Prozess zum Mord vor 26 Jahren Opferfamilie spricht vor Gericht zu Mord in Meßdorf

Bonn · Beim Mordprozess der 1991 getöteten Monika F. treffen Tochter und Ehemann zum ersten Mal auf den 52-jährigen Täter. Beide bezeichneten das Geständnis zum jetzigen Zeitpunkt als feige.

Es ist der Tag, an dem Tochter und Ehemann der 1991 getöteten Monika F. erstmals dem Täter ins Gesicht blicken. Die beiden müssen im Mordprozess gegen den 52-jährigen Olaf S. vor dem Schwurgericht als Zeugen aussagen und auch die Fragen beantworten, die sich jeder stellt: Wie hat die bis zum überraschenden Geständnis des Täters im Februar unaufgeklärte Tat 26 Jahre lang ihr Leben bestimmt? Die Antworten sind erschütternd.

Als Erste tritt die heute 38-jährige Tochter im Beistand von Anwältin Gudrun Roth in den Zeugenstand. Sie war zwölf Jahre alt, als ihre Mutter vom Angeklagten mit 75 Messerstichen getötet wurde, weil der, wie er bei der Polizei gestand, seine seit Kindheit gehegten Gewalt- und Tötungsfantasien an jenem 11. November 1991 ausleben wollte.

Familie entdeckte die Leiche

Nun erfährt er, was er der Tochter angetan hat. Wie sie berichtet, habe sie an jenem Tag erstmals ihren Hausschlüssel vergessen – und rief nach erfolglosem Anrufen und Klingeln den Bruder ihres Vaters zu Hilfe. Dass etwas nicht stimmte, sei ihr sofort klar gewesen, obwohl Vater und Onkel sie vor dem Anblick in Hausflur schützten: Dort lag die 38-jährige Monika F., tot, sie war verblutet. „Mein Bauchgefühl wusste es sofort“, sagt die Tochter. Der Vater sagte es ihr am nächsten Tag.

Doch es habe Wochen, Monate gedauert, bis es bei ihr angekommen sei. Oft habe sie gedacht, es ist nur ein Traum, „gleich geht die Tür auf, und alles ist gut“. Doch es wurde nicht gut, sondern schlimmer: Freunde seien nicht mehr zu ihr gekommen. „Das Haus hatte einen Makel“. Sie habe große Ängste entwickelt – bei jedem Klingeln. „Die Ungewissheit war das Schlimmste. Und dass ich mich nicht von meiner Mutter verabschieden konnte. Wegen der grausamen Tat wollte man mir den Anblick ersparen.“

Der Mord bestimmte das Leben der Tochter

„Man kommt so durch, man überlebt“, sagt sie. Aber sie habe die Schule und Kontakte wechseln müssen und erst mit 21 oder 22 ins Leben gefunden. Da habe sie beschlossen, es zu akzeptieren, aber es habe ihr ganzes Leben bestimmt. Wie das für sie war, als der Täter gestanden habe, will Kammervorsitzender Josef Janßen wissen. „Das Geständnis“, so die Zeugin, „kommt zu spät. Wir haben schon ein Strafmaß von 26 Jahren.“

Es helfe ihr nicht mehr, denn die Dinge, die passiert seien, hätten ihre Familie gespalten und zerstört. Das hätte ein früheres Geständnis verhindert, sagt sie. Und in Richtung des Angeklagten: „An einem Punkt, wo man seinen Lebenskarren in den Dreck gefahren hat, zu gestehen, ist nicht mutig - sondern feige, denn das hat er nur für sich getan.“

Olaf S. blickt sie nicht an. Warum es zur Spaltung der Familie kam, erklärt Anwältin Roth: Angehörige hätten ständig den Ehemann verdächtigt und Zwietracht gesät, obwohl die Polizei ihn sofort als Täter ausgeschlossen habe. Das habe Tochter und Vater schwer belastet. Die Tochter habe aber nie am Vater gezweifelt.

Ehemann ist durch das Geständnis erleichtert

Das bestätigt Monika F.'s Ehemann und beschreibt, wie nicht nur der Tod der geliebten Frau, die er heute noch vermisse, ihn krank gemacht habe, sondern auch die Verdächtigungen in der Familie und von Freunden. Er habe sogar einen Anwalt einschalten müssen. „Seit dem Geständnis ist eine ungeheure Last von mir abgefallen“, sagt der 73-Jährige. „Diese Befreiung ist unvorstellbar groß.“ Und: „Ich bin unheimlich froh, dass alle, die zu mir hielten und mich wie meine Tochter verteidigten, jetzt erfahren, dass sie recht hatten.“

Und alle anderen, dass sie ihm Unrecht getan hätten. Die beiden Schwestern seiner Frau, die sich im letzten Moment noch als Nebenkläger im Prozess meldeten, blickt er nicht an. Nach seiner Aussage fixiert der 73-Jährige den Angeklagten minutenlang. Der aber blickt nicht auf.

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