Prozess im Bonner Landgericht Messerstecher laut Gutachten schuldunfähig

BONN · Der spektakuläre Fall eines 24 Jahre alten Asylbewerbers, der im vergangenen Jahr in einer Flüchtlingsunterkunft in Endenich einen Mitbewohner mit einem Messer verletzt hat und der anschließend von Polizeibeamten niedergeschossen wurde, beschäftigt demnächst das Landgericht.

 Der Mann (23) aus Guinea wurde vor Ort erstversorgt und dann mit einem Rettungstransportwagen in eine Klinik eingeliefert und behandelt - er befindet sich laut Polizei am Sonntagvormittag in einem stabilen Gesundheitszustand.

Der Mann (23) aus Guinea wurde vor Ort erstversorgt und dann mit einem Rettungstransportwagen in eine Klinik eingeliefert und behandelt - er befindet sich laut Polizei am Sonntagvormittag in einem stabilen Gesundheitszustand.

Wie Karen Essig, Sprecherin der Bonner Staatsanwaltschaft, mitteilte, soll in dem Prozess vor den Richtern der Dritten Großen Strafkammer geklärt werden, ob der aus dem westafrikanischen Guinea stammende Mann dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht werden muss.

Aufgrund eines vorläufigen Gutachtens geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass der 24-Jährige an einer „schweren psychischen Erkrankung“ leidet und daher nicht strafrechtlich wegen gefährlicher Körperverletzung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte belangt werden kann. „Es ist davon auszugehen, dass er im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt hat“, so Karen Essig.

Am Nachmittag des 1. August 2015 klopfte der offenbar an einer psychotischen Störung erkrankte Angeschuldigte laut Essig im Paulusheim an der Zimmertür eines Mitbewohners. Als der 27-Jährige öffnete, soll der psychisch kranke Mann das Opfer sofort mit zwei Messern angegriffen haben. Zu der Frage, ob es zwischen den Männern zuvor schon Streit gab, gibt es laut der Staatsanwältin „keine Erkenntnisse“.

24-jähriger verschanzt sich im Obergeschoss

Der Zeuge wurde dabei am rechten Unterarm und an einem Finger der linken Hand verletzt. Nur wenige Minuten nach dieser ersten Attacke soll der junge Flüchtling noch einmal vor dem Zimmer des 27-Jährigen erschienen sein und die verschlossene Tür eingetreten haben.

Als die alarmierte Polizei eintraf, hatte sich der 24-Jährige offenbar in einer Küche im zweiten Obergeschoss verschanzt. Daraufhin wurde ein Spezialeinsatzkommando (SEK) angefordert und es wurden Absperrungen errichtet. Nach dem Eintreffen der Spezialkräfte sprang der Flüchtling laut Polizei plötzlich aus einem Fenster im zweiten Stock. Anschließend soll er mit Messern in den Händen auf die Polizisten zugelaufen sein.

Laut Polizeibericht versuchten die Beamten zunächst, den psychisch Kranken durch den Einsatz von Pfefferspray zu stoppen. Dann fielen insgesamt acht Schüsse, so Essig. Der 24-Jährige wurde demnach sechs Mal ins rechte Bein, einmal in die rechte Schulter und einmal in die rechte Gesäßhälfte getroffen. Er wurde zunächst in die Uniklinik gebracht. Anschließend ging er auf freiwilliger Basis in eine Psychiatrie, wo er sich seitdem behandeln lässt.

Handeln die Polizisten in Notwehr?

Anderthalb Monate zuvor soll der Flüchtling bereits schon einmal mit der Polizei aneinander geraten sein: Laut Staatsanwaltschaft randalierte der junge Mann am 13. Juni am Bertha-von-Suttner-Platz. Nach zwei sich nähernden Polizisten soll der 24-Jährige getreten und versucht haben, ihnen Kopfstöße zu verpassen. Auf dem Weg zur Wache wurden die Beamten laut der Antragsschrift gebissen, getreten und gekratzt. Bislang hat sich der Angeschuldigte noch nicht zu den Vorfällen geäußert.

Die Ermittlungen gegen die drei Polizisten, aus deren Dienstwaffen die Schüsse abgegeben wurden, laufen laut Essig noch. Es wird weiterhin geprüft, ob sich die beiden Spezialeinsatzkräfte und einer der Bonner Beamten der Körperverletzung im Amt schuldig gemacht haben.

Die Aufklärung des genauen Ablaufs scheint schwierig zu sein: Fraglich ist wohl unter anderem, ob der 24-Jährige gezielt auf die Polizisten zugelaufen ist, um sie anzugreifen, und sie sich in Notwehr verteidigt mussten. Eine andere Möglichkeit wäre, dass im Rahmen einer so genannten „Nothilfe“ geschossen wurde, um den Flüchtling zu stoppen und daran zu hindern, andere Personen mit den Messern anzugreifen.

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