Bonner Sommermärchen RPA erhellt Vergabe des Projekts "Südkurve"

Bonn · Das RPA beleuchtet dank einer sauberen Akte im Sportamt auch die Vergabe des Projekts "Südkurve" zur Fußball-WM 2006 auf dem Münsterplatz und erhellt ein Beziehungsgeflecht.

Auch Stadtdechant Wilfried Schumacher wirkte beim Vergabeverfahren für die "Südkurve" entscheidend mit.

Auch Stadtdechant Wilfried Schumacher wirkte beim Vergabeverfahren für die "Südkurve" entscheidend mit.

Foto: Horst Müller

Immer wieder geht es in der erregten Stadtratsdebatte am vergangenen Donnerstag, live im Internet übertragen, um "die Agentur" - gemeint ist Kreativ Konzept (KK) von SPD-Mann Martin Schilling. Denn KK war einer von vielen Prüfaufträgen des Rates für das Rechnungsprüfungsamt (RPA) über die Verwendung des WCCB-Marketingzuschusses.

Ein Ergebnis: Die Agentur erhielt 56,67 Prozent (293 350,35 Euro) aller von der WCCB Management GmbH belegten Marketing-Sachkosten. Das RPA: "An den Kosten für “Medien- und Anzeigenkampagnen„ beträgt der Anteil 78,43 Prozent." Dabei wurden teilweise jedoch nur Leistungen von Dienstleistern mit einem Provisionsaufschlag durchgereicht. Ein anderes Ergebnis: Es gab vom RPA wenig an KK zu bekritteln. In seiner Schlussbemerkung schreibt das Amt, es habe sich nicht der "Eindruck aufgedrängt, dass Leistungen der Agentur in unzureichender Form oder zu einem nicht angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnis erbracht worden wären".

Das RPA hat jedoch auch nach links und rechts geschaut. Beim Aktenstudium landet es unverhofft im Sport- und Bäderamt, denn es geht um Fußball, um die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland, die später angesichts ausgelassener Volksfreude ein "Sommermärchen" schreibt. Auch Bonn will ein Teil davon sein. Der Münsterplatz ist als Eventstätte auserkoren. Das Projekt heißt "Südkurve Deutschland". Problem im Sommer 2005: Der Herr der Münsterkirche, Stadtdechant Wilfried Schumacher, hat ein Mitspracherecht - und sträubt sich: "In der Tat gerät der Aufbau, so wie dort skizziert, sehr nahe an das Münster heran", sagt er damals dem GA.

Doch es gibt bald gute Nachrichten. Am 2. August 2005 mailt das Presseamt an die Ämter Sport und Wirtschaftsförderung: "Achtung: heute ist Bewegung in die Sache gekommen". SPD-Mann Erwin Ruckes habe "im Auftrag von Schmuck und Schilling (beide Geschäftsführer von KK / Anm. d. Red.) "mit dem Stadtdechanten gesprochen und er ist doch nicht mehr so ganz kategorisch gegen die geplante Veranstaltung".

Schilling schreibt noch am selben Tag an den damaligen städtischen Pressechef Friedel Frechen. Er spricht darin von "wir" - "Wir hatten ein gutes Gespräch mit dem Stadtdechanten. (...) Vorbedingung ist es, dass wir uns bezüglich der Einmaligkeit über ein Verfahren und eine Sprachregelung verständigen." Das Verfahren ist eigentlich in der Vergabeordnung genau festgelegt. Und "Sprachregelung" ist immer ein Terminus, der aufhorchen lässt. Er kann auch meinen: Wir reden über ein vielschichtiges Thema, das zu Missverständnissen und Widersprüchen einlädt, von vorneherein mit einer Zunge.

