Klagen über Grünschnitt Kritik an kahlen Friedhöfen in Bonn

Bonn · Als "Kahlschlag" bezeichnen Friedhofsbesucher die Grünpflege auf den Bonner Friedhöfen. Dort haben Mitarbeiter des Amts für Stadtgrün im Rahmen der Frühjahrsarbeiten wieder viele Hecken auf Stock gesetzt oder sie ganz entfernt.

 Auch auf dem Poppelsdorfer Friedhof hat es sich ausgeheckt: Die grünen Garanten für Sichtschutz haben die Gärtner auf Stock gesetzt.

Auch auf dem Poppelsdorfer Friedhof hat es sich ausgeheckt: Die grünen Garanten für Sichtschutz haben die Gärtner auf Stock gesetzt.

Foto: Benjamin Westhoff

Immer wieder ärgern sich Friedhofsbesucher, wenn sie im Frühjahr die Gräber ihrer Angehörigen pflegen und es rundherum aussieht wie nach einem Kahlschlag. So beklagte kürzlich der Plittersdorfer Hans-Reimar Mutius im Bürgerausschuss, dass auf dem Südfriedhof die Büsche und Sträucher radikal gekappt worden seien – der Fachmann spricht von „auf Stock setzen“. Andere Büsche seien sogar komplett entfernt worden, ohne dass Ersatz gepflanzt wurde. Während die Stadt diese Vorgehensweise unter anderem mit dem Argument verteidigt, der Rückschnitt erhöhe das Sicherheitsgefühl der Besucher, beklagt Mutius, das sei klimatologisch nicht sinnvoll und widerspreche dem Friedhofskonzept.

Danach sind Friedhöfe „wesentlicher Bestandteil der Stadt- und Raumplanung, weil sie für die Umwelt einen innerörtlich wichtigen ökologischen und klimatologischen Beitrag leisten“. Doch wo einst Büsche standen, wächst jetzt oftmals nur Gras. Dabei hätten diese Büsche eine wichtige ökologische Bedeutung, böten sie doch nicht zuletzt Igeln einen Schutzraum. Die Rodungen schädigten insgesamt Flora und Fauna, sagt Mutius und verweist unter anderem auf das Bienensterben: „Auf zahlreichen Friedhöfen werden Hecken rabiat abgeholzt und durch Rasen ersetzt, vorhandene Jahrzehnte alte Buschgruppen werden großflächig und vollständig abgesägt.“

Der von vielen Besuchern geschätzte Parkcharakter werde damit weitgehend zerstört und verschandelt, und die Friedhöfe erhielten allmählich „die Anmutung eines Großparkplatzes beim Baumarkt“. Die langanhaltende Hitze- und Dürreperiode in Bonn im vorigen Jahr, die durch den Klimawandel in Zukunft immer häufiger zu erwarten seien, habe dazu geführt, dass immer mehr Menschen die Friedhöfe als Klimainseln schätzen gelernt hätten. „Diese wichtige klimatologische Funktion wird durch die derzeitige Politik von Stadtgrün zerstört“, ist der Plittersdorfer überzeugt.

Zutiefst betroffen

Das befürchtet auch GA-Leserin Kornelia Völker: „Meine Besuche auf dem Bonner Zentralfriedhof wie auch auf dem Südfriedhof haben mich zutiefst betroffen gemacht. In Kahlschlagmanier sind dort wirklich sämtliche Büsche und Hecken vollständig bis auf Schuhhöhe heruntergeschnitten worden. Übrig geblieben sind kahle Rasenflächen“, schildert sie ihre Eindrücke.

Jörg Baur vom Amt für Stadtgrün erklärt auf GA-Nachfrage, das neue Friedhofskonzept, das bisher in einer ersten Lesung von der Politik beraten worden ist, sehe durchaus vor, die Friedhöfe in Zukunft stärker ökologisch auszurichten. „Allerdings ist neben der viel diskutierten und in der Fachwelt nicht immer gleich interpretierten ökologischen Ausrichtung der innerstädtischen Grünflächen auch der Aspekt einer wirtschaftlichen effizienten Grünpflege zu berücksichtigen.“ Laut Baur erfolge die Friedhofsgrünpflege grundsätzlich nach „guter fachlicher Praxis“. In diesem Sinne würden unter anderem Gehölzbestände „auf den Stock gesetzt“, dies sei eine fachliche Gehölzpflege zur Vermeidung von Überalterung. Hohe Hecken würden teilweise zur Vermeidung von Angsträumen abgesetzt beziehungsweise entfernt. „Dies entspricht dem Wunsch von vielen Friedhofsbesuchern. Diese bedanken sich ausdrücklich für die geschaffene Übersichtlichkeit auf den Friedhöfen“, betont Baur.

Ruth Bergmann bevorzugt die niedrigen Hecken, weil die Anlage dadurch übersichtlicher sei. „Man fühlt sich einfach sicherer“, argumentiert die 70-Jährige. Gut findet sie die Blumenwiesen, die nicht nur den Bienen Lebensraum böten, sondern auch eine Augenweide für die Friedhofsbesucher seien.

Vorteile der tieferen Hecke

Brigitte Helmann (50) ist ebenfalls von den Vorteilen der tieferen Hecke überzeugt. Vor allem am Urnenhain des Poppelsdorfer Friedhofs habe sie sich wegen der hohen Hecken unwohl gefühlt. Die neue Schnitthöhe mache den Besuch auf dem Friedhof angenehmer und lade auch zum Verweilen ein. „Ich finde es nur schade, dass es so wenig Bänke gibt“, sagt sie.

„Es geht doch nur darum, Kosten zu sparen“, meint dagegen Dieter Herzig. Zwar findet auch er die niedrigen Hecken schöner, bezweifelt aber, dass die Rodungen aus sicherheitstechnischen oder pflegerischen Gründen nötig sind. Wenn die Hecken niedriger sind, muss man sie nicht mehr von der Leiter aus schneiden und Blumen müssen weniger gemäht werden. Ähnliche Gründe vermutet auch Frederike Halfen. Der Friedhof sollte ihrer Meinung nach so viel Grünfläche wie möglich bieten. Jeder abgeschnittene Zentimeter der Hecken sei daher ein Verlust für die Umwelt, findet sie. Sicherer fühle sie sich durch übersichtlicheren Heckenschnitt auch nicht. „Wenn jemand die alten Damen überfallen möchte, versteckt er sich jetzt hinter einem Grabstein“, meint sie.

Unterm Strich fühlen sich die meisten Friedhofsbesucher, die der General-Anzeiger vor Ort befragte, durch die Heckenrodungen auf den Friedhöfen wohler. Viele wünschen sich, dass auch Radfahren künftig auf Friedhöfen erlaubt werde. Zudem sollen nicht mehr genutzte Grabstätten mit Grün bepflanzt werden.

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