Universitätsbibliothek in Bonn Klanginstallation stößt auf unterschiedliches Echo

BONN · Zu hören ist immer etwas, aber der Ton hat sich verändert. Zwar war es nie leise, wenn Alice Rabeler das Fenster ihres Büros in der Bonner Universitätsbibliothek an der Adenauerallee öffnete. "Doch jetzt hebt sich gegen den nervigen Verkehrslärm ein ganz besonderer Klang ab", beschreibt die stellvertretende Direktorin.

 Zwei große Hornlautsprecher aus Holz bilden das Zentrum der Klanginstallation auf der Wiese vor der Uni-Bibliothek. Dazwischen sind Metallhörner platziert, die in alle Richtungen klingen.

Zwei große Hornlautsprecher aus Holz bilden das Zentrum der Klanginstallation auf der Wiese vor der Uni-Bibliothek. Dazwischen sind Metallhörner platziert, die in alle Richtungen klingen.

Foto: Meike Boeschemeyer

Vom Vorplatz sind ungewöhnliche Töne zu hören: Unter dem Titel "Schwingungen - Schwebungen" hat Edwin van der Heide dort ein einzigartiges Klangprojekt installiert. Dabei werden per Luft weiche Töne erzeugt. Zu hören sind die Klanginstallationen täglich von 12 bis 20 Uhr.

Nach Ansicht von Rabeler passt nicht nur das bewegte Klangbild besonders gut an diesen Ort. "Auch die großen geometrischen Formen ergänzen die Architektur des Gebäudes. Optisch passen sie wirklich gut." Mittlerweile würden auch viele Fußgänger vorbeikommen. "Kinder haben besonders viel Spaß. Wir beobachten immer wieder, wie sie umher flitzen, um zu sehen, wie die Töne entstehen."

Skeptisch seien zwar einige gewesen, weil sie befürchteten, dass der Ablauf in einer ruhigen Bibliothek gestört werden könnte. Auch der Klang, der nicht melodisch ist, sei nicht jedermanns Sache, "aber mittlerweile haben sich alle daran gewöhnt. Es ist weder störend, noch fremd". Die Direktorin freut sich schon darauf, wenn die Studenten im Sommer wieder auf der Wiese sitzen. "Dann wird die Klanginstallation noch einmal eine ganz andere Bedeutung haben."

Eckhard Lisec kann dem Kunstprojekt nichts Positives abgewinnen. "Wie kann man eine Grünfläche nur so verunstalten?", sagt der Hobby-Historiker mit Blick auf die verschiedenen Bauteile. Längst aus dem Studentenalter heraus, kommt Lisec dennoch regelmäßig, um sich Bücher über das Osmanische Reich auszuleihen. "Die vielen Grünflächen machen Bonn doch erst zu dieser lebenswerten Stadt. Deshalb sollte man behutsam damit umgehen und sie nicht zubauen", findet der Beueler.

Gesine Ruck und Stephanie Meich waren schon lange nicht mehr in der "Bib". Aber jetzt steht die Physikklausur an. "Und dafür müssen wir was tun", erzählen die beiden Studentinnen, die mit einer Mischung aus Verwunderung und Skepsis an der Wiese stehen. Zum ersten Mal betrachten sie die Klanginstallation. Gehört haben sie bisher noch nichts. Im Gegenteil. "Da sich bei mir derzeit alles um Physik dreht, dachte ich, dass es sich um ein naturwissenschaftliches Projekt handelt", meint die 23-Jährige Gesine Ruck und lacht.

Der Stadtklangkünstler

Die Beethovenstiftung für Kunst und Kultur holt im Rahmen des international einmaligen Projekts "bonn hoeren" seit 2010 jedes Jahr einen renommierten Klangkünstler nach Bonn. Seit diesem Jahr ist die damit verbundene Projektresidenz hauptsächlich für die Entwicklung und Realisierung einer neuen Klanginstallation in der Stadt geplant.

Stadtklangkünstler 2015 ist der Niederländer Edwin van der Heide. 1970 in Hilversum geboren, lebt und arbeitet er in Rotterdam. Er zählt zu den international renommiertesten Klangkünstlern. Seine Vorgänger als Stadtklangkünstler waren Stefan Rummel (2014), Christina Kubisch (2013), Andreas Oldörp (2012), Erwin Stache (2011) und Sam Auinger.

Schwingungen - Schwebungen

Im Zentrum der Arbeit von Edwin van der Heide steht die Verknüpfung des Kulturortes Universität und der Stadt Bonn. Dazu hat der Niederländer für den Vorplatz der Uni-Bibliothek eine Klanginstallation entwickelt, die das Gebäude auf besondere Art und Weise mit der urbanen Umgebung verbindet. "Schwingungen - Schwebungen" fügt dem visuellen Wechselspiel zwischen Bibliotheksgebäude und der davor liegenden Rasenfläche eine klangliche Komponente hinzu.

Ungewöhnlich ist dabei die Klangerzeugung: Van der Heide benutzt Druckluft und pneumatische Ventile als Impulsgeber für speziell entwickelte Lautsprecher. An den Rändern der Rasenfläche positionierte er zwei große Hornlautsprecher aus Holz, dazwischen stehen doppeltellerförmige Metallhörner über das Feld verteilt, die in alle Richtungen klingen.

Zu hören sind weich klingende Töne im mittleren und unteren Frequenzbereich. Diese Raumkomposition, die mit der Überlagerung der unterschiedlichen Klänge arbeitet, lässt räumlich bewegte Schwebungen entstehen, die sich von ihren eigentlichen Schallquellen zu lösen scheinen.

"Schwingungen - Schwebungen" bringt eine mehr haptisch-räumliche Klangwahrnehmung ins Spiel, in der der Ursprungsort der Klänge nicht mehr zentral ist.

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