Joan Baez verzaubert auf dem Kunst!Rasen Mit brennender Leidenschaft

Bonn · Das Feuer lodert noch. Gut 2200 Menschen haben sich gestern auf dem bestuhlten und ausverkauften Kunst!Rasen an ihm gewärmt, an dieser brennenden Leidenschaft, die sich von der Bühne aus über den Platz ergoss und dem Publikum ein ums andere Mal einen wohligen Schauer über den kollektiven Rücken fahren ließ.

Ja, Joan Baez kann es noch, die Massen begeistern und verzaubern mit ihrer Präsenz, ihrem Willen und ihrer Stimme, die im Laufe der Jahre zwar etwas dunkler, aber deshalb nicht weniger eindrucksvoll geworden ist. Die 74-jährige Ikone der Friedensbewegung brauchte dazu nicht viel, nur sich selbst, ihre Gitarre und ihre Mitmusiker, den Multiinstrumentalisten Dirk Powell, die gelegentlich als Backgroundsängerin einspringende Grace Stumberg sowie ihren Sohn Gabriel Harris (Percussion). Das und die Erinnerungen an ein halbes Jahrhundert politischer Musikgeschichte als Brennstoff.

Weiß ist die New Yorker Folksängerin mit den einst rabenschwarzen Haaren geworden, aber nicht alt, schon gar nicht innerlich. In den Rheinauen griff die zunächst konzentriert wirkende und dann zunehmend lockerer werdende Baez, die schließlich auch ein Tänzchen mit Powell wagte, natürlich auf die Klassiker zurück, auf Mörderballaden wie "Seven Curses", die fast schon unverzichtbaren Bob-Dylan-Cover (etwa "It's All Over Now, Baby Blue") oder ihren eigenen bissigen Hit "Diamonds & Rust" - doch zugleich ließ sie es sich nicht nehmen, neue Stücke einzustudieren.

Extra für den deutschsprachigen Teil ihrer aktuellen Tournee hat sie sich bei ihrem Seelenverwandten Konstantin Wecker bedient, so wie sie in Istanbul zuletzt auch einen türkischen Protestsong im Programm hatte. Es passt zu Baez, dass sie sich diese Musik zu eigen macht: Ihr Engagement war schon immer ein weltweites, ihr Kampf gegen Unterdrückung und für Menschenrechte global. Ob Anfang der 70er in Vietnam, wo sie ein zwölftägiges Bombardement Hanois durch die US-Luftwaffe überlebte oder in den 90ern, als sie im kriegszerstörten Sarajevo mit Straßenmusikern spielte.

[kein Linktext vorhanden]Das Publikum nahm mit fast andächtiger, ehrfürchtiger Stimmung an dieser Friedensmesse teil. Viele schwelgten selbst in Erinnerungen, vor allem als Joan Baez gegen Ende die ganz großen Titel aufgriff, "Sag mir, wo die Blumen sind" etwa, "House Of The Rising Sun" oder "Imagine". Und doch sang sie ihre Lieder nicht einfach nur, damit sich das Publikum wohlfühlte, so erfreulich dieser Effekt auch war. Sie will immer noch mehr erreichen, will etwas bewegen, schon seit 55 Jahren. Die Musik ist das Medium für ihre Botschaft, für ihre Vision einer Welt ohne Gewalt, Zorn und Ungerechtigkeit. Ein Traum, vielleicht. Aber einer, der es wert ist, geträumt zu werden.

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