Unternehmen wirbt Mitarbeiter ab Rettungsdienst Falck kämpft in Bonn mit Personalnot

Bonn · Im Bonner Rettungsdienst fehlt Personal. Das Unternehmen Falck wirbt deshalb offensichtlich aggressiv Mitarbeiter ab und setzt auf eine ortsfremde „Task Force“. Das sorgt für Kritik.

Das Rettungsdienstunternehmen Falck hat in Bonn mit Personalnot zu kämpfen. Wie die Stadt Bonn mitteilt, konnten in den vergangenen Wochen zweimal Rettungswagen nicht besetzt werden. Nun wirbt die Firma Mitarbeiter vom Arbeiter-Samariter-Bund (ASB), Malteser Hilfsdienst (MHD) und Deutschen Roten Kreuz (DRK) ab. Nach GA-Informationen soll für einen Wechsel ein vierstelliger Betrag fließen.

ASB, Malteser und DRK sind über diese Praxis verärgert, weil sich dadurch die Situation auf dem ohnehin angespannten Personalmarkt im Rettungsdienst verschärfe. Um die aktuellen Engpässe abzufangen, ist zudem eine „Task Force“ von Falck-Mitarbeitern im Einsatz, die deutschlandweit agiert. Fraglich ist, inwiefern sie sich in Bonn auskennen.

Zweimal konnte Falck in den vergangenen Wochen krankheitsbedingt Rettungswagen nicht besetzen. „Mit dem Unternehmen wurde die Thematik nachbereitet“, sagte Vize-Stadtsprecher Marc Hoffmann. Wie das aussah, dazu will sich die Verwaltung öffentlich nicht äußern. Vertragsstrafen habe es nicht gegeben. Falck selbst sprach im August noch von einem „reibungslosen Start“, gestand aber auch, dass die „Gewinnung von Fachkräften nicht einfach“ sei.

"Wechselprämie"

Dementsprechend hoch ist offenbar die Arbeitsbelastung für die Falck-Retter. Personal kommt nicht ausschließlich aus Bonn, sondern wird deutschlandweit zwischen Wachen verschoben. Bonner Falck-Mitarbeiter sprechen davon, dass die Kollegen häufig wechseln – auch in der Führungsebene. Aktuell sucht das Unternehmen einen Wachleiter für Bonn. Ein weiteres Beispiel ist der Praxisanleiter. Er sollte seit 1. September für die Bonner Notfallsanitäter-Azubis von Falck zuständig sein, fehlte aber zunächst. „Die Firma hat nach Veränderung einen verantwortlichen Praxisanleiter benannt und die kurzfristige Nachqualifizierung eines weiteren eingeleitet“, sagt Hoffmann.

Falck wirbt offensichtlich aggressiv Sanitäter ab. Wie Mitarbeiter der Hilfsorganisationen berichten, würden sie immer wieder bei Einsätzen angesprochen. „Man wird regelrecht belästigt“, sagt ein Retter, der ungenannt bleiben will. Für jeden Abgeworbenen erhalte der vermittelnde Falck-Mitarbeiter eine Prämie von 1000 Euro und der Wechselnde bei Dienstantritt 3000 Euro. Verboten ist das nicht. Doch Dirk Lötschert vom ASB sieht diese Praxis kritisch: „Kurzfristig lässt sich Personalnot mit Geld regeln.“ Nachhaltig sei das Abwerben aber nicht, schließlich fehle Fachpersonal dann an anderer Stelle. Der Engpass könne nur durch Ausbildung beseitigt werden.

Das sieht auch MHD-Kreisgeschäftsführer Michael Krämer so: „Die Hilfsorganisationen sind aktuell gut aufgestellt, aber grundsätzlich haben wir ein Ressourcenproblem, das in Städten wie Köln und Düsseldorf noch viel größer ist.“ Das mache es für Falck als Neuling in Bonn besonders schwierig, Mitarbeiter zu finden.

Ortskunde zählt zu den Anforderungen

In den beiden Fällen, in denen Falck Mitarbeiter fehlten, besetzte die Bonner Feuerwehr die Rettungswagen. Für Patienten entstanden somit keine Nachteile. Problematisch wird es allerdings im Katastrophenfall und bei Großschadenslagen – wie an der Bahnstrecke in Siegburg, als mehrere Häuser brannten. Dann müssen die Rettungsdienstakteure jeweils die Besatzung für einen Rettungswagen in Reserve haben. Fehlt diese Reserve, können Patienten nicht behandelt werden. Die Bonner Hilfsorganisationen, die sich schon vor Jahren in einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben, alarmieren dann auch ihre ehrenamtlichen Retter.

Bei Personalnot greift Falck auf eine „Task Force“ zurück, erklärt Unternehmenssprecher Steffen Windelberg. Diese „speziell geschulten“ Rettungsdienstmitarbeiter springen in besonderen Situationen wie „Grippewellen oder kurzfristigem großen Personalaufbau an neuen Standorten“ ein. „Der Einsatz erfolgt selbstverständlich immer erst nach Einweisung in die durch unsere Auftraggeber vertraglich geregelten Prozesse und Anforderungen.“ Die Stadt als Träger des Rettungsdienstes zeigt dem Personal, wie es mit den städtischen Rettungswagen und medizinischen Geräten umzugehen hat.

„Auch eine fundierte Ortskunde zählt zu den Anforderungen“, sagt Hoffmann. Die müssten die Leistungserbringer aber selbst vermitteln – überprüft wird das nach GA-Informationen nicht. Zwar haben die Rettungsfahrzeuge Navigationsgeräte, ersetzen können diese die Ortskenntnis aber nicht vollends. „Diese Systeme können ausfallen. Es gibt auch Orte, die die Navis nicht immer korrekt anzeigen“, erklärt Krämer. Die Malteser unterrichten deshalb auch noch den Umgang mit Landkarten.

Schwierig wird es, wenn Mitarbeiter – wie die der „Task Force“ – nur wenige Wochen in Bonn bleiben. Wer neu in der Stadt ist, hat es schwer, sich angesichts gesperrter Straßen, verwinkelter Wege oder Staus zurechtzufinden. „Sie haben gar keine Chance, sich darauf einzustellen“, sagt Krämer. Laut Hoffmann sind die Leistungserbringer angewiesen, „neue Mitarbeiter im Team mit erfahreneren Mitarbeitern einzusetzen, um sich so entsprechend ergänzen zu können“. Überprüft werde das seitens der Stadt anhand von Dienstplänen, die monatlich vorgelegt werden müssten.

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