Ausstellung in der Ermekeilkaserne Kunst und die Absurdität von Grenzen

Bonn · Der Verein "ML Moving Locations" zeigt in der Ermekeilkaserne die Arbeiten der japanischen Künstlerin Naho Kawabe. Die Vernissage beginnt am Samstag.

 Ein Schatten öffnet die Augen: Naho Kawabe (links) zeigt ihre Arbeit mit einer afrikanischen Fetischfigur. Christine Rühmann von Moving Locations kuratiert die Ausstellung zusammen mit der Künstlerin.

Ein Schatten öffnet die Augen: Naho Kawabe (links) zeigt ihre Arbeit mit einer afrikanischen Fetischfigur. Christine Rühmann von Moving Locations kuratiert die Ausstellung zusammen mit der Künstlerin.

Foto: Roland Kohls

Lateinamerika ist verschwunden, und Australien ist auf dem nächsten Bild auch nur als zarte Erscheinung wahrzunehmen. Die zehnteilige Fotoreihe, angeregt durch Grafiken aus einem Buch über die Verbreitung europäischer Vogelarten, zeigt sehr symptomatisch Naho Kawabes künstlerische und philosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen von Grenzen. "Als Japanerin kenne ich etwa staatliche Grenzen nicht. Unser Land wird von Wasser begrenzt, und als ich zum ersten Mal die Berliner Mauer sah, war ich auf eine interessante Art überrascht", erzählt die Künstlerin, die ihre Werke ab Samstag im Haus 1 der Ermekeilstraße zeigt.

Seit ihrer Konfrontation mit der massiven Betonmauer, die ein Volk trennte, beschäftigt sie sich mit Grenzverschiebungen, mit Grenzüberschreitungen. Die Welt von außen und mit den Augen eines Forschers betrachtet, der sich ebenso wenig um staatliche Grenzen schert wie die Vogelschwärme, zeigt am Beispiel der grafischen Darstellung von Vogelarten die Absurdität von menschlich geschaffenen Grenzen.

In 16 weiteren Arbeiten hat die Künstlerin, die am Donnerstag ihren 40. Geburtstag feierte, die Routen von Zugvögeln als farbige schwungvolle Schleifen als Papierschnitte herausgearbeitet und übereinander gelegt. Dasselbe Verfahren wendete sie mit den geografischen Grenzen Afrikas an: Teilweise absurd geometrische Grenzverläufe, einst von Kolonialmächten am Kartentisch mit dem Lineal gezogen, bekommen eine ironisch künstlerische neue Qualität.

Ironie als Teil der künstlerischen Auseinandersetzung

Überhaupt ist die Ironie Teil der künstlerischen Auseinandersetzung von Naho Kawabe, die seit 15 Jahren in Hamburg lebt. Zum Beispiel "Why Am I Here?" Die zweiteilige Installation besteht aus einer alten afrikanischen Holzfigur, die wahrscheinlich einst ein Seemann von einer Reise mit nach Hamburg gebracht hatte. Die Nägel im geöffneten Rücken lassen vermuten, dass die Figur ursprünglich mal eine magische Bedeutung hatte.

In einem Lichtstrahl ist an der Wand der Schatten der Plastik auszumachen. Doch irgendetwas irritiert. Wieso bewegt sich das Baströckchen des Schattens wie im Wind, während die Figur völlig statisch dasteht? Und plötzlich öffnet der Schatten wie ein Scherenschnitt die Augen, bewegt und rollt sie - und schließt sie wieder. "Diese Figur hat mich schon auf vielen Reisen begleitet", erklärt die Künstlerin schmunzelnd. Es ist ein Spiel mit den Grenzen der Wahrnehmung.

Genau wie in einem anderen Raum, wo gut 80 kleine unterschiedlich große Kugeln aus verschiedenen Materialien an unsichtbaren Fäden scheinbar chaotisch im Raum hängen. Von der Seite sehen sie aus wie eine Momentaufnahme einer Planetenkonstellation oder eines Meteoritenschwarms - nur dass der Schatten der Kugeln den Satz "Einer muss wach sein" auf der Wand bilden.

Der Satz aus der Parabel "Nachts" von Franz Kafka kann für diese spannende Ausstellung - eine Initiative des Vereins "ML Moving Locations" der Künstler Christine Rühmann und Sjaak Beemsterboer - gar nicht besser ausgesucht sein. Man muss schon sehr wach sein, um die vielen Schichten und zarten, geheimnisvollen Zeichen in Naho Kawabes Kunst zu entdecken.

Die Vernissage beginnt am Samstag, 16. Januar, um 19 Uhr in der Ermekeilkaserne. Die Einführung spricht der Hamburger Kunsthistoriker Claus Mewes. Besucher müssen ihren Personalausweis mitbringen.

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