Islamunterricht in Bonn Kritik an Einfluss der Ditib

Bonn · An elf Bonner Schulen wird derzeit Islamischer Religionsunterricht (IRU) als reguläres Schulfach unterrichtet. Politiker sind besorgt über die Mitbestimmung bei der Lehrerauswahl für das Fach.

Wie Dirk Schneemann von der Pressestelle der Bezirksregierung Köln berichtet, bieten neben sechs Grundschulen derzeit die Johannes-Rau-Hauptschule im Pennenfeld, die Karl-Simrock-Hauptschule in Endnich, die Realschule Beuel, die Freiherr-vom-Stein-Realschule in Tannenbusch und die Elisabeth-Selbert-Gesamtschule in Bad Godesberg das Fach an.

Angesichts der jüngsten Entwicklungen nach dem Putschversuch in der Türkei gibt es auch in Bonn unterschiedliche Meinungen darüber, welchen Einfluss der wegen seiner starken Abhängigkeit vom türkischen Staat schon länger in der Kritik stehende Dachverband türkischer Moscheegemeinden in Deutschland (Ditib) auf die Auswahl der Lehrer nehmen darf.

„Präsident Erdogan zwingt uns mit seinem Verhalten, schneller zu denken“, sagt die Bonner Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel (CDU). Die Grundsatzfrage stelle sich indessen schon länger, ob ein fremder Staat in Deutschland Hunderte Imame finanzieren und über die Ditib Einfluss auf die Lehrerauswahl an staatlichen Schulen nehmen solle.

Vorschlag zur Ausbildung an deutschen Unis

Ein Vertreter der Ditib sitzt in Nordrhein-Westfalen im achtköpfigen Beirat aus Muslimen, der über die Lehrbefugnis islamischer Religionslehrer mit entscheidet. „Bei einem Verband, der als verlängerter Arm des staatlichen Präsidiums für Religionsangelegenheiten funktioniert und damit direkt dem türkischen Präsidenten untersteht, können wir das nicht akzeptieren“, findet Lücking-Michel. Nach der Sommerpause will sie die Frage in der CDU-Landesgruppe zum Thema machen. Islamischen Religionsunterricht an staatlichen Schulen als solchen befürwortet sie dagegen ausdrücklich.

Auch die SPD-Landtagsabgeordnete Renate Hendricks mahnt Veränderungen an: „Perspektivisch ist es aus meiner Sicht geboten, die Ausbildung von islamischen Religionslehrerinnen und -lehrern sowie von Imamen in Deutschland an deutschen Universitäten vorzunehmen.“

Vor Ort gebe es mit Vertretern der Ditib keine Probleme, erklärte die städtische Integrationsbeauftragte Coletta Manemann. „Wir haben eine gute Zusammenarbeit mit beiden Ditib-Moscheegemeinden“, sagt Manemann. Nach den Sommerferien wolle sie aber das Gespräch suchen. „Auch nach dem Putschversuch in der Türkei muss klar sein, dass Politik in der Moschee nichts zu suchen hat.“

Religionslehrer mit unzureichenden Deutschkenntnissen

Auch Bernd Ridwan Bauknecht kann eine Einflussnahme der Ditib auf den Islamischen Religionsunterricht nicht erkennen. Bauknecht unterrichtet das neue Fach seit 2012 an der Elisabeth-Selbert-Gesamtschule. Vorher habe er sich wie vorgeschrieben auch den Fragen des landesweiten Beirats gestellt. Ein paar kritische Nachfragen habe es gegeben, aber auf seinen Unterricht habe niemand Einfluss genommen.

Viel gravierender sei, dass das Land händeringend nach Lehrkräften suche und dass auch viele Sprachlehrer für Türkisch oder Arabisch ohne entsprechende religionspädagogische Kompetenz und oft nur mit geringen Deutschkenntnissen für den Unterricht abgeordnet würden. Bis zu 75 Prozent ihres Stundensolls könnten sie ohne die geforderten Qualifikationen unterrichten. Nur heißt das dann nicht Islamischer Religionsunterricht, sondern Islamkunde.

In den Ditib-Gemeinden in Bad Godesberg und am Hochstadenring war urlaubsbedingt kein Vertreter erreichbar. Nachdem der Rat der Muslime in Bonn seine Tätigkeit de facto eingestellt hat, gibt es in der Stadt keine Organisation, die zentral für die rund 30 000 Muslime in Bonn sprechen könnte. In der Kölner Ditib-Zentrale äußert Murat Kayman, Syndikusanwalt und Koordinator der Landesverbände, Unverständnis über die bundesweit geäußerte Kritik. „Die Kriterien unserer Zusammenarbeit mit der türkischen Religionsbehörde sind absolut transparent. In allen Kommunen, in den Ländern und im Bund gelten wir als vertrauenswürdige, als verlässliche und konstruktiv sich für das gesellschaftliche Zusammenleben in Deutschland engagierende Religionsgemeinschaft“, sagte er dem GA.

Auf seiner Homepage schreibt der Ditib-Funktionär, all jene, die mit der Ditib „Erdogan im Klassenzimmer“ wähnten, seien „nichts anderes als Vorreiter der AfD-isierung der deutschen Politik. Sie sind die Stimmungsmacher einer Gesellschaft, die in weiten Teilen gegenwärtig dazu bereit ist, mit Mistgabel und Fackel jedem hinterherzurennen, der Muslime zum Feindbild markiert.“

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