Umzugsdebatte Bonn/Berlin Personalräte machen sich Sorgen

BONN · "Aufmerksam und besorgt" verfolgen die Beschäftigten in den Bundesministerien die Debatte um einen möglichen Komplettumzug der Bundesregierung nach Berlin. Die Arbeitsgemeinschaft und Gewerkschaft fordern Ministerin zu Gesprächen auf.

"Wir stehen ohne Wenn und Aber für die Einhaltung des Berlin/Bonn-Gesetzes, des dienstrechtlichen Begleitgesetzes und der personalwirtschaftlichen Gesamtkonzeption", betont Jochen Nagel, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der obersten Bundesbehörden (Ministerien und weitere Einrichtungen wie Präsidialamt, Kanzleramt, Bundesrechnungshof). An diesen Regelungen werde aber seit Jahren gerüttelt.

Die erneute Diskussion, angestoßen von der Umzugsbeauftragten Barbara Hendricks (SPD), verunsichere die Beschäftigten, so Nagel. Aber er hält fest, dass die Umweltministerin "auch ehrlich" sei. Hendricks, die einen Arbeitsstab eingerichtet hat, räumt in ihren Interviews ein, dass das Gesetz seit Jahren mit immer neuen Stellenverlagerungen in die Hauptstadt ausgehöhlt wird.

Nagels Forderung: ein "langfristiges Konzept mit dauerhaften, modernen und zukunftsfähigen Arbeitsplätzen in Bonn und in Berlin mit Entwicklungsperspektiven für die Beschäftigten." Bei diesen Jobs müssten - wie bisher auf ministerieller Ebene - "qualitativ hochwertige Aufgaben, die die Bundesrepublik weiterbringen" erfüllt werden, in eigener Verantwortung und "wahrnehmbar". Möglich ist ein solches "Auslagern" bisheriger Ministeriumsaufgaben zum Beispiel durch die Einrichtung neuer Bundesbehörden in Bonn (siehe unten).

"Wir sind bereit, unsere Überlegungen zu einer leistungsfähigen und sozialen Bundesverwaltung einzubringen", erklärt Nagel im Namen der Personalräte. Der Gewerkschafter Hartwig Schmitt-Königsberg formuliert das als klare Forderung an Ministerin Hendricks. "Wir erwarten, dass wir in den Diskussionsprozess aktiv einbezogen werden", sagt der Bundesvorsitzende des Verbandes der Beschäftigten der obersten und oberen Bundesbehörden (VBOB).

Die Bonner SPD fordert unterdessen einen Staatsvertrag zwischen dem Land NRW und dem Bund. Die stillschweigende Verlagerung von Posten nach Berlin müsse ein Ende haben, betont der Kreisvorsitzende Gabriel Kunze. Er befürworte den FDP-Vorschlag, die politisch Verantwortlichen aus Bonn und der Region zügig zu einem Spitzengespräch einzuladen: "Wir müssen jetzt mit einer Stimme sprechen."

Der Landtagsabgeordnete Rolf Beu (Grüne) fordert Verhandlungen mit Berlin "auf Augenhöhe" - und zwar auf Grundlage des bestehenden Gesetzes. Den scheidenden Bonner OB Jürgen Nimptsch kritisiert Beu als "schlechten Sachwalter der berechtigten Interessen der Region". Nimptsch habe sich nicht genug gegen den "Rutschbahneffekt" gestemmt.

Vom Ministerium zur Bundesbehörde

Das Paradebeispiel: Aus dem Bundesministerium für Justiz sind Aufgaben in das 2007 neu gegründete Bundesamt für Justiz verlagert worden. Während das Ministerium in Bonn nur noch eine Handvoll Mitarbeiter hat, wächst das Amt, das unter anderem für Online-Führungszeugnisse oder Auskünfte aus dem Gewerbezentralregister zuständig ist.

Rund 900 Beschäftigte an drei Bonner Standorten sollen demnächst an der Adenauerallee konzentriert werden, wo ein Neubau entsteht. Eine weitere neue Behörde ist die Generalzolldirektion, die ab Januar 2016 in Bonn eingerichtet wird und rund 200 Mitarbeiter haben soll. Im Gegenzug verlagert Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) bis Jahresende 128 Dienstposten seiner Abteilung Zoll, Umsatzsteuer und Verbrauchssteuern nach Berlin.

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