Angeklagter bestreitet Tatvorwurf Mutmaßlicher Siegauen-Vergewaltiger diffamiert Opfer

Bonn · Der Prozess gegen den mutmaßlichen Vergewaltiger einer Camperin in der Bonner Siegaue hat am Montag begonnen. Der Angeklagte bestreitet die Tat - und diffamiert das Opfer.

Die Handschellen hielt Eric D. eisern unter der Anklagebank versteckt. Nur wenn ihm das Auge tränte oder irgendetwas juckte, zog er die Arme mit den schweren Ketten kurz ins Gesicht, aber dann ließ er sie schnell wieder auf den Schoß fallen. Der 31-jährige Schwarzafrikaner gilt als unberechenbar. In der Untersuchungshaft hatte er wiederholt randaliert, Wächter angegriffen und auch schon mal ein Feuer in der Zelle gelegt. So wurden ihm auch nicht die Fußfesseln während des Prozesses abgenommen, und zwei Wachtmeister sitzen fast auf Tuchfühlung hinter ihm.

Ein halbes Jahr nach der Horrornacht für ein zeltendes Paar aus Freiburg muss sich der Schwarzafrikaner seit Montag vor der 10. Großen Strafkammer des Bonner Landgerichts verantworten. Oberstaatsanwältin Claudia Trauzettel ist überzeugt, dass Eric D. in der Nacht zum 2. April 2017, gegen 0.15 Uhr, das Zelt des Paares in der Siegaue mit einer Astsäge aufgeschlitzt, sie bedroht und um sechs Euro sowie eine Lautsprecherbox beraubt hat. Schließlich soll er die 23-jährige Studentin beschimpft und zehn Meter vom Zelt entfernt vergewaltigt haben – mit der Astsäge in Griffweite neben sich. Der 26-jährige Freund musste das Verbrechen hilflos miterleben, ohne eingreifen zu können. Der strafrechtliche Vorwurf: Vergewaltigung im besonders schweren Fall sowie schwere räuberische Erpressung.

Die Verteidiger Birgit Schurz und Martin Mörsdorf hatten dem Angeklagten unbedingt Schweigen verordnet, denn die Beweislage spreche nicht für ihn. Aber Eric D. zeigte schnell seine unduldsame, aggressive Seite: „Warum soll ich schweigen“, schrie er, „über einen Fall, über den ich nichts weiß?“ Natürlich werde er reden. In der Tatnacht habe er sich im Flüchtlingsheim Sankt Augustin aufgehalten, beteuerte er. Aber dann hielt ihm die Kammer unter Vorsitz von Marc Eumann vor, dass er nach der Anwesenheitsliste der Unterkunft, die elektronisch aufgezeichnet wird, die Unterkunft am Abend des 1. April um 19.58 Uhr verlassen und in der Nacht erst um 3.06 Uhr wieder betreten hatte. „Das ist nicht die Wahrheit“, konterte Eric D.. „Das ist ein Trick des Gerichts. Eine Fangfrage.“ Er habe keine Lust auf diese Spielchen, sagte er. „Ich habe keine Zeit, diese Märchengeschichte zu hören.“

Als Eumann Eric D. vorhielt, dass an der 23-jährigen Studentin DNA-Spuren gefunden worden seien, die mit seinen identisch seien und ihn fragte, wie er sich das erkläre, war der Angeklagte außer sich: „Wenn das Mädchen behauptet, sie sei vergewaltigt worden, muss sie eine Prostituierte sein“, höhnte er. Und schob nach: „Alle, die ihr bei der Lüge helfen, sind dreckige Menschen.“ Das Gericht stoppte schließlich seine Rede und den Dolmetscher, um den „Angeklagten vor sich selber zu schützen“. In der kurzen Prozesspause hatten ihn seine Verteidiger wohl zur Mäßigung aufgefordert.

Rechtsanwältin Gudrun Roth, die die 23-Jährige als Nebenklägerin vertritt, reagierte moderat. „Es ist immer ein Schlag ins Gesicht, wenn jemand, der so etwas erlebt hat, zudem verhöhnt wird.“ Mehr wollte sie nicht dazu sagen.

Bevor es um die Vorwürfe gegangen war, hatte Eric D. ausführlich über seine Lebensgeschichte erzählt. Es schien ihm sogar zu gefallen, dass alle zuhörten. Als stolzer Sohn eines reichen Kakaoplantagenbesitzers in Ghana sei er nach dem frühen Tod seines Vaters wegen des Erbes in einen Streit mit dem Ehemann einer Halbschwester geraten. Dabei habe er den Schwager mit einem Pflückstock tödlich getroffen. Seine Flucht verlief über Libyen und das Mittelmeer nach Italien und schließlich nach Deutschland. Für den Prozess sind bis zum 19. Oktober zehn Verhandlungstage angesetzt.

Fahndung mit Phantombildern

Die Polizei suchte nach der Tat im April mit Hilfe von Phantombildern nach dem Täter. Fünf Tage später erkannte ein Spaziergänger den 31-Jährigen. Er wurde festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft - in einem besonders gesicherten Haftraum, weil er JVA-Beamte angegriffen haben soll, wie sein Verteidiger sagte.

Die Anklage stützt sich vor allem auf DNA-Spuren, außerdem trug der Mann bei seiner Verhaftung unter anderem die gestohlene Lautsprecherbox bei sich. Ein psychiatrisches Gutachten stuft den Angeklagten als schuldfähig ein.

Wenige Tage vor der Tat war der Asylantrag des Mannes nach Angaben der Bezirksregierung abgelehnt worden. Dagegen habe er geklagt, das Verfahren sei noch anhängig gewesen. Der Angeklagte war im Februar aus Italien nach Deutschland eingereist und dort zuletzt in der Zentralen Flüchtlingsunterkunft Sankt Augustin untergebracht.

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