30. Stummfilmtage Schwarz-Weiß-Nostalgie auf der Leinwand

BONN · Schrecksekunde um halb neun. Gerade hatten 15 starke Zuschauer den Flügel aus der Garderobe nach draußen getragen, als ein paar Regentropfen fielen.

Großes Kino: Die Besucher lachen und leiden im Arkadenhof der Uni mit Charlie Chaplin als Kellner in "The Rink".

Großes Kino: Die Besucher lachen und leiden im Arkadenhof der Uni mit Charlie Chaplin als Kellner in "The Rink".

Foto: Horst Müller

Doch der Spuk war schnell vorbei: Kurz nach 21 Uhr setzte sich Pianist Joachim Bärenz an sein Instrument, das Warten hatte ein Ende. Mit dem US-Film "Der Angeber" ("The Show Off") sowie "Chaplin läuft Rollschuh" ("The Rink") wurden die Internationalen Stummfilmtage am Donnerstagabend im Arkadenhof der Bonner Uni eröffnet.

Bereits drei Stunden vor Beginn der Aufführungen war die Hälfte der Plätze besetzt, ab 20.30 Uhr wurde niemand mehr in den Innenhof gelassen. Rund 100 Zuschauer warteten vergeblich vor den verschlossenen Toren.

Helene und Hermann-Josef Luz kommen bereits seit Jahren zum Sommerkino und wissen ganz genau, dass man früh vor Ort sein muss. Bestens ausgestattet reisten sie um 18 Uhr aus Bad Honnef an. Aus einer Vorratsdose dufteten frisch gebackene Pizzataschen, eine Kühlmanschette hielt ihren Wein auf Temperatur. "Regenjacken, Sitzkissen und zwei Decken. Alles dabei", lacht Helene Luz und präsentierte ihr "Handgepäck". Die beiden Pensionäre wählten einen hinteren Platz. Die Pessimisten, die mit schlechtem Wetter rechneten, hatten bereits Plätze unter den Arkaden besetzt.

Familie Luz hat derweil Kontakt aufgenommen. Hinter ihnen gibt es Blätterteigstangen und Bier. "Man kommt sofort ins Gespräch", freut sich Helene Luz und probiert die Knabberei der Nachbarn. Während sich die Kinder die Zeit bis zur Vorführung mit Spielen vertrieben, wurden die jüngsten Besucher in den Seitengängen des Arkadenhofs sanft in den Schlaf geschaukelt. "Damit wir die Aufführung genießen können", flüsterte Anne Römer und schob Sohn Ben auf und ab.

Bereits seit 30 Jahren gibt es das Bonner Sommerkino. Im Rahmen der Internationalen Stummfilmtage flimmern bis zum 17. August Filme über die Leinwand, die in keinem Kino zu sehen sind - restaurierte Klassiker sowie Raritäten und ganz neu entdeckte Stummfilme aus internationalen Sammlungen. Organisiert wird das Kulturprogramm vom Förderverein Filmkultur Bonn in Kooperation mit der Uni, dem Filmmuseum München, der Bonner Kinemathek und dem LVR-Landesmuseum.

Zum Jubiläum hat Kurator Stefan Drößler in Zusammenarbeit mit Archiven aus China, Tschechien, Schweden und den USA ein Programm mit außergewöhnlicher Bandbreite aus der Zeit zwischen 1913 und 1934 zusammengestellt. Als am 15. Juni 1985 auf Initiative von Studenten im Innenhof des Poppelsdorfer Schlosses das "1. Bonner Sommerkino" stattfand, dachte wohl niemand daran, dass sich daraus einmal das größte deutsche Stummfilmfestvial entwickeln würde. Heute lockt das Bonner Sommerkino bis zu 27.000 Zuschauer im Jahr. Der Eintritt zu allen Vorführungen ist frei.

Kurz gefragt

Als Technischer Leiter der Stummfilmtage ist Rüdiger Ruß für Licht, Ton, Planung und Ausstattung des Festivals zuständig. Mit ihm sprach Gabriele Immenkeppel.

Wie wird das Wetter in den nächsten Tagen?
Rüdiger Ruß: Keine Ahnung. Aber ich habe eine ganz eigene Methode zur Vorhersage. Ich vergleiche immer die Prognosen von drei verschiedenen Onlinediensten und richte mich dann nach den übereinstimmenden Angaben. Bisher gibt es aber keine einheitliche Linie. Regen, Sonne, Wind - noch ist alles möglich.

Gibt es besondere Vorkehrungen um die Technik bei schlechtem Wetter zu schützen?
Ruß: Bei starkem Regen werden die Musiker unter die Arkaden ziehen. Nieselt es aber nur, dann bauen wir ein sogenanntes Ruckzuck-Zelt über dem Pianisten auf. Nicht um ihn, sondern um das wertvolle Instrument zu schützen.

Seit wann arbeiten Sie an der Vorbereitung für das Bonner Sommerkino?
Ruß: Im Februar haben wir mit der Planung begonnen und die ersten Gespräch mit der Uni geführt. Dabei konnten bereits einige Dinge geklärt werden. So brauchten wir einen neuen Platz für unseren Materialcontainer. Seit Ende April haben wir uns um die notwendigen Genehmigungen gekümmert.

Was waren die größten Probleme im Vorfeld?
Ruß: Eigentlich wollten wir den Arkadenhof mit neuen Stühlen ausstatten. Wir hatten bereits einen Händler gefunden, der passende Modelle für Open-Air-Veranstaltungen anbot. Diese Stühle verfügten über Querstreben. Dadurch sollten sich keine Pfützen auf den Sitzflächen bilden. Der Händler hat uns aber im Stich gelassen, so dass jetzt doch andere Stühle aufgestellt wurden.

Haben Sie einen Lieblingsfilm im Programm?
Ruß: Ich habe keine Ruhe und bin ständig unterwegs. So wie ein Hütehund, der immer um seine Schafherde herumläuft. Ich höre nur die Musik, von den Filmen bekomme ich nichts mit. Aber die Musik finde ich sehr schön.

Das Programm am Wochenende

  • Freitag, 8. August, 21 Uhr, Arkadenhof: "Der Student von Prag", Deutschland 1913, Hanns Heinz Ewers, 79 Min. 22.30 Uhr: Der Boxer" (Battling Butler), USA 1926, Buster Keaton, 77 Min.
  • Samstag, 9. August, 21 Uhr, Arkadenhof: "Ich klage an" (J'accuse), Frankreich 1919, Abel Gance, 166 Min.
  • Sonntag, 10. August, 15 Uhr, Landesmuseum, Colmantstraße 14: "Die Anfänge des Kinos" (Frankreich 1896-99, Henri Joly, Einführung: Camille Blot-Wellens; 16.30 Uhr: "in Treue fest! - Stricken und Sterben im Ersten Weltkrieg", Laterna-magica-Performance von Karin Bienek und Cornelia Niemann, (Tageskarte 7/5 Euro); ab 21 Uhr, Arkadenhof: "Aufregung am Strand (Flaming Fathers), USA 1927, Leo McCarey, 25 Min; "Der Schrecken von London" (The Lodger), GB 1927, Alfred Hitchcock, 90 Min.
  • Montag, 11. August, ab 21 Uhr, Arkadenhof: "Valentin auf der Festwiese" Deutschland 1921, 18 min; "Die Bräute des alten Gauners" (Milenky Starého Krimináníka), Tschechoslowakei 1927, Svatopluk Innemann, 108 min.
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort