Projekt "Sport für Entwicklung" Mit Sport Perspektiven schaffen

Hennef · Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sowie die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) haben 30 Menschen aus elf verschiedenen Ländern in die Sportschule Hennef eingeladen. Das Ziel: Die Förderung benachteiligter Kinder.

Der Blick geht hoch, dann wieder runter. Kurzes Gekritzel auf dem Schreibblock. Amanda Busch will nichts verpassen. In leuchtender Sportkleidung steht sie auf dem grünen Rasenplatz der Sportschule Hennef – vor ihr ein Ausbilder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), neben ihr eine bunt gemischte Gruppe, 30 Menschen aus elf Ländern.

Sie alle sind hier, um zu lernen. Jeder von ihnen ist der Einladung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gefolgt. „Sport für Entwicklung“ heißt das Projekt, das von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) durchgeführt wird. Die Förderung benachteiligter Kinder ist das Ziel.

Busch lebt und arbeitet in Brasilien. Die 32-Jährige engagiert sich als Trainerin und Ausbilderin im Instituto Barrichello in São Paulo. Hier betreut sie Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 17 Jahren. Zu den gesellschaftlichen Problemen in Brasilien gehören etwa sexuelle Übergriffe, Zwangsarbeit oder gewaltsame Konflikte auf der Straße. Beim Sport können die Kinder abschalten und ihre Sorgen zumindest eine Zeit lang hinter sich lassen.

Vor allem für Mädchen sei das in Brasilien nicht selbstverständlich, berichtet Busch: „Die meisten von ihnen sind schon früh in die tägliche Arbeit eingespannt und müssen ihren Familien helfen. Für Freizeit und Sport bleibt da keine Zeit.“ Während der Fortbildung in Hennef hofft sie, Methoden kennenzulernen, die ihr ermöglichen, den Jugendlichen zu helfen. Dazu gehören auch Trainingsspiele, die das Selbstwertgefühl der Kinder und Kompetenzen wie Teamwork oder Fairplay fördern sollen.

So steht Busch nur wenig später am Kopf einer Menschenschlange. Hinter ihr neun Teammitglieder, neben ihr zwei weitere Reihen. Einige Meter zurück liegen rote Hütchen. In ihren Händen hält Busch einen rot-weißen Fußball, den sie rückwärts an ihre Kameraden weiterreichen soll. Anschließend muss sie so schnell wie möglich ans Ende der Schlange laufen. Das Team, das als erstes die Hütchen erreicht, gewinnt. Das Startsignal ertönt, hektische Anweisungen mischen sich mit ausgelassenem Gelächter. Buschs Team verliert. Dennoch strahlt die Brasilianerin über beide Ohren, als sie sich mit den anderen abklatscht.

Zum Siegerteam gehört Roy Hambira. Der 38-Jährige arbeitet für die Namibia Football Association (NFA). Hier ist er für die Jugendentwicklung und die Trainerausbildung verantwortlich. Wie Busch hilft er Kindern und Jugendlichen, indem er soziale Kompetenzen vermittelt – wenngleich die Probleme teilweise andere sind. „Viele Jugendliche bei uns sind alkoholabhängig, manche nehmen andere Drogen. Wir versuchen, sie davon wegzubekommen“, erklärt Hambira. Glücklicherweise seien die meisten von ihnen sportbegeistert: „Wir müssen daher nicht viel Überzeugungsarbeit leisten.“ Beim Training stünden jedoch nicht nur Sportübungen, sondern auch präventive Gespräche auf dem Programm. Und das wirke. Früher habe er einige Kinder an die Drogen verloren, erinnert sich Hambira. Jetzt sei das nicht mehr so.

Olaf Handloegten von der GIZ nimmt das mit einem zufriedenen Lächeln zur Kenntnis. Er ist verantwortlich für das Projekt und somit auch für die zehntägige Weiterbildung in Hennef. Ein Punkt ist ihm besonders wichtig: „Der Sport ist hier das Instrument für Entwicklung“, erläutert Handloegten. Es gehe darum, sogenannte „Life Skills“ zu vermitteln – Kompetenzen, die den Jugendlichen helfen, ihr Leben erfolgreich zu bewältigen. Durch den Sport erreiche man die Kinder einfach besser als durch Vorträge in der Schule. Finanziert werde das gesamte Projekt vom BMZ. Mit dem DFB habe man außerdem einen Partner gefunden, der neben Ausbildern auch Seminarräume für die Theorie sowie Sportstätten für die Praxis stellt.

Zurück auf dem Rasenplatz in Hennef: Zina al Sadi ist gerade damit beschäftigt, unter der Anleitung der DFB-Ausbilder die nächste Übung aufzubauen. Mit großer Sorgfalt platziert sie die Hütchen auf der Wiese. So ähnlich macht sie das beinahe täglich in ihrer Heimat Jordanien. Hier besucht die 23-Jährige regelmäßig Schulen, um Lehrer weiterzubilden. Deren pädagogische Kompetenz ist mehr denn je gefordert.

Etwa 655.000 syrische Flüchtlinge hat Jordanien laut Amnesty International bereits aufgenommen. 90 Prozent von ihnen leben unter der Armutsgrenze. Die Lehrer haben die wichtige Aufgabe, die Flüchtlingskinder zu integrieren. Al Sadi hilft ihnen dabei: „Ich gehe von Schule zu Schule und sehe mir den Sportunterricht an. Später gebe ich den Lehrern Tipps, wie sie die Kinder durch Spiele oder andere Angebote noch besser einbinden können.“

Dass die Studentin gleichzeitig Torhüterin der jordanischen Frauen-Fußballnationalmannschaft ist, wirke sich durchaus positiv aus, erläutert Handloegten: „Die Trainer nehmen eine Vorbildrolle ein – nicht nur sportlich, sondern auch moralisch.“

Die Hoffnung, dass aus den Kindern später selbst einmal Vorbilder werden, hat sich in einigen Fällen bereits erfüllt. Ein ehemaliger Schützling von Busch arbeitet heute bei einem großen Sportartikelhersteller und studiert nebenbei. Allerdings sei das nicht die Regel. „Von hundert Kindern schaffen es nur zwei, eine universitäre Laufbahn einzuschlagen“, erzählt die Brasilianerin.

Deshalb sei es umso wichtiger, auch den übrigen Jugendlichen eine Perspektive aufzuzeigen, sagt Handloegten. Ein regulärer Beruf sei genauso hoch einzuschätzen wie ein akademischer: „Wichtig ist, dass die Kinder einen Platz in der Gesellschaft finden.“ Busch, Hambira und Al Sadi nicken. Deshalb sind sie hier. Dann ruft der Kursleiter zur nächsten Übung. So wie die drei es in ihrer Heimat bald wieder tun werden, wenn sie den Kindern einen Weg in eine glücklichere Zukunft ebnen.

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