Diskussion über Berlin/Bonn-Gesetz Ministerien sind für Bonn unverzichtbar

Bonn · Auf Einladung der Universitätsgesellschaft diskutierten Abgeordnete über die Zukunft des Berlin/Bonn-Gesetzes. Und alle waren sich einig: Ministerien sind für Bonn unverzichtbar.

Auf dem Podium: Ulrich Kelber (von links), Volker Kronenberg, Alexander Graf Lambsdorff, Claudia Lücking-Michel und Katja Dörner.

Auf dem Podium: Ulrich Kelber (von links), Volker Kronenberg, Alexander Graf Lambsdorff, Claudia Lücking-Michel und Katja Dörner.

Foto: Barbara Frommann

Viele, die am 20. Juni 1991 die Debatte im Bundestag über den Regierungsumzug an die Spree verfolgt haben, waren schockiert, als die Abgeordneten mit denkbar knapper Mehrheit für Berlin stimmten. Auch Michael Kranz standen damals die Tränen in den Augen. Der Vorsitzende der Universitätsgesellschaft Bonn (UGB) erinnerte am Donnerstagabend an jenen denkwürdigen Tag, nach dem sich für Bonn so viel verändern sollte. Die UGB hatte anlässlich ihres 100. Geburtstages zur Podiumsdiskussion über die Frage, wo Bonn heute steht und wie es mit dem Berlin/Bonn-Gesetz weitergehen soll, in die Aula der Universität am Hof eingeladen. Mehr als 200 Gäste waren gekommen

Kranz hätte gerne auch einen Berlin-Befürworter auf dem Podium begrüßt, doch trotz aller Bemühungen, „hat sich wohl niemand nach Bonn getraut“, sagte er schmunzelnd. So blieben die Bonner – die Bundestagsabgeordneten Claudia Lücking-Michel (CDU), Katja Dörner (Grüne), Ulrich Kelber (SPD) und der Vizepräsident des EU-Parlaments und FDP-Bundestagskandidat, Alexander Graf Lambsdorff – unter sich. Und trotz Bundestagswahlkampfs gelang es Moderator Volker Kronenberg nicht, die vier Mandatsträger in der Frage Bonn-Berlin auch nur annähernd auseinander zu dividieren. Bis auf einige Nuancen „ passt kein Blatt Papier zwischen uns“, sagte Lambsdorff.

Kronenberg, Studiendekan der Philosophischen Fakultät und Akademischer Direktor am Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie der Unit Bonn, hatte zu Beginn der Diskussion vor dem Hintergrund des aktuellen Statusberichts der Bundesregierung zur Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin auf die Befürchtung vieler in Bonn und der Region verwiesen, dass nach der Bundestagswahl im Herbst der Komplettumzug erfolgen könnte. Die Faktenlage weise schon lange in diese Richtung: „Es gibt einen nicht zu bestreitenden Rutschbahneffekt“, sagte Kronenberg, „62 Prozent der 20.000 Dienstposten sind in Berlin“. Dabei sollte nach dem Berlin/Bonn-Gesetz das Gros der ministeriellen Arbeitsplätze in Bonn verbleiben.

Das sei in der Realität längst „breit verfehlt“, beklagte denn auch Lücking-Michel. „Das kann uns nicht in Ruhe lassen.“ Umso wichtiger sei es, dass die Spitzen von Bonn und der Region mit NRW und Rheinland-Pfalz endlich in der Frage Bonn-Berlin geschlossen aufträten und mit einer Stimme sprächen. „Auf keinen Fall dürfen wir das Signal aussenden, dass das Gesetz mit uns verhandelbar ist. Wir müssen vielmehr die Verstöße deutlich aufzeigen und mit Maximalpositionen in die Gespräche mit dem Bund eintreten“, betonte die Christdemokratin. Kelber empfahl, Bonn solle sich vor allem auf seine Stärke besinnen und danach die Frage einer fairen Arbeitsteilung in Zukunft ausrichten. „Wir müssen deutlich machen, was wir für notwendig halten, um das, was wir schon haben, weiter zu stärken“, sagte er. Kelber hält es nach wie vor für sinnvoll, einen Staatsvertrag zwischen dem Bund, NRW und Rheinland-Pfalz sowie der Region abzuschließen.

Lambsdorff warnte davor, in die künftigen Gespräche mit der Bundesregierung „irgendein Haus“ zu benennen, auf das die Stadt verzichten könne. Vielmehr müsse Bundesbauministerin Barnara Hendricks Angebote „auf den Tisch legen“. Ins gleiche Horn stieß Dörner: „Wir müssen das verteidigen, was wir haben, und sollten keinen Zentimeter von unserer Position weichen“.

Kronenberg ließ nicht locker: „Es überrascht nicht, dass Sie in der Frage übereinstimmen. Trotzdem wissen wir, die Situation wird so nicht bleiben. Also, wohin geht die Reise?“. Unverzichtbar sind für alle vier Abgeordnete die Ministerien in Bonn. Vor allem die Häuser, die im engen Zusammenhang mit dem Profil Bonns als internationale UN-Stadt, als Stadt der Wissenschaft, Forschung und Nachhaltigkeit stehen. „Der Bund würde gegenüber der UN wortbrüchig, wenn er ihr in Bonn die Ansprechpartner in den Ministerien entzöge“, machte Lambsdorff deutlich.

Einmütig fiel die Reaktion des Podiums aus, als in der Fragerunde mit dem Publikum IHK-Geschäftsführer Hubertus Hille berichtete, die Vollversammlung der IHK glaube nicht, dass das Berlin/Bonn-Gesetz in Zukunft Bestand habe und sie deshalb eine Konzentration Bonns als Behördenstandort favorisiere. „Das wird in Bonn definitiv nicht funktionieren“, war sich Kelber mit seinen Kollegen einig.

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