200 Jahre evangelische Gemeinde Bonn Revolutionäre und Comedy-Stars

Bonn · Von Gottfried Kinkel bis Oliver Welke - Bonns Protestanten können mittlerweile mit einer Reihe prominenter Namen aufwarten.

 Gottfried Kinkel.

Gottfried Kinkel.

Foto: Privat

Heute ist fast jeder vierte Bonner evangelisch. Aber vor 200 Jahren, als sich unter preußischer Herrschaft im katholisch geprägten Rheinland lokal eine erste evangelische Gemeinde gründete, bedurfte es gegen die vorangegangene Ächtung schon mal 208 mutiger Streiter, um die Reformation am 5. Juni 1816 ins Alte Rathaus zu bringen. Und die 208 machten sich bald darauf keck in der damals ungenutzten Schlosskirche zum Gottesdienst breit. Einer dieser Gemeindegründer der ersten Stunde war der Dichter Ernst Moritz Arndt (1769–1860), der sich damals gerade mit Gattin Anna Maria in der Stadt am Rhein niedergelassen hatte.

Der frisch gebildeten Gemeinde wird Ernst Moritz Arndt , der heute noch auf dem Sockel am Alten Zoll steht, sicher gut getan haben. Heute scheiden sich an ihm die Geister. Die Einen, wie in der zum Jubiläum herauskommenden Festschrift verzeichnet, preisen Arndt als volkstümlich frommen „revolutionären Nationaldichter der Befreiungskämpfe“. Auf der Schulhomepage des Ernst-Moritz-Arndt-Gymnasiums schämt man sich jedoch fast für den Namensgeber: wegen seiner auch für seine Zeit erschreckenden „Intoleranz gegenüber anderen Völkern“.

Republikanischer Revolutionär

200 Jahre evangelische Gemeinde Bonn
9 Bilder

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Es waren sicher eine ganze Reihe selbstbewusste und unorthodoxe Köpfe unter Bonns ersten Protestanten, wie die Festschrift zeigt. Heute noch bekannt sind Gottfried Kinkel (1815–1882) und seine Frau Johanna (1810–1858). Als republikanischer Revolutionär hatte Kinkel, der auch als Prediger die Menschen ansprach, 1848 den Demokratischen Verein in Bonn mitbegründet, hatte auf der Rathaustreppe die schwarz-rot-goldene Fahne der Freiheit und Demokratie geschwenkt und zur Steuerverweigerung aufgerufen. Nur seiner umsichtigen Frau hatte der Heißsporn dann die Fluchtmöglichkeit ins Londoner Exil zu verdanken.

Den Fokus richtet die Festschrift auch auf prominente Gemeindemitglieder der dunklen Nazijahre. Theologieprofessor Karl Barth (1886-1968) lehrte hier im Sinne der Bekennenden Kirche im Widerstand, schrieb für die Barmer Bekenntnissynode seine „Bonner Thesen“, bis man ihn 1935 als „Gefahr“ für den Unrechtsstaat zwangspensionierte und zur Flucht zwang.

Radikales Schuldgeständnis

Ein Bonner evangelischer Bruder im Geiste, der Theologe Hans-Joachim Iwand (1899-1960), erarbeitete dann nach 1945 mit Barth das sogenannte „Darmstädter Wort“, endlich ein radikales Schuldgeständnis auch der Kirche angesichts der NS-Gräuel. Iwand gelang es in Zeiten des Kalten Krieges zudem, Brücken zwischen Ost und West, Kapitalismus und Kommunismus, evangelischer und orthodoxer Kirche zu bauen.

Evangelische Spuren prominenter Stadtbürger können natürlich auch auf dem Alten Friedhof gefunden werden: Hier liegen Dichtergattin Charlotte von Schiller und Sohn Ernst von Schiller begraben, der Astronom Friedrich Wilhelm August Argelander, der Historiker Friedrich Christoph Dahlmann und der Komponist Robert Schumann.

Und welche evangelischen „Promis“ kann Bonn heute aufbieten, Menschen also, die ihre Konfession durchaus öffentlich machen? Nach GA-Informationen sind das etwa der ehemalige NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück, der gerne von der Godesberger Kanzel aus mit seiner SPD und der Selbstzufriedenheit seiner Mitbürger hart ins Gericht geht, oder der EU-Politiker Alexander von Lambsdorff.

Die frühere ÖTV-Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies zeigt hier in Bonn evangelisches Profil in ihrem Engagement für die Hospizarbeit. „Wunderheiler“ Eckart von Hirschhausen ist lokal bei Benefizveranstaltungen im Einsatz. „Heute-Show“-Star Oliver Welke, sozusagen Frucht eines evangelischen Gymnasiums, lästert auch vor Ort im kirchlichen Raum gerne mal gegen die gewisse Blässe der Evangelen ab: „Unter Comedy-Gesichtspunkten müsste eigentlich mehr von der Evangelischen Kirche kommen.“ Da ließe sich die Schwesterkirche einfach besser verwerten.

Veröffentlichung zum Jubiläum: Evangelisch in Bonn. Ein Lese- und Bilderbuch. Hrsg. Von Joachim Gerhardt und Eckart Wüster, CMZ Verlag. Der Festgottesdienst zum 200-jährigen Bestehen der Evangelischen Gemeinde in Bonn beginnt am Sonntag, 5. Juni, um 11 Uhr auf dem Marktplatz.

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