Utrecht als Vorbild? Politiker wollen grüne Haltestellen in Bonn

Utrecht/Bonn · Schaukeln, um das Handy aufzuladen? Bushaltestellen für Bienen? Diese und weitere Maßnahmen zur Nachhaltigkeit gibt es in Utrecht. Erste Politiker fordern ähnliche Ideen nun auch für Bonn.

"Nederland wordt duurzaam", die Niederlande werden nachhaltig, heißt es seit 2017 im Koalitionsvertrag der Mitte-rechts-Regierung in Den Haag. Die war bis dato nicht für eine besonders "grüne" Politik bekannt gewesen, wurde aber durch das Urteil eines Bezirksgerichts aus dem Jahr 2015 zum Nacharbeiten auf diesem Gebiet gleichsam verdonnert: Bis 2020 sollten die Niederlande ihre CO2-Emissionen um 25 Prozent senken. Bemerkenswert ist, dass die Regierung sich nun sogar auf eine Verminderung um 49 Prozent bis 2030 festlegte.

Nationales Vorbild in Sachen Nachhaltigkeit ist Utrecht. In der von einer Koalition aus Grünen, Linksliberalen und Christdemokraten regierten Hauptstadt der gleichnamigen Provinz können bereits seit vielen Jahren Bewohner, die auf ihrem Haus ein sogenanntes "Grünes Dach" anlegen wollen, wahlweise in Kombination mit Sonnenpaneelen, Subventionen von der Gemeinde bekommen.

"Grüne Dächer" vergrößern die Artenvielfalt

Die Dächer werden dabei mit der Pflanze Sedum, auch Mauerpfeffer oder Fetthennen genannt, begrünt. Der Utrechter Beigeordnete Kees Diepeveen sieht sie als wichtigen Baustein für nachhaltige Stadtplanung. "Die Dächer helfen dabei, Feinstaub abzufangen und Regenwasser zu speichern, und sie sorgen für Abkühlung bei Hitze", erklärt Diepeveen, "außerdem vergrößern sie auch die Artenvielfalt in der Stadt, was für Insekten wie Bienen sehr gut ist." Im April dieses Jahres hat der Beigeordnete die erste "Bienen-Bushaltestelle" in Utrecht eingeweiht - ein Bushäuschen mit einem grünen Dach. Der Hintergrund: Alle zehn Jahre gibt die Gemeinde Utrecht einem Unternehmen die Möglichkeit, sämtliche Werbeflächen im öffentlichen Raum zu belegen. Voraussetzung bei der aktuellen Ausschreibung: Die Werbung soll nachhaltig und "grün" sein.

Seitdem wurden 316 Bushäuschen in der Stadt mit grünen Dächern ausgestattet - ein wahres Paradies für Bienen. "Und nicht zuletzt sieht es auch noch cool aus", so Matthijs Keuning von der Gemeinde Utrecht auf GA-Anfrage. Die anderen 96 Bushäuschen erhielten ein Solardach.

Kreativ ist man in puncto Nachhaltigkeit auch bei den Nationale Spoorwegen (NS), der niederländischen Bahn. Nicht nur, dass alle Züge der NS mit Windenergie fahren - in der Centraal Station von Utrecht, dem Hauptbahnhof, kann man seit kurzem den Akku seines Telefons mit eigener Körperkraft aufladen: indem man sich auf eine Schaukel im Erdgeschoss des Bahnhofs setzt und einfach drauflos schaukelt. Die Energie, die dadurch freigesetzt wird, lädt das Handy auf.

Zunächst waren die "Energie-Schaukeln" nur im Rahmen der "Duurzame Week", einer Aktionswoche zur Nachhaltigkeit im Juni, aufgebaut worden. Sie kamen aber so gut an, dass nun eine Schaukel einen festen Platz im Erdgeschoss des Bahnhofs bekommen hat. "Wir schauen uns jetzt noch nach mobileren Versionen für andere Bahnstationen um", sagte NS-Sprecher Geert Koolen auf GA-Anfrage.

