Fall mit 848 Beschwerden Mammutprozess in Bonn wegen verbotener Telefonwerbung

Bonn · Die Bundesnetzagentur hat 848 Beschwerden von Bürgern erhalten. Deren Inhalt: unerlaubte Telefonwerbung eines Energieanbieters. Das Bonner Amtsgericht ist bundesweit für die Bußgeldverfahren zuständig, nun steht ein Mammutprozess an.

 Großverfahren: Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann mit einigen der Akten.

Großverfahren: Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann mit einigen der Akten.

Foto: Rita Klein

Die Akten dieses neuen Bußgeldverfahrens füllen mehrere Regale im Amtsgericht. Der Inhalt: 848 Beschwerden von Bürgern aus ganz Deutschland an die in Bonn ansässige Bundesnetzagentur wegen unerlaubter Telefonwerbung gegen einen Energieanbieter. In zahlreichen Umzugskartons kamen die Akten im Gericht an – und stellen eine echte „Herausforderung“ dar, wie Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann sagt. Denn der Aufwand, den dieses Verfahren erfordert, ist immens.

Um das Problem zu verstehen, vor dem das Gericht nun steht, muss der Hintergrund erklärt werden, der den meisten Bürgern bekannt sein dürfte: Das Telefon klingelt und ein unbekannter Anrufer beginnt, für einen angeblich günstigeren Anbieter von Strom oder Telefon oder für ein sonstiges Produkt zu werben. Eine solche Telefonwerbung ist jedoch verboten, wenn der Anrufer nicht in einem Anruf zuvor die Erlaubnis für ein solches Werbegespräch eingeholt hat. Und jeder unerlaubt Angerufene kann bei der Bundesnetzagentur Beschwerde einreichen.

300.000 Euro Bußgeld

Nun ist es Sache der Netzagentur, den Beschwerden nachzugehen und zu prüfen, ob den Auftraggeber des Telefonwerbers – in dem nun bei Gericht anhängigen Fall das Energieunternehmen – ein Organisationsverschulden trifft, weil es die nötigen Aufsichts- und Kontrollmaßnahmen unterlassen hat, um unerlaubte Telefonwerbung zu verhindern. Um ein mögliches Verschulden festzustellen, sammelt die Netzagentur die Beschwerden, prüft sie und erlässt schließlich einen Bußgeldbescheid wegen einer Ordnungswidrigkeit gegen das nach ihrer Auffassung schuldige Unternehmen.

Im vorliegenden Fall beträgt die Höhe des Bußgeldes 300.000 Euro. Doch das Energieunternehmen legte Einspruch ein, und der Fall landet nun vor dem zuständigen Bonner Amtsgericht. Doch im Gegensatz zu normalen Ordnungswidrigkeitenverfahren (Owi) wie einem einfachen Verkehrsverstoß hat ein Richter es nun mit 848 Einzelfällen, sprich Zeugen, zu tun, die eigentlich alle gehört werden müssten, um die Sache zu klären. Und das, so erläutert Niepmann, sei natürlich nicht in den 39 Minuten zu schaffen, die einem Richter als bundesweite Vorgabe für ein Owi-Verfahren zugestanden werden. Hier steht vielmehr ein Mammutprozess an, dessen Ausmaß nicht absehbar ist.

„Weil dieses umfangreiche und schwierige Verfahren den Rahmen einer normalen Bußgeldabteilung sprengt, haben wir nun eine eigene Abteilung dafür eingerichtet“, sagt Niepmann. Das klingt vielversprechender, als es ist: Diese neue Abteilung besteht aus einem einzigen Richter, der nun dieses und mit Sicherheit noch weitere Verfahren bearbeiten muss, da das Bonner Amtsgericht als einziges bundesweit für diese Fälle zuständig ist. Ob der Richter für eine Entscheidung tatsächlich alle 848 Zeugen hören muss, muss laut Niepmann noch geklärt werden. Zwar wurden bereits einige Bußgeldverfahren wegen unerlaubter Telefonwerbung am Bonner Amtsgericht verhandelt, aber es gab noch keinen Fall von solchem Ausmaß.

Viel Arbeit für einen Richter

Und es gibt auch keinen Präzedenzfall: In den früheren Fällen kam es ohne Urteil zu einer Einigung – zum Bespiel durch Senkung des Bußgelds. „Das hat uns den Vorwurf eingebracht, nicht genug durchzugreifen“, sagt Niepmann. Wann das Großverfahren verhandelt wird, steht noch nicht fest. Aber, so die Direktorin: „Wir werden das schaffen. Aber dafür müssen wir Personal einsetzen, das in anderen Bereichen wie dem Strafrecht natürlich fehlt.“

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