Mysteriöser Tod von Ahlem D. aus Bonn Schießerei in Tunesien gibt Rätsel auf

BONN · Der grausame Tod zweier junger Frauen in Tunesien, davon eine 21-Jährige aus Bonn, stellt zurzeit nicht nur die dortigen Behörden vor große Rätsel.

Die Darstellungen darüber, wie die Deutsch-Tunesierin Ahlem D., 21, und ihre tunesische Cousine Onus D., 18 Jahre alt, am Samstag in Kasserine ums Leben kamen, weichen stark voneinander ab.

Robin Faßbender von der Bonner Staatsanwaltschaft sagte dem GA am Montagabend auf Anfrage: "Wir ermitteln auch von Deutschland aus, weil eine der beiden Getöteten (Ahlem D., Anm. d. Red) Deutsche war." Erfahren hatten die Behörden in Bonn am Samstag von dem tragischen Geschehen in Tunesien, weil Verwandte der Opfer in Bonn wohnen. Sie wiederum waren von Angehörigen in Tunesien informiert worden.

Die Deutsche Presseagentur (dpa) berichtete am Montag, die beiden Mädchen seien an einer Straßensperre in Kasserine von der Polizei erschossen worden. Nach Angaben aus Tunis ereignete sich der Zwischenfall, als die beiden Frauen in einem Auto mit hoher Geschwindigkeit unterwegs gewesen seien und Polizisten sie zum Halt aufgefordert hätten. Ahlem D. und ihre 18-jährige Cousine hätten aber weder auf Signale noch auf Warnschüsse reagiert.

Schließlich hätten Sicherheitsbeamte geschossen. Nach Angaben des tunesischen Innenministeriums verschanzen sich in der Region um Kasserine häufig bewaffnete Terroristen. Die deutsche Botschaft in Tunis stehe mit den zuständigen Behörden in Kontakt und bemühe sich um Aufklärung, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Die Familienangehörigen von Ahlem und ihrer 26-jährigen Schwester Sondes D., die das Auto gefahren haben soll, widersprechen der offiziellen Darstellung und schilderten am Montagabend die Situation in den sozialen Netzwerken und gegenüber dem General-Anzeiger ganz anders. Die beiden Frauen seien mit zwei weiteren Verwandten, eine davon die 23-jährige Jasmin S. aus Bonn, und einem tunesischen Mädchen auf dem Heimweg von einer Hochzeit gewesen.

Polizisten in Zivil seien aus einem Feld auf die Straße gesprungen. Weil diese in schlechtem Zustand gewesen sei, sei Sondes D. nicht schnell gefahren, habe aber vor Schreck vor den bewaffneten Männern Gas gegeben. Daraufhin hätten diese das Feuer eröffnet. Sondes D. bremste, woraufhin die Männer erneut auf die Frauen schossen. Dabei sollen sie Onus D. und Ahlem D. getötet haben, Jasmin S. wurde am Arm verletzt. Ohne Erste Hilfe zu leisten, seien die Polizisten dann geflüchtet und hätten dabei noch Handys und Geldbörsen der fünf Frauen entwendet.

In diesem Video, das am Montagabend von der Familie veröffentlicht wurde, schildert Ahlems Schwester Sondes die Vorfälle

Staatsanwalt Robin Faßbender sagte, seine Behörde habe bislang nur Informationen aus dritter oder vierter Hand und versuche jetzt mit tunesischen Kollegen an gesicherte Informationen zu gelangen. Der Fall erregt nicht nur auf deutschen Internetseiten die Gemüter. Auch in Tunesien wird er öffentlich diskutiert. Für den kommenden Samstag haben die Verwandten eine Demonstration vor dem tunesischen Generalkonsulat in Bonn angekündigt.

Auch in Tunesien wurde am Montagabend noch demonstriert. Vor einem Gerichtsgebäude in Kasserine versammelten sich Menschen, um eine Aufklärung und Richtigstellung der Vorfälle zu fordern. Die Verantwortlichen gaben unterdessen an, die Frauen hätten unter Drogen gestanden und seien betrunken gewesen wären.

Die aktuelle Lage in Tunesien

Aufgrund des im Süden des Landes und besonders in den Wüstenregionen Tunesiens bestehenden Entführungsrisikos rät das Auswärtige Amt davon ab, Touren - auch organisierte Fahrten - in die tunesische Wüste zu unternehmen. Von Touristenreisen und anderen nicht dringend notwendigen Reisen in das Gebiet südlich einer Linie, die von der Grenze zu Algerien über Tozeur, Douz, Medenine bis El Marsa (Fährstation nach Djerba) führt, rät die Behörde ebenfalls ab.

Generell empfiehlt sie, im ganzen Land außerhalb der Touristenzentren entlang der Mittelmeerküste besondere Vorsicht walten zu lassen. "Aus Sicherheitsgründen sollten Fahrten über Land nach Einbruch der Dunkelheit vermieden werden." Wegen möglicher terroristischer Anschläge wird Reisenden im gesamten Land empfohlen, besondere Vorsicht und Wachsamkeit walten zu lassen. "Mit verstärkten Polizeikontrollen ist zu rechnen", so das Auswärtige Amt. "Den Anweisungen der Sicherheitsbehörden ist unbedingt Folge zu leisten." (bot)

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