Kommentar So ein Zirkus

BONN · Eine Demonstration gegen Wildtiere im Zirkus - vor einem Zirkus, der in diesem Jahr von sich aus gar keine Wildtiere präsentiert. Das steht nicht nur für blinden Aktionismus, sondern ist schlicht geschäftsschädigend.

Davon abgesehen muss die Frage erlaubt sein, ob ein Wildtierverbot wirklich eine Frage ist, mit der ein Stadtrat sich wiederholt befassen sollte. Wer sich wirklich ums Tierwohl sorgt, der könnte sich vordringlich um die teilweise unbegreiflichen Zustände in der Massentierhaltung und auf manchem Großschlachthof kümmern. Oder die Menschen zur Vernunft bringen, die aus falsch verstandener Tierliebe Dutzende Haustiere auf engstem Raum "horten". Es gibt da wahrlich viel zu tun. Allerdings ist die Kommune in den meisten Fällen der falsche Ansprechpartner dafür, weil sie in diesen Bereichen kaum Regelungskompetenzen hat.

Der Zirkus als Form der Volkskunst ist im 18. Jahrhundert aus Reitdressuren entstanden. Die Manege ist nur deshalb rund, damit beim optimalen Durchmesser die Voltigierer bei ausgeglichener Flieh- und Schwerkraft nicht vom Pferd fliegen. Tiere gehören also seit jeher dazu. Wer das verneint, versetzt dem traditionellen Zirkus den Todesstoß.

Man kann darüber streiten, ob ständige Transporte und die mobile Haltung für jede Tierart das Richtige sind. Menschenaffen gehören sicher in einen Familienverband statt an die Vorführleine. Einem robusten Dromedar oder einer Giraffe schadet ein Kurzauftritt hingegen vermutlich wenig. Insgesamt geht jeder Dresseur mit seinen Tieren so gut um wie es ihm möglich ist, durchaus auch aus Eigennutz. Nur gut gepflegte Tiere sind schließlich präsentabel - ganz anders als beim Tiefkühlhähnchen, das man vor dem Braten nicht lebend begutachtet.

Statt beim Thema Zirkus Schaufensterpolitik zu betreiben, sollte sich der Stadtrat um die zahlreichen offenen Baustellen in Bonn kümmern.

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