Prozess in Bonn Prozess um Walid S.: Täter trat mit Wucht zu

BONN · Am zweiten Prozesstag gegen Walid S. geht es im Bonner Schwurgericht neben dem Angriff gegen einen 26-Jährigen auch um den Widerstand gegen Polizisten.

Das weiße Hemd des ersten Tages ist einem legeren schwarzen Shirt gewichen. Die Attitüde blieb jedoch dieselbe: Erneut saß Walid S. mit gleichgültiger, nahezu abwesender Miene auf der Anklagebank vor dem Bonner Schwurgericht. Zwar mochte sich eine kaum wahrnehmbare Unsicherheit in sein zuvor noch selbstbewusstes Auftreten eingeschlichen haben. Doch die Teilnahmslosigkeit sprach weiterhin aus seinen Gesten, aus dem leeren Blick und der betont lässigen Körperhaltung – als wollte der junge Mann um jeden Preis verdeutlichen, dass ihm egal ist, wie diese Gerichtsverhandlung am Ende ausgehen wird. Oder verhindern, dass jemand hinter seine Fassade schaut.

Zur Erinnerung: Walid S. soll am 10. Februar einen wehrlos am Boden liegenden 26-Jährigen mit Fußtritten massiv attackiert und dessen Tod laut Anklage „billigend in Kauf genommen“ haben. Dies hatten zwei Polizisten ausgesagt. Ob er sein Opfer am Kopf oder am Oberkörper getroffen hatte, vermochten sie jedoch nicht zu sagen.

Verletzungen weisen auf Tritte hin

Diese Frage konnte ein Rechtsmediziner am Montag klären. Nach seinen Angaben ist auszuschließen, dass die Brüche an Jochbein und Oberkiefer des 26-Jährigen durch Faustschläge verursacht wurden. Die Schwere der Verletzungen weise auf „ganz erhebliche Gewalt“ hin und könne nur durch Tritte erwirkt werden. Um zu verdeutlichen, mit welcher Wucht der Kopf des Opfers getroffen worden sein muss, nannte er ein Beispiel: „Es ist, als würde jemand mit dem Kopf auf die Windschutzscheibe eines Autos aufprallen, das mit 35 Stundenkilometern unterwegs ist.“ Weiter betonte der Sachverständige: „Für den 26-Jährigen bestand abstrakte Lebensgefahr.“ Denn: „Fußtritte gegen den Kopf können tödlich enden.“ Nur dieser sei getroffen worden, am Oberkörper des Opfers habe es keine Hämatome oder andere Verletzungen gegeben.

Es folgte eine kurze Sitzungsunterbrechung, die eine Zäsur darstellte. Nach der Pause ging es um ein anderes Thema: die Ereignisse am 12. Januar gegen 6.30 Uhr. Der Vorwurf: ein tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Widerstand, Körperverletzung und Beleidigung. Vier Polizisten, die in der Nacht im Einsatz waren, wurden gehört, alle zeichneten ein ähnliches Bild. Sie führten aus: In einem Schnellrestaurant in der Innenstadt war es zum Eklat gekommen. Walid S. hatte dort mit zwei Begleitern randaliert und mit Essen geworfen. Weil sich der 23-Jährige nicht ausweisen konnte, sollte er zur Wache gebracht werden. Auf dem Weg dorthin riss er sich los und flüchtete in Richtung Thomas-Mann-Straße. Dort versteckte er sich laut Aussagen in einem Gebüsch hinter einem Bauzaun in der Nähe der Tiefgarage zwischen Cassius- und Florentiusgraben. Als ihn ein Beamter entdeckte, ergriff er erneut die Flucht, kletterte über den Bauzaun und sprang von oben in die Tiefgarageneinfahrt. Er rannte los, stieß eine Beamtin zur Seite und rammte ihren Kollegen, der ihn schließlich festhalten konnte.

Walid S. bespuckte und beleidigte Beamte

Gemeinsam gelang es nach Auskunft der Polizisten, Walid S., der nach der Waffe eines Beamten griff, zu fesseln und in den Streifenwagen zu bringen. Der 23-Jährige soll um sich geschlagen, die Beamten bespuckt und massiv beleidigt haben. Die Flucht könne man ihm nicht übelnehmen, meinte ein 28-jähriger Beamter. Aber: „Die unkontrollierte körperliche und verbale Aggressivität uns gegenüber hat mich erschreckt.“

Walid S. hatte die Vorwürfe über seinen Anwalt am ersten Verhandlungstag mit einigen Abweichungen eingeräumt: Er habe mehrfach seinen Namen genannt, die Beamten aber hätten immer weiter gefragt, was Vor- und was Nachname sei. Deshalb sei er aggressiv geworden. Dass er eine Polizistin zur Seite gestoßen habe, könne er nicht bestätigen. Und: Der Polizist, der ihn im Gebüsch entdeckt habe, habe mit Pfefferspray gesprüht. Deshalb sei er aufgesprungen und über den Zaun geklettert. Auch die Behauptung, er habe zu der Dienstwaffe gegriffen, sei unwahr.

Ermittlungen zu Walid S.

Walid S. (23) fällt immer wieder durch Verwicklungen in Gewaltdelikte auf. Schon vor dem Prozess um den Tod von Niklas Pöhler, in dem er angeklagt und freigesprochen wurde, hatte er Sozialstunden ableisten müssen.

Wegen einer am 30. April 2016 begangenen Gewalttat bekam er eine achtmonatige Jugendstrafe, die durch die im Fall Niklas abgesessene Untersuchungshaft von fast zwölf Monaten abgegolten war.

Am 14. Oktober 2017 gab es zwei Vorfälle in Godesberg: Er soll jemanden bedroht, dann einen 23-Jährigen krankenhausreif geschlagen haben. Beide Verfahren wurden eingestellt.

Am 10. Dezember 2017 gab es eine Auseinandersetzung vor einer Hennefer Diskothek. Walid S. soll einen Mann angepöbelt und geschlagen haben. Das Siegburger Amtsgericht verhängte eine Geldstrafe von 1000 Euro. Anklage und Verteidigung legten Berufung ein, zogen sie später zurück. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Vor Gericht geht es derzeit um zwei Fälle: Am 12. Januar 2019 ereignete sich der Vorfall im Restaurant. Am 10. Februar soll er einen 26-Jährigen, der am Boden lag, mehrfach getreten und dabei dessen Tod billigend in Kauf genommen haben. Seit 15. Februar sitzt er in U-Haft.

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