Prozess geht in die nächste Runde Skurriler Streit um alten Schädel am Amtsgericht Bonn

Bonn · Ein langwieriger Rechtsstreit um einen 300 Jahre alten Totenkopf beschäftigt seit fast fünf Jahren Justiz und Ordnungsbehörden. Sogar die Kriminalpolizei war in den Fall eingeschaltet. Im April geht der Fall am Bonner Amtsgericht in die nächste Runde.

 Rainer Frintrup zeigt den etwa 300 Jahre alten Kinderschädel, der für einen langen Rechtsstreit gesorgt hat.

Rainer Frintrup zeigt den etwa 300 Jahre alten Kinderschädel, der für einen langen Rechtsstreit gesorgt hat.

Foto: Benjamin Westhoff

Endgültig entschieden ist die Angelegenheit jedoch immer noch nicht. Im April wird vor dem Bonner Amtsgericht eine weitere Runde in dem recht ungewöhnlichen Verfahren eingeläutet. Bei einer Haushaltsauflösung fand Trödelhändler Rainer Frintrup vor Jahren einen Kinderschädel, der seinen Angaben zufolge zu einem Arzthaushalt gehörte. „Da meine Kunden nicht nur Antiquitäten, sondern auch Skurriles suchen, habe ich ihn mitgenommen und zum Verkauf angeboten“, erzählt der Duisdorfer. Doch es dauerte nicht lange, da standen Mitarbeiter des Ordnungsamtes vor der Tür. Am 1. Juli 2013 wurde der Kopf beschlagnahmt, um ihn zu bestatten. „Natürlich habe ich mich geweigert. Man kann mir doch nicht einfach mein Eigentum wegnehmen“, ärgert sich Frintrup.

Für ihn handelt es sich nicht um ein Leichen-, sondern um ein Skelettteil, das sich keiner Person mehr zuordnen lässt. „Wie oft finde ich bei Haushaltsauflösungen Rosenkränze mit Reliquien, meist Knochensplitter. Muss ich die in Zukunft ebenfalls bestatten lassen?“, fragt er. Nachdem er sich geweigert hatte, den Kopf auszuhändigen, wurde die Polizei alarmiert. Frintrup lenkte ein, fotografierte den – damals noch intakten – Schädel und händigte das Exponat aus. Was folgte war ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen des Verdachts auf Totschlag sowie Störung der Totenruhe. In diesem Zusammenhang wurde auch ein forensisches Gutachten in Auftrag gegeben.

Im April 2014 stellte die Polizei das Verfahren gegen den Händler ein – und Frintrup forderte von der Stadt die Herausgabe des Schädels. Doch er erhielt daraufhin eine entsprechende Ordnungsverfügung, in der dies verweigert wurde. „Nach dem geltenden Bestattungsgesetz müssen Leichen und Leichenteile auf einem Friedhof beigesetzt werden“, äußert sich Markus Schmitz vom städtischen Presseamt dazu auf GA-Anfrage. „Wird dagegen verstoßen, so begründet dies eine Gefahr für die öffentliche Ordnung. Dies ermächtigt die Ordnungsbehörde zum Einschreiten. Auf dieser Rechtsgrundlage hatte die Stadt gegenüber dem Händler die Zwangsbeisetzung des Schädels verfügt.“

Flintrup forderte Rückgabe des Schädels

Frintrup beantragten Akteneinsicht und entdeckte das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung: Der Kopf gehörte zu einem etwa sechsjährigen Mädchen, das mit einer Wahrscheinlichkeit von 95,4 Prozent in die Zeit zwischen 1685 bis 1805 gelebt hat. „Damit konnte ich ja nichts mit dem Tod des Kindes zu tun haben“, erzählt er jetzt. Aber er entdeckte in „seiner“ Akte noch mehr: „In einem Nebensatz der internen Korrespondenz fand ich plötzlich den Hinweis, dass der Schädel stark beschädigt ist. Ich hatte allerdings ein intaktes Exemplar abgeben müssen“, empört sich der Duisdorfer.

Um sein Eigentum zurückzubekommen, blieb ihm nur eine Klage beim Verwaltungsgericht in Köln auf Rückgabe des Schädels. Mit Erfolg: Nachdem das Gericht bei Bundesärztekammer, dem Bundesverband der Auktionatoren sowie Zollamt und einem Institut für Rechtsmedizin Gutachten in Auftrag gegeben hatte, erging schließlich der Beschluss, dass „die Beschlagnahmung unrechtsmäßig gewesen sein dürfte“, die Ordnungsverfügung nichtig sei und der Schädel zurückgegeben werden müsse (Aktenzeichen 9 K 6961/14). „Daraufhin habe ich ihn im Stadthaus abgeholt und gesehen, dass er vollkommen zerstört ist“, berichtet Frintrup.

Stadt bewertet Vorgehen als rechtmäßig

Wo das passiert ist, wisse er nicht. „Der Schädel wurde zunächst bei der Polizei als Beweismittel asserviert und nach Abschluss der dortigen Ermittlungen im September 2014 an die Stadt abgegeben. „Bis zur Herausgabe an den Händler am 1. Dezember 2016 war er in einem Karton verpackt in einem städtischen Tresor aufbewahrt“, erklärt die Stadt. Frintrup hat mittlerweile einen Kostenvoranschlag für die Restaurierung eingeholt. Demnach belaufen sich die Kosten auf rund 1500 Euro – ein Betrag, der wesentlich höher ist als ein zu erwartender Verkaufserlös. Auf diesen Ausgaben will er allerdings nicht sitzen bleiben. Daher wird das Bonner Amtsgericht im April darüber verhandeln, ob Schadensersatzansprüche bestehen.

„Was das damalige ordnungsbehördliche Vorgehen angeht, so bewertet die Stadt dieses nach wie vor als rechtmäßig. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren wurde über diese Frage nicht abschließend entschieden. Das Gericht hatte allerdings Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides. Obwohl die Stadt diese Zweifel nicht teilte, erklärte sie sich aufgrund der Ausführungen des Gerichts und zur Vermeidung eines negativen Urteils dazu bereit, den Bescheid aufzuheben und den Schädel an den Händler herauszugeben“, heißt es in der Stellungnahme der Stadt.

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