Sozialliberale für grüne Haltestellen in Bonn

Das Konzept, Dächer zu begrünen, könnte auch in Bonn Schule machen. In einem Antrag an den Planungsausschuss fordern die Sozialliberalen deshalb, die Stadtverwaltung solle mit den Stadtwerken ein Konzept zur Begrünung von Haltestellendächern erarbeiten und es dem Stadtrat Anfang 2020 vorlegen.

Denn: Je mehr Grün in einer Stadt vorhanden sei, desto schneller verbessere sich dort auch das Mikroklima. Das bestätigt auch das Rote Kreuz und weist vor allem auf die Auswirkungen bei extrem hohen Temperaturen hin: "Hitzewellen gehören zu den für die Menschheit tödlichsten Naturgefahren, und die von ihnen ausgehende Gefahr wird mit dem Fortschritt der Klimakrise nur noch ernster und verbreiteter werden." Geeignete Gegenmaßnahmen wären eben Grünanlagen, begrünte Dächer, autofreie Zonen und weiß bemalte Oberflächen. Begrünte Fassaden und Dächer könnten, so die Sozialliberalen weiter, zudem auch hier in Bonn dazu beitragen, die Artenvielfalt zu erhalten.

Utrecht als Vorbild für die Stadt Bonn?

Könnten Maßnahmen wie diese auch weiterhin Vorbild und Inspiration für Bonn sein? "Bei uns erfolgt natürlich ein Blick über den städtischen Tellerrand, denn alle Städte können voneinander lernen, welche Maßnahmen wirksam und gut umsetzbar sind", sagt dazu Andrea Schulte von der Stadt Bonn.

Sie weist darauf hin, dass Bonn im Rahmen von Städtenetzwerken regelmäßig an Erfahrungsaustauschen wie des Klima-Bündnisses oder des internationalen Städtenetzwerkes ICLEI teilnehme. Zudem beteilige sich die Stadt seit 2003 am European Energy Award und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet. In der im Februar beschlossenen neuen Nachhaltigkeitsstrategie zur UN-Agenda 2030 hat Bonn 17 Nachhaltigkeitsziele formuliert. Im Mai stellte die Stadt Bonn ihre neue Klimaschutzkampagne vor.

Bonn gestaltet Grünflächen insektenfreundlich

Schulte betont, dass in Bonn bereits heute bei der Grünflächengestaltung auf insektenfreundliche Bepflanzung geachtet werde. Einen weiteren Schwerpunkt setze die Stadt bei Solarenergie: Geeignete städtische Dachflächen werden Energiegenossenschaften und den Stadtwerken Bonn (SWB) für die Installation von Photovoltaikanlagen angeboten. Insgesamt seien auf städtischen Liegenschaften mittlerweile 63 Solaranlagen installiert, so Schulte, zwölf weitere befänden sich in der Planung.

Als "Leuchtturmprojekte" im Bereich Fahrrad-Mobilität nennt Schulte die kürzlich beschlossene Protected Bike Lane auf den Straßen Sandkaule und Welschnonnenstraße in Bonn. Das Bonner Fahrradstraßennetz sei insgesamt sehr dicht ausgebaut. Gleichwohl gibt es am Radverkehr in Bonn immer wieder deutliche Kritik. Im ADFC-Test, der die Situation für Radfahrer in der Stadt beurteilt, landete Bonn im April nur noch im unteren Mittelfeld.

In allen Themenfeldern gebe es "natürlich weiter Handlungsnotwendigkeiten, um Bonn nachhaltiger zu machen", so Andrea Schulte. Dabei werde man die eigenen Stärken weiter ausbauen und an anderen Stellen Anregungen aus anderen Städten prüfen und eventuell aufgreifen. Ob jedoch konkret Maßnahmen wie die Utrechter Bienen-Haltestellen geplant sind, dazu gab die Sprecherin keine Auskunft.

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