Im Gespräch Kommunikation zwischen Bürgern und Politik in Bonn fehlgeschlagen

Bonn · Für Bonns Bürgermeisterin Gabriele Klingmüller stimmt in der Kommunikation zwischen Politik und Bürgerschaft etwas nicht. Im Interview spricht sie über die Situation nach dem Bürgerentscheid über das neue Schwimmbad.

 Bürgermeisterin Gabriele Klingmüller.

Bürgermeisterin Gabriele Klingmüller.

Foto: Roland Kohls

Frau Klingmüller, was ist da vor gut einer Woche passiert im Spannungsfeld zwischen Kommunalpolitik und Bürgerbeteiligung? War es ein positives Beispiel für direkte Demokratie oder eher etwas, das kontraproduktiv in die Stadt hineinwirkt?

Gabriele Klingmüller: Es ist offenbar der Bedarf zur direkten Mitwirkung da gewesen. Ich hielte es für falsch, das nun als positiv oder negativ zu bewerten. Ich würde vielmehr fragen: Warum gab es diesen Bedarf? Wenn zu einem Themenkomplex zwei Bürgerentscheide durchgeführt werden, finde ich das schon sehr aufwendig. Für mich ist das ein Hinweis darauf, dass irgendetwas in der Kommunikation zwischen Politik und Bürgerschaft nicht gut gelaufen ist.

Parteien wirken bei der politischen Willensbildung mit, heißt es im Grundgesetz, wenngleich es in der Realität oft anders aussieht. In jedem Fall sollte man von politischen Parteien erwarten können, ihr Ohr an der Basis zu haben und politische Interessen bündeln zu können. Das scheint in diesem Falle nicht gut funktioniert zu haben....

Klingmüller: Genau. Ich glaube, dass das immer wieder mal nicht funktioniert, und die repräsentative Demokratie durchaus an ihre Grenze stößt, wenn Bürgerinnen und Bürger sich nicht mitgenommen fühlen und unzufrieden sind. Um das zu verbessern und die demokratischen Verfahrensweisen zu erweitern, gibt es ja gerade das Instrument der Bürgerbeteiligung in verschiedenen Formen.

Mit dem Ziel der Konsensfindung. Das aber wurde nicht erreicht.

Klingmüller: Als beim ersten Bürgerentscheid deutlich wurde, dass es hier eine große Gegnerschaft gegen den Badneubau gibt, hätte man sich zusammensetzen sollen, um nach anderen Lösungen zu suchen. Stattdessen hat man einfach weitergemacht mit dem Ergebnis, dass beim zweiten Entscheid der Ausdruck von Unzufriedenheit noch stärker zum Ausdruck kam.

Verstehe ich Sie richtig, dass Sie das Instrument des Bürgerentscheids als solches durchaus unterstützen?

Klingmüller: Ja! Es gibt Situationen, in denen man sich als Bürgerin oder Bürger nur durch Bürgerbegehren oder -entscheid zu helfen weiß. Insofern muss es das geben. Ich bin aber auch eine Verfechterin der beratenden Bürgerbeteiligung, bei der im Vorfeld einer Entscheidung mit den Bürgerinnen und Bürgern gesprochen und diskutiert wird und man auch ihr Fachwissen nutzt, um dann zu einem Entschluss zu gelangen, der möglichst konsensfähig ist. Im Idealfall hätte man sich den Aufwand zumindest des zweiten Bürgerentscheids sparen können.

Wie hätte man es besser gemacht?

Klingmüller: Indem man beispielsweise alle Gruppen an einen Tisch geholt hätte. Es gibt so viele Verfahren, bei denen man kompliziert gelagerte, auseinanderstrebende Interessenlagen darstellen und Gemeinsamkeiten herausarbeiten kann. Dazu muss man allerdings auch bereit sein.

Im anderen Extremfall könnte die Gefahr heraufziehen, dass sich die Konfrontation von Rat und außerparlamentarischen Initiativen dauerhaft implementiert – und das mitnichten immer zugunsten der gewählten Repräsentanten...

Klingmüller: Ich sehe zunächst einmal, dass es immer wieder starke Bürgerinteressen gibt, die gehört werden wollen. Darauf müssen wir eingehen, denn ansonsten ist Politikverdrossenheit programmiert, die sich gegen „die da oben“ stellt. Ich bin überzeugt, dass Elemente konsultativer oder direkter Demokratie die repräsentativen Formen ergänzen und verbessern können und auf diese Weise ihre Akzeptanz stärken.

