Interview mit Sandro Heinemann Organisator spricht über Panama Open Air in Bonn

BONN · Zum Panama Open Air pilgern mittlerweile 25.000 Festivalbesucher in die Bonner Rheinaue. Für Organisator Sandro Heinemann gibt es keinen besseren Veranstaltungsort. In der Elektroszene hat Bonn den Anschluss verloren, sagt er.

Herr Heinemann, was hat es mit den drei Uhren auf sich?

Sandro Heinemann: Jan Hoffmann ist derzeit in Boulder in den USA. Immer wenn wir eine Telefonkonferenz brauchen, wissen wir, ob wir ihn nerven können oder ob es noch mitten in der Nacht ist.

Und warum Panama?

Heinemann: Wegen des Panama Open Air. Der Name kommt von Janoschs „Oh wie schön ist Panama“. Da geht es darum, dass Tiger und Bär einen besseren Ort suchen, an dem sie glücklich werden. Sie reisen, finden diesen Ort und stellen fest: Sie sind wieder zu Hause. Das Festival ist also eine Hommage an unsere Region. Man muss nicht nach Panama fahren, um eine tolle Zeit zu haben. Zwei, drei Tage Musik in der Rheinaue reichen aus.

Nur Musik?

Heinemann: Nein. Wir haben zwar nicht nur Techno, sondern auch viele andere Stilrichtungen. Aber das ist nicht genug. Wir müssen uns von anderen Festivals abheben. Vor allem, weil wir mitten im Dreieck von World Club Dome in Frankfurt, New Horizons am Nürburgring und Parookaville in Weeze sind. Da geht es um die gesamte Erfahrung.

Was macht ein gutes Festival aus?

Heinemann: Dass jedes seine eigene Identität hat. Wir sind ein Urlaubs-Substitut und nicht nur Bumbum. Wenn man sich Rock am Ring anschaut, liegt der Fokus schon immer auf den Weltstars, die man vielleicht nur einmal im Leben sieht. Schaue ich mir Parookaville an, dann ist es die Idee einer eigenen Stadt – mit eigenen Pässen und Visa-Stempeln. Jeder hat eine andere Herangehensweise, was auch gut ist. Sonst wäre es langweilig.

Andere haben eine Stadt, Panama hat die Rheinaue.

Heinemann: Genau. Einen der schönsten Parks Deutschlands, mitten in der Stadt! Wenn ich mich mit anderen Organisatoren aus dem Ausland austausche, dann glauben die das gar nicht. Die Fragen häufig nach der Anbindung, weil die meist ab vom Schuss sind. Wir haben sogar eine eigene Bahnhaltestelle.

Dabei heißt es doch immer, dass Bonn ziemlich tot sei.

Heinemann: Es wird schlimmer gemacht, als es ist. Das liegt vielleicht auch daran, dass die Bonner viel gewohnt waren. Wir hatten die Rheinkultur, das größte Musikfestival Deutschlands – ein wichtiger kultureller Bestandteil, der weggebrochen ist. Trotzdem: Es gibt das Panama, es gibt das Green Juice Festival. In der Rheinaue sind immer wieder Veranstaltungen wie Jeck im Sunnesching, was sich neu etabliert hat. Man misst sich natürlich mit Köln. Da gibt es größere Locations, woraufhin die Künstler sagen, dass sie lieber in Köln als in Bonn spielen würden. Aber wir sind auf einem guten Weg – in den letzten Jahren ist viel passiert und unsere Ticketverkäufe zeigen, dass auch viele Kölner nach Bonn kommen.

Wie kriegt man Stars wie Felix Jaehn nach Bonn?

Heinemann: Im ersten Jahr war es schwierig, die Künstler zu überzeugen. Mittlerweile haben wir uns ein Standing erarbeitet, bei dem die Agenturen sagen 'Ahja, Panama kenn ich' und nicht direkt auflegen. Wir müssen selbstverständlich finanziell mithalten, die Künstler leben davon. Aber es ist immer auch ein Gesamtkonzept. Wenn irgendein Club in China 100 000 Euro bietet und wir vielleicht nur die Hälfte, dafür aber ein stimmiges Gesamtkonzept haben, dann überlegen die sich das schon.

Die Künstler sind ja sicherlich auch viel unterwegs.

Heinemann: Deshalb muss der Auftritt in die Tour passen. Das ist oft ein Prozess, der sich über Wochen und Monate hinzieht. Wir sprechen mit anderen Festivals in Mitteleuropa und überlegen, welche Künstler wir gemeinsam anfragen. Wir haben zum Beispiel Doppelbookings mit dem Sea You Festival in Freiburg, aber auch hin und wieder mit Parookaville. Bei Alma waren wir einfach früh dran. Als wir sie für 2019 buchten, ging ihre Karriere gerade erst richtig los. Je teurer und gefragter der Künstler, desto schwieriger wird das Booking.

Wie extravagant sind die Stars?

Heinemann: Jeder schickt Anforderungen. Die meisten sind technische. Und dann gibt es natürlich Wünsche an die Hotels, je nachdem, ob der Künstler alleine ist oder sogar seine Kinder mitbringt. Und dann kommen die Speise- und Getränkeanforderungen und sonstige Wünsche – die sind hin und wieder recht extravagant.

