben, sind Beamte, Angestellte und Handwerker.

Felix von Grünberg, der für den Mieterbund regelmäßig Sprechstunden anbietet, kennt viele solcher Fälle. Wer nicht in das Raster passt, wird zum Menschen zweiter Klasse degradiert. Nicht nur der soziale Status, sondern auch die vermeintliche Herkunft spielt eine Rolle. So bekamen Tim Meier und Ute Schneider von einem Vermieter zu hören, dass man „diese deutschen Namen doch gerne liest“. Rassismus bei der Wohnungssuche ist nicht selten: Wer einen ausländisch klingenden Namen hat, bekommt häufiger eine Absage. „Diese Diskriminierung ist strafbar, Mieter sollten sich dagegen wehren und Vermieter darauf hinweisen“, sagt von Grünberg. Er versucht, gegen solche Vorurteile anzukämpfen. „Nicht jeder, der Kohle hat, ist gleichzeitig ein erträglicher Mieter und Nachbar.“ Zudem sei die Miete bei Transferleistungsbeziehern gesichert: Das Amt zahle pünktlich und garantiert.

Junge Familien fühlen sich aus der Stadt gedrängt

Aber selbst junge Familien mit zwei Verdienern sind aufgeschmissen. In der Bonner Südstadt hängen an den Laternen unzählige Wohnungsgesuche. „Wir finden seit zwei Jahren nichts und fühlen uns aus der Stadt herausgedrängt“, erzählt eine junge Frau. Mit ihrem Mann und ihrem Kind leben sie in einer sanierungsbedürftigen Dachgeschosswohnung. Woran es fehle, seien „normale Wohnungen für normale Bürger“ – die Mitte zwischen günstigem und Luxuswohnraum. Und wenn man ein gutes Angebot entdecke, seien meist die Nebenkosten sehr hoch. „Es gibt nicht Nichts, aber eben nichts Vernünftiges.“

Durch die steigenden Miet- und Kaufpreise von Immobilien gibt es noch eine weitere Folge, die der Mieterbund in Bonn immer häufiger beobachtet: den „Lock-in“-Effekt. Er beschreibt, dass Menschen nicht umziehen, weil sie es sich nicht leisten können – der Markt also träge wird. „Dabei gibt es verschiedene Varianten“, erklärt Keilhofer. Beispielsweise die junge Familie, die eine größere Wohnung braucht, aber nicht auszieht, weil bei einer Neuvermietung auf die Quadratmeter gerechnet viel mehr Geld verlangt wird, als im alten Mietverhältnis. Gleiches gilt für das Ehepaar, deren Kinder nicht mehr zu Hause wohnen. „Sie zahlen für eine kleinere Wohnung dann sogar mehr, als für ihre aktuelle große“, sagt Keilhofer. Dadurch werde Wohnraum blockiert, der effektiver genutzt werden könnte.

Einfamilienhaus als Berufstätigen-WG

Ein Ehepaar aus Lengsdorf hat sich eine kreative Methode einfallen lassen, um dem entgegenzuwirken. Ihr Haus, in dem sie ihre Kinder großgezogen haben, wollen sie als Berufstätigen-WG vermieten. Die meiste Zeit leben sie mittlerweile im Ausland. „Für uns soll nur ein Zimmer frei bleiben, wenn wir mal in Bonn sind“, erzählt der 68 Jahre alte Mann. Seit drei Wochen ist die Anzeige im Internet, viele Rückmeldungen gab es bisher noch nicht – obwohl Mietpreis und Lage attraktiv sind. „Notfalls müssen wir es komplett vermieten, denn wir wollen es nicht leer stehen lassen.“

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