Gericht Bonn Psychisch Kranker erstach willkürlich seinen Nachbarn

Bonn · Vor dem Bonner Gericht muss sich ein 50-Jähriger verantworten, der im vergangenen Sommer in Bonn mit drei Messern seine Nachbarn jagte. Zeugen schildern am ersten Prozesstag die Angst und Panik in dem Mehrfamilienhaus in Auerberg.

Welche Panik die Menschen in dem Mehrfamilienhaus in Auerberg am 8. Juli 2016 hatten, wurde am Montag vor dem Schwurgericht deutlich: Der Mann, der so verwirrt neben seinem Anwalt sitzt, jagte seine Nachbarn mit drei Messern durchs Haus, stach auf eine 76-Jährige 23 Mal ein und erstach einen 79-Jährigen, während dessen bettlägerige Freundin nebenan durch einen Türspalt hilflos zusehen musste, wie ihr Freund attackiert wurde. Erst die Polizei konnte den Mann mit drei Schüssen stoppen. Nun beantragt die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des an paranoider Schizophrenie leidenden Mannes.

Der 50-Jährige, der seit der Jugend Drogen nimmt und vielfach vorbestraft ist, ist seit Jahrzehnten psychisch krank. Er hat viele Klinikaufenthalte hinter sich, steht unter Betreuung und erlitt laut psychiatrischem Gutachter zur Tatzeit einen schweren psychotischen Schub, weil er seine Medikamente nicht genommen hatte. Wäre er gesund, drohte ihm nun eine hohe Strafe wegen Totschlags und drei Totschlagsversuchen. Doch weil er als schuldunfähig gilt, ist er strafrechtlich nicht verantwortlich.

Wie wenig er orientiert ist, zeigt sich schon zu Prozessbeginn: Als Kammervorsitzender Josef Janßen ihn beim Namen nennt, sagt der 50-Jährige: „Das bin ich nicht.“ Und auf die Frage, ob er sich an die Tat erinnere, erklärt er: „Ich bin doch in Essen eingesperrt.“ Nach der Tat kam er dort in die forensische Klinik. Der Staatsanwaltschaft zufolge attackierte und verfolgte der 50-Jährige an jenem Tag zur Mittagszeit mit seinen Messern zuerst eine 42-jährige Frau, die ins Haus kam, um ihre Eltern zu besuchen. Sie wehrte sich mit Händen und Füßen, flüchtete in eine Wohnung und schaffte es gerade noch, die Türen zu schließen.

Das aber schaffte eine 76-jährige Nachbarin nicht rechtzeitig. Sie stand vor ihrer Tür, um zu sehen, was los war. Wortlos stach er auf sie ein, bis sie sich schwer verletzt in ihre Wohnung retten konnte. Anschließend versetzte der 50-Jährige ein Geschwisterpaar in Todesangst. Der 15-jährige Junge und seine 17-jährige Schwester waren in der Wohnung ihres Vaters, als es an der Wohnungstür knallte. Der 15-Jährige sah durch den Spion, wie der 50-Jährige gegen die Tür trat und sich mit seinem ganzen Gewicht dagegenwarf. Die Geschwister schoben den Kühlschrank vor die Wohnungstür und öffneten die Balkontür. „Um im Notfall runterzuspringen“, so der 15-Jährige. Die Jugendlichen hörten Schreie, schließlich drei Schüsse. Dann war es still.

Warum sie schießen mussten, geht aus der Aussage eines der Polizisten hervor: Er sah zusammen mit einem Kollegen, wie der 50-Jährige über einem blutigen Bündel hockte – mit Messern in der Hand. Sie hätten gerufen: „Polizei, Messer weg.“ Doch der Mann sei auf sie zugelaufen, „wie ein Tier, absolut stumm“. Ihm sei völlig klar gewesen: „Jetzt greift der uns an.“ Da hätten er und sein Kollege geschossen. Doch selbst als der Mann gefesselt am Boden lag, habe er noch getobt und um sich getreten. Dem 79-Jährigen konnte niemand mehr helfen: Der 50-Jährige hatte ihn erstochen und erwürgt.

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