In der Schuldenfalle, Teil 11 Kürzungen gehen an die Existenz freier Kultur-Einrichtungen

BONN · Mit rund 2,2 Millionen Euro fördert die Stadt Bonn jährlich die sogenannte freie Kultur. Laut Haushaltsplan wurden 2011 genau 2.140.343 ausbezahlt, also 83.457 Euro weniger als ursprünglich angesetzt. "Der Haushaltsplan legt ja lediglich die Deckelung einer Förderung fest. Was ich tatsächlich ausbezahle, hängt von der Prüfung im Einzelfall ab", sagt Kulturamtschef Hans-Jakob Heuser.

Was ist überhaupt "freie Kultur"? Gisela Mengelberg, kulturpolitische Sprecherin der Grünen, fällt es auch nicht leicht, das zu definieren: "Kurz gefasst, sind das private Kultureinrichtungen." Und dazu gehört etwa die Gedenkstätte Bonn, die ab 2013 3000 Euro mehr bekommt (174.400 Euro), das Frauenmuseum, das seit diesem Jahr mit einem Drittel weniger auskommen muss (120.000 Euro) und der Bonner Kunstverein (170.000 Euro).

Zur freien Kultur gehören auch das Contra-Kreis-Theater (100.000 Euro) und die Klassische Philharmonie unter der Leitung von Heribert Beissel (40.000 Euro). Zuwendungen aus dieser "Produktgruppe" bekommen auch das Kulturzentrum Hardtberg (22.700 Euro) und das Schumann Fest (35.000 Euro).

Einen finanziellen Einschnitt mussten die Freien Träger im vergangenen Jahr hinnehmen, weil der Rat eine Kürzung von 250.000 Euro beschlossen hatte. Das Kleine Theater in Bad Godesberg etwa erhält seitdem einen städtischen Zuschuss von 80.000 statt zuvor 100.000 Euro. "Für uns geht es bei kleinsten Kürzungen gleich ganz nah an die Existenz", sagt Theaterchef Walter Ullrich. 80.000 machen nicht mal zehn prozent des Gesamtbudgets aus. Umgerechnet bedeute das, dass jedes Ticket von der Stadt mit 1,50 Euro bezuschusst wird. 1978 hatte das Theater das Haus, das der Stadt gehört, für eine halbe Million Euro instand gesetzt. Dafür darf es die Immobilie bis 2019 mietfrei nutzen.

Das Junge Theater (JTB) in Beuel bekommt jährlich 145.000 Euro. "85 Prozent unseres Etats erwirtschaften wir selbst", erklärt Theaterintendant Moritz Seibert. Das JTB gilt als das bestbesuchteste Jugendtheater in Deutschland. "Den Erfolg, den wir haben, brauchen wir zum Überleben", so Seibert. Die Folge: Riskante Stoffe, die weniger populär sind, kann sich das JTB kaum leisten. Darum hatte es für die nächsten Jahre einen etwas höheren Ansatz beantragt - der aber bisher von den politischen Gremien abgelehnt wurde.

Künstlerisch sehr erfolgreich ist auch das Theater Marabu. Jetzt wurde es sogar mit zwei Produktionen zum Kinder- und Jugendtheatertreffen "Augenblick Mal" im April 2013 in Berlin eingeladen, wo nur die zehn besten Inszenierungen aus der gesamten Republik teilnehmen dürfen. Der Erfolg wird belohnt: Ab kommendem Jahr bekommt die Truppe 50.000 statt 35.000 Euro.

Rund 17.000 Zuschauer besuchen Theater und Konzerte in der Brotfabrik jedes Jahr. Bis zu 110.000 Kinder und Erwachsene nehmen an den unterschiedlichsten Kursen teil, die das soziokulturelle Zentrum in Beuel anbietet. Nach einer Kürzung vor drei Jahren bekommt der Trägerverein ab kommenden Jahr 15.000 Euro mehr: 205.000 Euro. Geschäftsführer Jürgen Becker kommt da mit einem Gehalt von 1200 Euro jeden Monat raus: "Mich und meine Kollegen zwingt ja niemand dazu, die Arbeit zu tun. Da steckt sicherlich eine Menge Idealismus drin." Ähnlich sieht es Literaturhaus-Chefin Barbara Weidle: "Wenn viele von uns das nicht ehrenamtlich oder für wenig Geld machen würden, könnten wir die Veranstaltungen nicht anbieten."

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