Das Sportamt hat die Allgemeine Dienstanweisung (ADA) der Stadtverwaltung verinnerlicht, wonach auch wichtige Telefonate in Aktenvermerken festzuhalten sind. Im internen Vermerk vom 8. August 2005 heißt es, dass Ruckes angerufen habe und über ein Gespräch mit "Herrn Stadtdechant Wilfried Schumacher" informiert. Weiter: "Herr Ruckes machte in dem Telefongespräch deutlich, dass der Stadtdechant seine Zusage gemacht habe der Firma Kreativ Konzept, die ihm seit langem bekannt sei. Deutlich habe Schumacher darauf hingewiesen, dass seine Zusage nicht für andere Interessenten gelte (...) Ruckes bat darum, zunächst mit Dieckmann in vorgenannter Angelegenheit sprechen zu dürfen."

Das Sportamt fragt den damaligen Wirtschaftsförderer Martin Ogilvie (FDP): "Tragen Sie ein solches Prozedere mit?" Eine zutreffende Frage: Denn wie sich Hochwürden die Vergabe eines Stadtauftrags vorstellt, widerspricht ziemlich genau allen Vorschriften zur Korruptionsprävention.

Das Sportamt führt seine Akten geradezu vorbildlich. Interner Vermerk vom 30. Mai 2005: "Betr.: WM 2006 - Gespräch der Oberbürgermeisterin mit den Herren Schilling, Schmuck und Ruckes am 1. September 2005." Es wird ein Telefonat mit dem Leiter des OB-Büros am 29. August 2005 wiedergegeben: "Das Ergebnis des Gespräches bei Frau Dieckmann ist abzuwarten. Herr (...) wies jedoch darauf hin, dass er im vorliegenden Falle ein kleines Problem sieht.

Das Büro Schmuck, Schilling stehe nämlich der OB sehr nahe. Das Büro habe auch den Wahlkampf für Frau Dieckmann gemacht. Deshalb wäre es gut, damit Frau Dieckmann nicht angreifbar wird, wenn die Federführung hier bei Herrn Ruckes liegen würde (Stadtmarketing), der sich wiederum der Agentur Schilling/Schmuck bedient." Also das klassische Strohmann-Prinzip. Aber offenbar haben weder Ogilvie noch Dieckmann "ein solches Prozedere" mitgetragen.

Das RPA schreibt, dass das anschließend durchgeführte Interessenbekundungsverfahren "ordnungsgemäß" durchgeführt worden sei. Am Ende erhielt den Auftrag - Kreativ Konzept. Die Agentur habe "das für die Stadt wirtschaftlichste Angebot" abgegeben. Dennoch bleiben Ungereimtheiten: Der Veranstalter durfte gemäß städtischer Vorgabe, so ein unterlegener Mitbewerber gegenüber dem GA, "keine Fressbuden und Werbetafeln zur Refinanzierung aufstellen. Doch dann standen sie doch da."

Im Januar 2006 kommt es zu politischen Diskussionen. Die SPD und der Bonner Einzelhandel sind für das Event, während CDU/Grüne sich schlecht über das Vergabeverfahren informiert fühlen. Der Bezirksverordnete Hartwig Lohmeyer (Grüne) spricht von einer "elitären Veranstaltung, Fans sollen 11 bis 23 Euro für einen Sitzplatz berappen". Arno Hospes (CDU): "Es geht um die Gewinnmaximierung für den Veranstalter." Wirtschaftsförderer Ogilvie: "Der Eintritt ist bei den Kosten gerechtfertigt. Bei dieser Haushaltslage kann so etwas nicht kostenlos angeboten werden."

Das RPA merkt zu dem Vorgang an, dass "Kreativ Konzept/Martin Schilling durch vorherige Kontakte zur Stadtverwaltung, der Oberbürgermeisterin und dem Stadtdechanten der Münsterpfarrei einen lokalen Wissens- und Bearbeitungsvorsprung hatte". In fünf Zeilen handeln die KK-Anwälte in ihrer seitenlangen Stellungnahme, die Teil des RPA-Berichts ist, die "Südkurve Deutschland" ab: "Der umfangreiche Exkurs des RPA" zum Fußballevent sei "in keiner Weise geeignet, zum Prüfauftrag beizutragen".

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