WCCB-Skandal in Bonn Schadensersatzprozess gegen Ex-OB Bärbel Dieckmann gefordert

Bonn · Die Ratsfraktionen widersprechen der Zeugenaussage der früheren Oberbürgermeisterin am Landgericht. Auch der Bürger Bund Bonn will eine Klage.

Die frühere Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann ist seit diesem Jahr für den Verein Transparency International Deutschland e.V. tätig. Die 68-Jährige sitzt im ehrenamtlichen Beirat der unabhängigen Organisation, die sich weltweit gegen Korruption in der Wirtschaft und in Behörden einsetzt. Für viele Bonner dürfte diese Personalie überraschend kommen: Denn im Zusammenhang mit dem Bauskandal um das World Conference Center Bonn (WCCB) steht Dieckmann gerade nicht für Transparenz. Zu ihrer Aussage vor dem Landgericht am Mittwoch dieser Woche musste sie erst durch die 1. Zivilkammer mit einem sogenannten Zwischenurteil gezwungen werden.

„Frau Dieckmann ist von unserem Vorstand in ihrer Funktion als Präsidentin der Welthungerhilfe in den Beirat berufen worden“, bestätigt Anna-Maija Mertens, Geschäftsführerin von Transparency Deutschland. Dem Beirat gehören 21 Vertreter des „Dritten Sektors“ an, etwa von Universitäten, der Verbraucherzentrale und Gewerkschaften. Sie haben laut Mertens beratende Funktion und werden für drei Jahre vom Vereinsvorstand bestimmt. Im Fall Bärbel Dieckmanns seien die WCCB-Ereignisse vor dieser Entscheidung nicht thematisiert worden, so die Geschäftsführerin. Zu Dieckmanns Aussagen im WCCB-Prozess wolle sich Transparency nicht äußern. Auch die Ex-Oberbürgermeisterin selbst lehnte es ab, Fragen des General-Anzeigers zu beantworten.

Schadensersatzprozess gegen Dieckmann gefordert

Mit harschem Widerspruch reagierten am Donnerstag die Ratsfraktionen auf Dieckmanns Aussagen vor der 1. Zivilkammer. Die frühere Verwaltungschefin hatte im Schadensersatzprozess gegen Man-Ki Kim und seinen damaligen Rechtsberater erklärt, vor der entscheidenden Ratssitzung am 14. Dezember 2005 keine Zweifel an der Finanzkraft des WCCB-Investors gehabt zu haben, der das Projekt später in die Pleite führte. Allerdings hatte die Sparkasse KölnBonn den Kredit über zunächst 74 Millionen Euro mangels Bonität abgelehnt. Sie war erst zur Auszahlung bereit, als die Stadt eine Art Bürgschaft zusicherte, die schon während der WCCB-Bauphase zu greifen hatte.

Den Ratsfraktionen hätten in der Sitzung „alle relevanten Informationen“ vorgelegen, so Dieckmann vor Gericht. Das sei „schlicht falsch“, erklärte Tom Schmidt für die Grünen – sonst hätte der Rat die Reißleine gezogen und großen Schaden vermeiden können. „Es wäre überfällig, dass die damaligen Verantwortlichen der Sparkasse befragt würden und ihre Aussagen zur Frage zu Protokoll gäben, wen sie über ihre Kreditablehnung informiert haben, und wer und was sie dazu bewogen hat, doch die Kreditzusage zu geben“, betonte der Fraktionsgeschäftsführer. Ein Schadensersatzprozess gegen Dieckmann sei folgerichtig. Genau das fordert auch der Bürger Bund Bonn: „Wir schenken ihren Unschuldsbeteuerungen keinen Glauben“, kommentierte der Fraktionsvorsitzende Marcel Schmitt. „Für uns ist sie dafür verantwortlich, dass entscheidungserhebliche Informationen vorenthalten wurden.“

Klage nur bei Erfolgsaussicht

CDU-Fraktionschef Klaus-Peter Gilles zeigte sich wenig überrascht von Dieckmanns Aussagen. Wer erst juristisch zur Zeugenaussage gezwungen werden müsse, habe offenkundig wenig Interesse an Aufklärung. „Wären die Ratsmitglieder mit allen Informationen ins Bild gesetzt worden, hätte es den Ratsbeschluss nie gegeben“, unterstrich Gilles. Eine Klage gegen Dieckmann müsse juristisch abgewogen werden. Koalitionspartner Werner Hümmrich (FDP) sieht das ähnlich. „Bisher hat die Bezirksregierung Köln als zuständige Aufsicht keinen Ansatz einer Dienstverfehlung bei Frau Dieckmann gesehen“, sagte er. „Sollte sich diese Position ändern, müssten auch wir uns neu beraten.“

SPD-Fraktionschefin Bärbel Richter sieht die städtischen Anwälte in der Pflicht, eine Empfehlung auszusprechen. „Aus unserer Sicht gibt es bisher keinen Hinweis, dass eine Klage erfolgversprechend wäre“, teilte Richter mit. Auch die Linkspartei würde nur klagen, wenn Erfolgsaussichten bestünden. Fraktionschef Michael Faber: „Politische Mitverantwortung für das Desaster kann der ebenso auf den vermeintlichen Glücksfall Kim reingefallene Rat nicht völlig ablegen, zumal einzelne Ratsmitglieder in den Sparkassengremien saßen.“

Die Stadtverwaltung hat angekündigt, das Urteil im Schadensersatzprozess gegen Kim abzuwarten und auszuwerten. Danach will sie dem Rat einen Beschlussvorschlag machen.

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