Ein Heidenspaß in heiligen Hallen Komödie "Millennium Domum" im Bonner Münster

Bonn · Die Theaterkomödie "Millennium Domum" über den Bau des Bonner Münster von Jürgen Nimptsch erntet Lob und verbindet die Geschichte des historischen Kirchenbaus mit Spitzen über Bauskandale der jüngeren Vergangenheit.

 Eine neue Kirche muss her, damit die Pilgerströme nicht versiegen. Die Handwerker freuen sich.

Eine neue Kirche muss her, damit die Pilgerströme nicht versiegen. Die Handwerker freuen sich.

Foto: Martin Wein

Stadtdechant Wilfried Schumacher reibt sich die Hände. „Eine Kirche voll wie an Weihnachten“, ruft er am Samstagmittag zur Premiereneröffnung von „Millennium Domum“ ins voll besetzte Hauptschiff des Bonner Münsters. Die zahlenden Gäste bringen wie einst die Pilger ordentlich Spendengeld für die Kirchensanierung ins Haus. Während der Aufführung darf Schumacher dann sogar noch in Rolle und roten Talar des Kölner Erzbischofs schlüpfen. Was will man mehr?

Die Kirchenleitung hat die seltene Gelegenheit der großen Sanierung genutzt, um das Gotteshaus ein Wochenende lang dem rheinischen Frohsinn zu öffnen. Tatsächlich haben alle Beteiligten bei den vier Aufführungen auf den bunt illuminierten Altarstufen und in den Zuschauerreihen das, was man in anderem Zusammenhang wohl einen Heidenspaß nennen würde. Schließlich zünden Ex-OB Jürgen Nimptsch als Autor und Boulevard-Regisseur Lajos Wenzel mit ihrer Nummern-Komödie vor einmaliger Kulisse ein schillerndes Knallbonbon liebevoller Selbstironie. Die Baugeschichte des überraschend groß geratenen Münsters bietet Nimptsch viel Anlass zum Kalauern. Den neuen Dompropst Gerhard von Are (Manfred Erwe) lässt er im nächtlichen Strohbett genüsslich von Frauen träumen.

Mehr Frauenpower in der Kirche

Die abgesetzten keltischen Matronen (Gisela Luginsland, Margie Kinsky, Anne Mittrich und Marion Leyer) kehren zurück, um mit der Heiligen Helena für mehr Frauenpower in der Kirche zu sorgen. „Wir haben 1000 Jahre lang den Dienstweg eingehalten“, echauffiert sich am Morgen danach Gerhards Widersacher Scheng Hillig (Andreas Etienne), als Gerhard am Erzbischof vorbei in Sachen Helena und Kirchenneubau in Rom vorspricht. Staunend muss er mit ansehen, wie in wechselnder Besetzung Norbert Alich und Konrad Beikircher als päpstlicher Legat von Engeln getragen und mit Tomatensaft verwöhnt mit der positiven Antwort am Rhein einschwebt. Alle Wege führten schließlich – nicht nur zur Weltklimakonferenz – nach Bonn.

Besonders hervor sticht im hochkarätig besetzten Ensemble Nimptsch selbst, der mit ausladendem Gestus und gespieltem Erstaunen als Gerhards rechte Hand das Bühnengeschehen vorantreibt. Ihm bleibt es auch überlassen, der wachsenden Stadt um das Münster die Abkürzung WCCB(E) in gestammeltem Küchenlatein als Segensformel anzudienen, wobei das E für ein gutes Ende der unguten Geschichte stehe.

Edelkitsch

Wenzel nutzt das vorhandene Personal, um die Bühne – begleitet vom großen Orchester der Beethoven Musikschule im Hintergrund – genussvoll mit reichlich Edelkitsch zu füllen. Ein Chor weiß beflügelter Engel singt Gerhard mit neuem Text das Wiegenlied von Heinz Rühmann. Die Stiftsbrüder unter Leitung von Markus Karas stimmen trotz des Baustellenlärms ein Halleluja an. Die Handwerker freuen sich angesichts des anstehenden Großauftrags anno 1050 auf eine „superjeile Zick“, und ihre Lehrlinge (Tanzschule Lepehne-Herbst) wirbeln tanzend Staub auf. Die Bürger schließlich hoffen – „ein Prost auf den Propst“ – auf eine saftige Reliquien-Rendite. Und als die Steine auszugehen drohen, wird eben doch ein Deal mit dem Kölner Erzbischof Rainald von Dassel geschlossen und der Drachenfels angegraben.

Der Historie sollte man nur näherungsweise trauen. Trotzdem gilt ohne Einschränkung: Wer sich das lustvolle Spektakel in den heiligen Hallen des Bonner Münsters hat entgehen lassen, der hat etwas verpasst. „Und jetzt: Singen!“, ordert der Propst nach jedem Akt – fast wie im Karneval. Der steht schließlich wieder unmittelbar bevor.

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