Zum Beispiel?

Heinemann: Socken, Unterhosen, lokale Spiele, Trikots von Fußballteams, Kokoswasser oder auch Alkohol in Massen, den man alleine gar nicht trinken kann. Letzteres ist immer ein bisschen ärgerlich, weil man das besorgen und 90 Prozent zurückbringen muss.

Wer lässt denn Socken und Unterhosen in den Vertrag schreiben?

Heinemann: Das klingt kurios, ist es aber gar nicht. Wenn die Künstler von Auftritt zu Auftritt reisen sind sie teilweise zwei, drei Monate auf Tour. So einen riesigen Koffer kann man gar nicht mitnehmen. Und die wenigsten Hotels haben Waschmaschinen.

Welche Rolle spielt Geld?

Heinemann: Ohne Eintritt kann man das nicht finanzieren. Wir sind aber immer noch günstig. 2011 hat das Panama Open Air als halblegale Veranstaltung und kostenlos auf der Beueler Rheinwiese angefangen. Weil das gut angenommen wurde, haben wir uns 2013 am Vortag von Rhein in Flammen etabliert. Das war ein ganz anderer Charakter als heute. Die Leute kamen dann nicht mehr nur aus Bonn, sondern aus der ganzen Region. Deshalb haben wir uns 2015 entschieden, das Festival auszugliedern. Aus einer Bühne wurde fünf, aus einem Künstler wurden 60.

Ist es wichtig, langsam zu wachsen?

Heinemann: Wenn man genügend Kapital im Rücken hat, kann man auch von 0 auf 100 durchstarten. Jan und ich hatten damals aber nur unser Erspartes. Bis heute haben wir keine externen Investoren. Wenn jeder Euro, der ausgegeben wird, wieder reinkommen muss, kann man nicht mal eben eine halbe Million Euro in Künstler stecken. 80 Prozent unseres Aufwands sind Panama, die gesamte Produktion ist ein siebenstelliger Betrag, die Hälfte davon muss vorfinanziert werden. Deshalb ist es für uns elementar, dass die Leute ihre Tickets früh kaufen.

Rheinkultur war eine ganz andere Hausnummer. Hat der Wegfall ein Loch hinterlassen, das ihr jetzt füllt?

Heinemann: Es gab definitiv ein Loch. Auch wenn man Rheinkultur nicht ersetzen kann, ist Rhein in Flammen von der Größe her an diese Stelle getreten. Früher war es noch mehr für Familien da als heute, die Musik rückt immer mehr in den Vordergrund. Das Green Juice Festival hat den rockigen, das Panama den elektronischen Part übernommen.

Wie steht es generell um die Elektroszene in Bonn?

Heinemann: Die Szene ist groß, aber früher war es deutlich besser von den Locations her. Es gab den Rheingarten, danach den Club Tante Rike. Die sind beide leider nicht mehr existent. Deswegen fahren viele Bonner nach Köln, weil das Angebot dort mit Odonien, Gewölbe oder Heinz Gaul größer ist. Es ist schade, dass wir den Anschluss verloren haben.

Kann man das zurückdrehen?

Heinemann: Es fehlt an einer Location. Das Sofa versucht jetzt ein bisschen mehr elektronisch zu machen – mal sehen, wie gut das angenommen wird. Die Rike hat sich wirtschaftlich nicht getragen. Alle lechzen nach mehr Möglichkeiten. Aber wenn es dann mal was gibt, kommt keiner. Aber ich bin mir sicher, dass ein Elektro-Club in Bonn funktionieren müsste.

Wäre das nicht eine Idee für Rhein-Events?

Heinemann: Aktuell nicht. Wir haben da nicht die Kapazität für.

Wo wird das Panama Festival in fünf Jahren stehen?

Heinemann: Wenn Sie mich vor fünf Jahren gefragt hätten, hätte ich nicht das geantwortet, was wir jetzt haben. Ich hoffe, dass wir weiter wachsen. Wir verstehen uns selbst als breit aufgestelltes Crossover-Musikfestival mit elektronischem Schwerpunkt. Vielleicht schaffen wir, uns in fünf Jahren zu verdoppeln. Genug Platz gibt es in der Rheinaue.

Könntet ihr euch vorstellen, aus der Rheinaue wegzugehen?

Heinemann: Das wäre völlig gegen unsere Philosophie und dementsprechend überhaupt keine Option. Da müsste schon extrem viel passieren. Nichtsdestotrotz haben wir aktuell schon eine Panama Club Tour, wo wir auch in andere Städte unterwegs sind. Damit machen wir natürlich auch Werbung für Bonn.

Und wie sieht es mit RheinEvents aus?

Heinemann: Wir würden gerne mehr in den Konzertbereich gehen und können uns vorstellen 0,auch mehr Soloshows zu machen – nicht nur im elektronischen, sondern auch im Rock oder Hip-Hop-Bereich. Viele verbinden uns mit den Techno-Jungs, was aber nur ein Teil dessen ist, was wir machen.. An Karneval machen wir Querbeat und Cat Ballou, wir machen Oktoberfeste und Halloweenpartys. Das wollen wir auf jedenfall aufrecht erhalten.

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