Tageseltern in Bonn Sie fürchten das Aus ihrer Arbeit

BONN · Despina Ntallis versteht die Welt nicht mehr. 2012 hatte die ausgebildete Erzieherin 25.000 Euro für ihre Kinder-Tagespflegeeinrichtung "Schiff ahoi" investiert und betreut seither mit einer Kollegin täglich neun Kinder: hochmotiviert, immer familiennah und flexibel, wie sie betont. Jetzt sieht Ntallis die Zukunft von Bonner Kindertagespflegern wegen einer geplanten Satzungsneufassung über die Förderung der Pflege in Gefahr.

Ntallis hatte deshalb am Mittwochabend mit ihrem Mann Konstantinos eilends zu einer Protestveranstaltung eingeladen, der 58 Tagesmütter und -väter folgten. Wie berichtet, will die Stadt ihren Zuschuss für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren bei Tageseltern zwar von 2,38 auf 4,50 Euro pro Kind und Stunde erhöhen, aber parallel die im Pflegekinderalltag obligatorischen Zuzahlungen von Eltern unterbinden.

Darüber wird am Freitag ab 17 Uhr im Jugendhilfeausschuss im Alten Rathaus debattiert und am Donnerstag, 18. April, im Stadtrat entschieden.

Das Argument der Stadtverwaltung heißt in ihrer Beschlussvorlage: Eltern sollen künftig denselben Beitrag im Kindergarten und für Tagesmütter und -väter zahlen. Durch die Einführung des uneingeschränkten Rechtsanspruchs auf Förderung in einer Kindertagesstätte oder in Kindertagespflege für Kinder ab einem Jahr ab 1. August sei man wie die anderen Kommunen zum Handeln gezwungen.

Die Kindertagespflege müsse "zu einer gleichwertigen Alternative" neben den Kitas ausgebaut werden. Angemessene Geldleistungen festzulegen, sei Aufgabe der Jugendhilfe. Leitend müsse hier der Grundsatz der Gleichstellung sein.

Ab Sommer wolle man also den Stundensatz der Tagespflege pro Kind auf 4,50 Euro festlegen und bei Ausübung der Tätigkeit in nicht heimischen Räumen eine zusätzliche Pauschale von 100 Euro monatlich pro Kind vorsehen. Künftig seien "grundsätzlich private Zuzahlungen der Eltern an die Kindertagespflegepersonen" ausgeschlossen.

Eins der Argumente von Tagesmüttern wie Ntallis dazu heißt: Habe zuvor der tatsächliche Stundensatz für Bonner Kindertagespflege pro Kind bei mindestens fünf bis sechs Euro gelegen, so sei der künftig gedeckelte Stundensatz von 4,50 Euro ein Grund zum Ausstieg. "Da können wir unsere Kosten nicht mehr decken", hieß es in der Versammlung.

"Wie kann dieser Stundensatz fair genannt werden, wenn schon der Bundesverband für Kindertagespflege einen Mindestbetrag von 5,50 Euro empfiehlt?", fragte Ntallis. Und rechnet für den GA ihre Einkünfte vor: Bei Vollbeschäftigung komme sie aktuell bei gestaffelten Pflegestunden von fünf Kindern auf 2728,20 Euro netto und demnächst dann nur noch auf 1745,40 Euro. Das bedeute einen Verlust von 982,80 Euro pro Monat.

Bei Kollegen sehe es genauso düster aus, habe die Versammlung gezeigt. Eine Tagesmutter, die jedes von fünf Kindern 45 Stunden pro Woche betreut, werde 1422 Euro weniger verdienen, die mit niedrigerer Stundenzahl 849 Euro weniger. "Ich betreue Kinder zu Hause und werde so wohl aussteigen müssen", beleuchtete eine Frau die Situation dieser Tageselterngruppe.

Nach der Diskussion unterschrieben alle 59 Versammlungsteilnehmer ein Papier, das die Ablehnung der Neusatzung fordert. Man wolle mit der Verwaltung und der Politik erst einmal ins Gespräch kommen.

Ausschusssitzung heute Abend:

Die rund 250 Kindertagespfleger in Bonn sind selbstständige Dienstleister. Die Erlaubnis für die Betreuung von maximal fünf Tagespflegekindern außerhalb ihrer Wohnung gegen Entgelt wird vom Amt für Kinder, Jugend und Familie und dem "Netzwerk Kinderbetreuung in Familien in Bonn" erteilt.

Geprüft werden als Voraussetzungen die persönliche Qualifikation und die Eignung der Räume. Im Zuge einer Gleichstellung von Kindertagespflege und Kindertagesstätten muss die Stadt nun den finanziellen Rahmen der Pflege neu festlegen. Am Freitag ab 17 Uhr tagt der Jugendhilfeausschuss darüber im Alten Rathaus, 3. Etage, Raum 3.03. Am Donnerstag, 18. April, soll der Stadtrat über die Satzung entscheiden.

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