Das hat beim Viktoriakarree aber auch nicht funktioniert.

Klingmüller: Dort hatte man ja zu einem Konsens gefunden, von dem sich dann aber im Rat wieder einige Parteien verabschiedet haben. Das war ein Signal gegen Bürgerbeteiligung, und jetzt dümpelt die weitere Entwicklung im Viktoriakarree vor sich hin. Hier lag das Defizit somit nicht in der Bürgerbeteiligung, sondern im Umgang mit ihren Ergebnissen.

Es gibt ja noch andere Formen der Bürgerbeteiligung, etwa in Gestalt von Onlineportalen wie „Bonn packt's an“. Hier allerdings ging die Beteiligung nach kurzer Zeit stark zurück. Woran liegt das?

Klingmüller: Bei den Beteiligungen zum Haushalt haben wir bisher verschiedene Formen erprobt. Ziel ist es ja, den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit zu geben, realistische und umsetzbare Vorschläge zum Haushalt einzubringen, um nicht am Ende zu sagen: Das geht nicht. Ich denke, dass es wert ist, Bürgerbeteiligung am Haushalt weiter zu ermöglichen. Bei Themen wie einem Schwimmbad oder einem Bebauungsplan ist das Engagement naturgemäß schon deshalb höher, weil mehr Menschen unmittelbar betroffen sind.

Bürgerbeteiligung ist nichts Neues, es gibt sie beispielsweise in Form von Bürgeranträgen. Ist dieses Instrument noch zeitgemäß?

Klingmüller: Ich halte das für ein ganz wichtiges Mittel. Bevor sich jemand mit seinen Interessen oder Anregungen nicht wahrgenommen fühlt, sollte er sein Anliegen vortragen können, damit darüber beraten wird. In vielen Fällen sind Bürgeranträge erfolgreich. Ich bin fest überzeugt, dass wir dieses Instrument brauchen. Erstaunlich ist, dass viele Menschen von dieser Möglichkeit gar nichts wissen.

Auch in der Bauleitplanung ist Bürgerbeteiligung gesetzlich vorgeschrieben. Hier entsteht oft der Eindruck, dass die Eingaben der Bürger mit Standardsätzen abgebügelt werden. Wie sehen Sie das?

Klingmüller: Das fällt mir zuweilen auch auf. Hier gibt es jedoch inzwischen Instrumente, die der gesetzlichen festgelegten Bürgerbeteiligung vorgeschaltet sind. Beispielsweise haben wir uns über die Leitlinien Bürgerbeteiligung Bonn zur Einrichtung einer Vorhabenliste entschlossen, in der Projekte der Bauleitplanung auftauchen. Hier ist dann zu überlegen, ob die gesetzliche Bürgerbeteiligung ausreicht. Wenn wir den Eindruck haben, dass ein Thema starke Kontroversen birgt, kann ein komplexes und breiteres Beteiligungsverfahren vorgeschaltet werden. Mit der Vorhabenliste soll verhindert werden, dass die Bürger nicht erst von Projekten erfahren, wenn es eigentlich schon zu spät ist und schon Beschlüsse bestehen.

Zurück zum jüngsten Bürgerentscheid. Was müssen Parteien und Fraktionen anders machen?

Klingmüller: Kommunalpolitiker müssen engen Kontakt zu den Menschen in ihrem Wahlkreis und an der Basis halten, um die Probleme und Vorstellungen der Bürgerinnen und Bürger besser einschätzen zu können. Das ist dann auch eine Form der Bürgerbeteiligung und Grundlage sachgerechter und konsensfähiger Entscheidungen.

Es kann nun kaum die Lösung sein, dass einem Bürgerentscheid als Antwort der nächste folgt. Was muss jetzt in Bonn passieren?

Klingmüller: Absolut richtig, ein Bürgerentscheid darf nur das letzte Mittel sein. Das Wichtigste bei kontroversen Fragestellungen wie dem Bäderkonzept ist, sich zusammenzusetzen und einander zuzuhören, um einen möglichst breiten Konsens zu finden. Ein solcher Beteiligungsprozess muss den Qualitätskriterien für Bürgerbeteiligung in Bonn genügen und u.a. ergebnisoffen, transparent und fair ablaufen.

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