Stadt in der Stadt So bereitet sich Bonn auf die Klimakonferenz vor

Bonn · Zwei Wochen vor Beginn der Klimakonferenz COP 23 laufen in der Rheinaue die Vorbereitungen auf Hochtouren. Dazu wird unter anderem eine Zeltkonstruktion auf 35.000 Quadratmetern aufgebaut.

Nicht nur verhandeln, sondern handeln, so lautet die Losung, die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks am Donnerstagmorgen ausgibt. Per Videokonferenz werden die Erklärungen der Ministerin in einen Sitzungssaal ihres Bonner Dienstsitzes übertragen, wo sich parallel zu den Kollegen in Berlin ebenfalls zwei Dutzend Journalisten versammelt haben. Mit einem Unterschied: Der Bonner Medientross begegnet kurz darauf zahlreichen Menschen, die die Parole der Ministerin längst mit Leben füllen. Seit Mitte August. Bis in die späten Abendstunden.

Hunderte Arbeiter zimmern derzeit in der Bonner Rheinaue eine Zeltstadt zusammen, die in dieser Dimension sicher Seltenheitswert hat. Zumindest der Anlass ist in der Größenordnung einmalig, wie Hendricks verdeutlicht: „Wir stehen vor der größten zwischenstaatlichen Konferenz, die es in Deutschland je gegeben hat“, sagt die Ministerin und erinnert schmunzelnd an die erste Klimakonferenz COP 1 im Jahr 1995 in Berlin, als die Teilnehmer abends geschlossen durch die Kneipen Kreuzbergs gezogen seien.

Ein Event der Superlative

Nun also COP 23. In Bonn, wo die Kneipen zwar als gastfreundlich bekannt sind, mit 25.000 Gästen, die spontan reinschauen, dann aber doch knapp an ihre Grenzen stießen. Auch deshalb die Zeltstadt in der Rheinaue, die als sogenannte Bonn-Zone rund 8000 Besucher fassen kann. Parallel dazu werden in der „Bula-Zone“ im früheren Regierungsviertel und rund um das WCCB die eigentlichen Verhandlungen stattfinden.

„Bula!“ ist der Willkommensgruß auf den Fidschi-Inseln. Die Teilnehmerzahl ist nicht der einzige Superlativ, den die Konferenz – und vor allem ihre Vorbereitung – zu bieten hat: „1100 Handwerker, 70 Gewerke, 39 Pavillons mit einer Größe von bis zu 400 Quadratmetern, 55.000 Quadratmeter Gesamtfläche – davon allein in der Bonn-Zone 35.000 überbaut“ – Zahlen, die Matthias Loewe auf dem Weg über das Gelände aus dem Ärmel schüttelt.

Seit zwei Monaten wird gebaut

Loewe ist als Bauleiter des Generalunternehmens Vagedes & Schmidt mit Sitz in Hamburg und Berlin verantwortlich für alles, was mit dem Aufbau der Zeltstadt zu tun hat. Akustisch begleitet von Bohrern, Sägen und Gabelstaplern führt er die Medienvertreter über seine Baustelle. Mit dabei ist auch Beate Frey-Stilz. Die Architektin und Projektverantwortliche im Umweltministerium wirkt beim Blick durch die Gänge zufrieden: „Das Schöne ist, dass man schon auf etwas zurückblicken kann“, sagt sie. Dabei ist der Rückblick kurz: Seit zwei Monaten wird in der Rheinaue gebaut. „Unter normalen Umständen würden Sie für ein solches Projekt mit Planungszeit eineinhalb Jahre veranschlagen“, sagt die Projektleiterin. „Da sieht man mal, was alles möglich ist“, entfährt es einem Journalisten.

Im Inneren wirkt die Konstruktion, als sei Riesen ein Bierzelt zu klein geworden, woraufhin sie es mehrfach in verschiedene Richtungen um weitere Festzelte erweitert haben. Ähnlich einer Fachmesse werden hier bald zahlreiche Länder und Nichtregierungsorganisationen ihre Umweltschutzaktivitäten in Pavillons präsentieren. In Seitentrakten gibt es zudem eine Reihe kleinerer und größerer Säle für Vorträge oder Pressekonferenzen. 500 Teilnehmer fasst der größte. Dazu kommen eine Kantine auf zwei Ebenen, die 1500 Menschen zugleich verpflegen kann, ein medizinisches Zentrum und ein Medienbereich.

Ein Look wie aus dem Möbelkatalog

Das helle Interieur mit seinen Zwischenwänden, Lichtmasten und Sitzgelegenheiten mutet an, als werde demnächst ein populäres schwedisches Möbelhaus eine weitere Filiale in der Rheinaue einweihen. Passend dazu riecht es nach frischem Holz. „Fichte“, sagt Loewe. Dem „Baum des Jahres“ gebührt die Ehre, sich für die Innenarchitektur herzugeben, die in allen Winkeln des Konferenzzentrums den optischen Wiedererkennungswert wahrt. Und, natürlich: Fichte ist ein schnell nachwachsendes Holz, womit sie sich auf einer Konferenz, bei der es auch um Nachhaltigkeit geht, einen klaren Vorteil verschafft.

Womit ein Thema berührt ist, das viele der mit roten Helmen und gelben Westen uniformierten Journalisten besonders interessiert: die Klimafreundlichkeit der Klimakonferenz. Die LED-Weltkugel von drei Metern Durchmesser, die den deutschen Pavillon zieren soll, ist schnell vergessen. Stattdessen ist viel die Rede von den gedämmten Wänden, den wiederverwendbaren Zeltbahnen, von Müllvermeidung, Leihfahrrädern und den Doppelmembranen in den luftgefüllten Dachelementen. Zögerlich und in wohlgesetzten Worten beantworten die Verantwortlichen die Frage nach dem Heizungssystem. Öl und Strom, so stellt sich heraus, sorgen für die Energie.

„Wir haben mit viel Aufwand sämtliche Alternativen geprüft“, erklärt Matthias Loewe, doch letztlich sei die konventionelle Variante doch ohne vernünftige Alternative gewesen. So oder so, frieren muss jedenfalls niemand Anfang November in Bonn. Noch zwei Wochen lang werden die Arbeiter in der Rheinaue zeigen, was es wirklich bedeutet, wenn eine Ministerin sagt: Nicht nur verhandeln, sondern handeln.

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