Kunst des Erzählens Rose Wolfgarten ist Bonns bekannteste Märchenerzählerin

Bonn · Die Bonnerin Rose Wolfgarten trägt die Märchen der Gebrüder Grimm stets frei vor, um Kontakt zum Publikum zu haben. Mittlerweile hat sie 22 im Repertoire.

 Märchenerzählerin Rose Wolfgarten

Märchenerzählerin Rose Wolfgarten

Foto: Barbara Frommann

Verletzung der Aufsichtspflicht, Vernachlässigung, Missachtung der Schulpflicht: Das Schicksal der beiden Geschwister Hans und Grete wäre heutzutage ganz sicher ein Fall für Staatsanwaltschaft und Jugendämter. „Natürlich ist das grausam Kinder im Wald auszusetzen“, stimmt Rose Wolfgarten zu. „Märchen sind hartherzig und oft brutal, wie beispielsweise die Geschichten Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen.

Aber es gibt immer ein gerechtes Ende. Die Bösen bekommen ihre Strafe“, ergänzt die 77-Jährige. Und im Gegensatz zu Computerspielen würde in Märchen kein Blut fließen. Rose Wolfgarten muss es wissen, denn sie ist eine gefragte Märchenerzählerin. „Wer Rose heißt kann eigentlich nichts anderes sein“, sagt sie lachend.

Sie hat sich ausschließlich den Märchen der Brüder Grimm verschrieben, „weil sie in unserer medienbestimmten Zeit eine uralte Form der geselligen Unterhaltung erwecken“, sagt sie. „Lebendiges Erzählen gegen elektronische Konserven“, so die Germanistin, die auch eine Gesangsausbildung hat. „Die Schönheit der grimmschen Sprache, die Struktur, der konsequente Aufbau und die Genauigkeit des Ausdrucks beeindrucken mich immer aufs Neue.“

Doch Rose Wolfgarten trägt nicht vor, sondern sie erzählt – auswendig, frei, wortwörtlich aber ohne die Barriere eines Buchs. „Genauso wie es früher an langen, dunklen Abenden in Familien oder Salons üblich war. Ich will Blickkontakt zu meinem Publikum haben und spontan reagieren. Texte ablesen kann jeder. Nur durch das Erzählen kann man den sprachlichen und strukturellen Reiz sowie den ganz besonderen Zauber vermitteln.“

Erwachsene sind ihre Zielpublikum

Dabei wendet sie sich in erster Linie an Erwachsene und nicht an kleine Zuhörer. Kinder waren schließlich nicht die ursprünglichen Adressaten. „Außerdem werden Kinder vorwiegend vom Inhalt fasziniert. Ich will aber die reiche Sprache der Alten in unserer Gegenwart lebendig machen.“

Schon als kleines Kind hörte sie ihrer Mutter, einer Rezitatorin, beim Lernen von Texten zu. Dadurch bekam sie schon früh genaue Vorstellungen von Atem-, Artikulations- und Sprechtechnik sowie von Betonung und Dynamik. „Ich bin in diesem Metier groß geworden“, sagt sie schmunzelnd. Später waren Peter Glass und Christiane Willms ihre Lehrer.

Bisher gehören 22 Märchen zu ihrem festen Repertoire, im Herbst werden es zwei weitere sein. Wolfgarten bereitet gerade eine mehrmonatige Auszeit in ihrer zweiten Heimat Griechenland vor. Dort verbringt sie mit ihrem Mann, einem Radiologen und erfolgreichen Fechter, die Sommermonate. „Fern ab von jeder Zivilisation habe ich dort die Muße zum Lernen. Diesmal sollen es „Der Tod und der Gänsehirt“ sowie „Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“ sein.

Geboren in Rheinhessen, kam sie in den 1960er Jahren fürs Studium nach Bonn. Wie ein Märchen hört sich auch die Geschichte an, wie sie ihren späteren Mann Wilfried Wolfgarten kennengelernt hat. „Ich musste zu einer Untersuchung in die Poliklinik und er war dort als junger Arzt tätig. Wir waren uns auf Anhieb sympathisch, sind anschließend in eine Pizzeria gegangen und haben uns stundenlang unterhalten.“ Schnell fand das Paar eine passende Wohnung. „Die war perfekt. Es gab allerdings ein Problem – nur ein verheiratetes Paar durfte einziehen.

Für die Generation der 68er eigentlich unvorstellbar. Ich musste also heiraten.“ Später kaufte die Familie ein Gründerzeithaus in der Humboldtstraße, das sie liebevoll sanierte. Neben ihrer Tochter und ihrem Sohn gehören heute zwei Enkel zur Familie. In ihrer Freizeit spielt Rose Wolfgarten gerne Geige und ist seit mehr als 36 Jahren Mitglied im Röttgener Kammerchor.

Doch welches ist das Lieblingsmärchen der Erzählerin? „Das kann ich eigentlich gar nicht so genau sagen“, entgegnet sie. „Aber die Geschichte von Aschenputtel fasziniert mich schon sehr.“

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