Heidemarie Schumacher Scharfer Blick auf das Leben in der Stadt

BONN · Sie kann sich ebenso herzlich freuen wie ärgern. Heidemarie Schumacher sitzt zum Treffen bequem am Cafétisch. Richtig froh mache sie derzeit das Reiten, berichtet die bekennende Rheinländerin. Sie hat sich erst kürzlich getraut, erstmals auf den Rücken eines Pferdes zu steigen.

Doch Schumachers Augen blitzen, wenn sie sich nun auch im Nachhinein noch einmal über "zwei doofe Blümchen-Rezensionen" aufregt. Es geht um ihren neuesten Roman "Der venezianische Therapeut", der in diesem Jahr mit Unterstützung der Kulturstiftung NRW erschien. "Diese Rezensenten haben den Roman doch wirklich nur auf die Liebesgeschichte reduziert und alles andere weggelassen." Schumacher schüttelt den Kopf.

Die promovierte und habilitierte Medienwissenschaftlerin war selbst über 20 Jahre Dozentin an den Universitäten Siegen, Marburg, Erlangen und Bonn. Natürlich habe sie auch eine Lovestory geschrieben, doziert Schumacher jetzt. Es geht in dem dichten, ehrgeizigen Buchprojekt aber hauptsächlich um die Entwicklung einer Frau, ihren Weg, der sich am Canale Grande ganz anders entwickelt, als gedacht.

Die Romanfigur sei eine überbehütet aufgewachsene Deutsche, die in Venedig ihren gutbürgerlichen Verhältnissen zu entkommen hofft, erzählt Schumacher. Ja, die feinsinnige, aber einsame Hauptfigur ihres "Venezianischen Therapeuten" gerate in der Lagunenstadt an einen bildschönen, aber groben Liebhaber. Doch die Krise, in die die Kunstfreundin rutsche, öffne ihr ja erst den Weg zu Wichtigerem: Das Buch entwickelt eine schwierige Tochter-Eltern-Beziehung.

Sie als Autorin lasse natürlich auch den in der Literaturgeschichte so beliebten Gevatter Tod in Venedig mitspielen? Ja, sagt Schumacher. Da sie selbst sehr oft in Venedig sei, inspiriere sie die Kunst-Stadt Thomas Manns und vieler anderer Schriftsteller immer wieder. Auch ihren Krimi "Canale Mortale" habe sie zwischen Gondeln spielen lassen. Da gehe es, hochaktuell, um die Unterschlagung eines Bildes aus jüdischem Eigentum, um die Rolle der Partisanen und die deutsche Besatzung von Venedig.

"Es geht um Erpressung, Entführung und Mord, aber auch um die Schönheit der Stadt." Schumacher erläutert gerne ihre komplexen Plots. Die Feuilletons haben ihre Bücher schon sehr gelobt. Über den Erstling "Ein helles und ein dunkles Haus" urteilte der Deutschlandfunk, ihr sei ein Gesellschaftsroman à la Film-Guru Claude Chabrol über die typische städtische Bourgeoisie gelungen.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bescheinigte ihr, dass sie "die sich in vielen Vierteln der Großstädte vollziehende Gentrifizierung, also den Zuzug Gutverdienender in bis dahin ärmlichere Stadtteile", gekonnt widerspiegele. Sicher zeichnen sich die Bücher der Medienwissenschaftlerin durch ihre genaue Zeichnung des Lokalkolorits aus. Und das kommt beim "Haus"-Buch in der Bonner Südstadt, in der Schumacher selbst lebt, besonders authentisch herüber. Seit acht Jahren schreibt sie regelmäßig und "mit großer Erfüllung" Romane, erzählt Schumacher. "Es hat gedauert, bis ich das Glück hatte, einen Verlag zu finden. Plötzlich hatte ich dann zwei gleichzeitig. So kann es gehen."

Sie arbeitet im Vorstand des Literaturhauses Bonn und leitet den dortigen Lesezirkel. "Eine sehr gute Gruppe mit zwölf Teilnehmern, darunter aber nur ein Mann." Moderationen macht sie, Autorenworkshops, zuletzt mit Jo Lendle, im Frühjahr mit Hubert Winkels. Auch bei einer Facebook-Literaturparty 2011 mischte sie schon mit. Die Frau, die in ihren Romanen eigentlich immer wieder über die "chronische Glücklosigkeit der besseren Gesellschaft" schreibt, fühlt sich pudelwohl in ihrem Viertel. Eben "typisch bönnsch", die Frau Schumacher.

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