Personalmangel Johanniter: 500 Pflegekräfte fehlen in Bonner Krankenhäusern

Bonn · In der Hauszeitung der Johanniter-Krankenhäuser in der Gronau und in Bad Godesberg beziffert die Zahl von fehlenden Pflegekräften in allen Bonner Krankenhäusern auf 500.

In den Krankenhäusern in Bonn sind derzeit rund 500 Pflegestellen nicht besetzt, berichtet aktuell die Hauszeitung der Johanniter-Krankenhäuser in der Gronau und in Bad Godesberg. Die Bundesstadt ist damit Teil eines bundesweiten Problems. Nach der Befragung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) aus dem Herbst 2017 unter 314 Kliniken fehlen bundesweit etwa 10 000 Pflegekräfte. Besonders heikel ist die Lage auf den Intensivstationen. „53 Prozent der Kliniken haben Probleme, Pflegestellen im Intensivbereich zu besetzen“, sagt DKG-Präsident Thomas Reumann. Vor allem dort hat sich die Lage verschärft. Waren 2011 auf deutschen Intensivstationen 2100 Stellen vakant, so waren es 2017 bereits 3000.

Der General-Anzeiger hat alle Träger Bonner Häuser nach ihrer Personal-Situaton befragt.

„Freie Stellen zu besetzen bedarf eines immer höheren Aufwandes, zum Beispiel bei der Ausschreibung offener Stellen“, sagte Christoph Bremekamp, Krankenhausoberer am Gemeinschaftskrankenhaus Bonn (St. Petrus, St. Elisabeth, St. Johannes). Man beobachte, vergleichbar mit anderen Häusern in Bonn, einen Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal auf dem Arbeitsmarkt. Krankheitsausfälle brächten zusätzliche Engpässe auf einzelnen Stationen. Konkrete Zahlen nennt Bremekamp nicht.

„Der Fachkräftemangel ist (...) auch in unseren Einrichtungen spürbar“, schreibt Dorothea Adams von den GFO-Kliniken Bonn für St. Marien und St. Josef. Pro Haus seien vier bis sieben Vollzeitstellen unbesetzt. Etwa während der Grippewelle sei der „Alltag im Krankenhaus nur unter enormem Einsatz aller Beteiligten zu meistern“. Freie Stellen könnten nicht zeitnah nachbesetzt werden.

An der Uniklinik sind von 1531 Planstellen in der Pflege derzeit 57 unbesetzt, erklärt Pressesprecherin Magdalena Nitz. „Der regionale Arbeitsmarkt hat wenig Pflegefachkräfte anzubieten.“ Alle Auszubildenden in der Krankenpflege fänden mit wenig Mühe einen alternativen Arbeitsplatz in der Kinderkrankenpflege, in der Pflege Erwachsener oder in der Altenpflege. Man habe daher die Ausbildungskapazität in den beiden vergangenen Jahren um 50 auf nun 300 Plätze im Jahr erhöht. In Planung sei der Neubau eines Ausbildungszentrums. Die Klinikleitung hoffe auf Zustimmung aus Düsseldorf.

Im Waldkrankenhaus der Johanniter sind derzeit vier von 152 Planstellen offen, berichtet Pflegedirektorin Ute Pocha. Der tatsächliche Bedarf ist in allen Häusern höher, da viele Kräfte nicht Vollzeit arbeiten. Um den Bedarf zu decken, habe man das Angebot der eigenen Pflegeschule auf 40 Plätze pro Jahr verdoppelt, sagt sie im Gespräch mit dem GA. Zwei Drittel der Absolventen blieben in den Häusern der Johanniter. Im Herbst sollen in einem Pilotversuch vier Pflegekräfte aus Italien eingestellt werden – nach ausgiebiger Deutsch-Schulung.

Grundsätzlich wirft Pocha der Politik vor, die Entwicklung verschlafen zu haben. Mehr Pflegebedürftige stünden zunehmend selbst älterem Pflegepersonal gegenüber. Viele Familien seien mit der Pflege ihrer Angehörigen überfordert oder dazu nicht in der Lage. Die Folge seien volle Krankenhäuser. Es fehle eine Zwischenstufe in der Versorgung: Pflegeassistenten, die etwa bei der Körperhygiene oder bei der Nahrungsaufnahme der Patienten helfen. „Ein Streik des Pflegepersonals wäre eine soziale Katastrophe ungeahnten Ausmaßes“, sagt Pocha.

Mit systematischer Weiterbildung, Angeboten zur Stressbewältigung, Kommunikations- und Konfliktschulung, Ernährungsberatung und mit zahlreichen Sportangeboten wolle der Arbeitgeber die Anerkennung für die Mitarbeiter zum Ausdruck bringen. Die komme auch in interdisziplinären Fallkonferenzen zum Ausdruck, an denen die Schwestern und Pfleger teilnehmen. In Einzelfällen werde auch eine Supervision oder psychologische Betreuung angeboten. Mit der tatsächlichen Situation in den Krankenhäusern wurde jüngst der 85-jährige Rudolf Wickel konfrontiert. Schon beim FDP-Kreisparteitag hatte der ehemalige Landtagsabgeordnete und frühere Bonner FDP-Parteichef deshalb das Thema angesprochen. „Das derzeitige System ist inhuman“, sagt er dem GA. Patienten würden regelrecht mit Tabletten „überschwemmt“ und auf diese Weise ruhiggestellt. Manche Ärzte hätten förmlich „Gelenkersatz in den Augen“. Ältere Patienten ohne pflegende Angehörige würden von Station zu Station verschoben, um ihre Behandlung in wechselnden Fallgruppen finanzieren zu können. Pflegepersonal am Bett sei kaum zu sehen.

Die Schwestern und Pfleger habe er „physisch und psychisch an der Belastungsgrenze erlebt“. Im Unterschied zu seiner Partei sieht Wickel Krankenhäuser nicht als Wirtschaftsbetriebe. Die Politik mache seit Jahren den Fehler, auf gut bezahlte, rein ökonomisch denkende Ärztefunktionäre in den Standesorganisationen zu hören.

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