Denkmalgeschützten Fenster bleiben Investor will Fenster beleuchten

BONN · "Diese imposante Glasgestaltung im öffentlichen Raum ist einmalig. Ich kenne jedenfalls nichts Vergleichbares", sagt Annette Jansen-Winkeln über die Glasfenster des Viktoriabads. Sie muss es wissen, denn sie ist Vorstand der Stiftung Forschungsstelle Glasmalerei des 20. Jahrhunderts in Mönchengladbach.

Ihre Einschätzung kann Bonns Stadtkonservator Franz-Josef Talbot nur bestätigen. Schließlich hat er die Unterdenkmalstellung der beeindruckenden Arbeit forciert. Vom Belderberg aus wirken die 296 Platten dumpf und unscheinbar. Klar, ihre Schönheit entfalten sie nach außen hin nur, wenn sie von innen beleuchtet werden. Doch seit das Bad vor fünf Jahren geschlossen wurde, bleiben die bunten Kunstharzfenster matt.

Ihre Kraft entfalten sie für den, der das verwaiste Bad betritt. Die Signa, die im Viktoriaviertel eine Einkaufsmall errichten will, hat Talbot zugesichert, das Bild so zu erhalten und es von innen zu beleuchten. Das freut Bonns obersten Denkmalschützer, der darauf bestanden hat, dass nicht nur das Werk als solches, sondern auch die Wirkung des Bildes erhalten bleiben müsse.

Der auf Urheberrecht spezialisierte Jurist und Professor Gerhard Pfennig, der auch geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Verwertungsgesellschaft Bild-Kunst ist, hatte regelrecht "Bauchschmerzen", als er erfuhr, dass der Mitkonkurrent der Signa Teile des Werks in der Philologischen Bibliothek integrieren wollte.

"Grobe Beeinträchtigungen eines Kunstwerks, und ein solches ist das Fenster, sind als “Entstellung„ nicht zulässig", sagt er. Das sei auf jeden Fall ein großes Thema bei der Diskussion um die Kunst im öffentlichen Raum, womit er es immer wieder zu tun habe.

Immer mehr gestaltete Glasflächen verschwinden

Jansen-Winkeln, die an einer Erhebung der Glasmalerei in NRW arbeitet, beobachtet mit Sorge, dass immer mehr gestaltete Glasflächen verschwinden. "Wir kommen mit dem Retten kaum noch nach", sagt sie. Rund 600 Kirchenfenster lagern im Depot der Stiftung. Vieles ist trotzdem verloren.

In Bonn wohl nicht. Auch nach fünf Jahren schießt einem immer noch dieser chlordurchtränkte Geruch in die Nase. Talbot führt an den verlassenen Metallspinden vorbei. Im Lehrschwimmbecken und darum herum lagert das Beethovengymnasium zurzeit sein Ruderboot. Sanftes Tageslicht erhellt das große Schwimmbad .

Rechts unten auf dem Fenster hat Wilhelm Jungherz seine Initialen WJ 70 gesetzt. Der Ingenieur war laut Talbot künstlerischer Mitarbeiter des bedeutenden Architekten Gottfried Böhm. In einer Stellungnahme habe dessen Sohn, Professor Paul Böhm, dem Bonner Gerhard Geiß schriftlich bestätigt, dass Böhm wesentlich an der Gestaltung mitgewirkt habe.

Die abstrahierte Landschaftsdarstellung zeigt heiße Geysire in einer Flussidylle vor der dunkelroten Abendsonne aufsteigen. Bemerkenswert ist für die Fachleute auch die Technik des Verfahrens, ausgeführt von der Kölner Glaswerkstatt Botz & Miesen. Die Platten entstanden in einem besonderen Gussharzverfahren in drei Schichten, zwischen denen die Farbe aufgetragen wurde. Talbot: "Diese Technik war innovativ. Wir prüfen zurzeit, wie man die etwa drei Zentimeter dicken Platten, die leicht ausbeulen, restaurieren kann."

Viktoriabad

1906 wurde an der Franziskanerstraße Bonns erstes Hallenbad eröffnet. Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, wurde es 1947 wieder eröffnet. Das heutige Viktoriabad wurde in zwei Abschnitten erbaut: 1964 bis 1967 und 1968 bis 1971. Die Fenster, 1971 fertiggestellt, sind als bedeutendes Zeugnis unter Denkmalschutz gestellt. Das Hallenbad ist seit 2010 geschlossen.

Proteste gegen Bebauung

Der Planungsausschuss will am Mittwoch das Bebauungsplanverfahren fürs Viktoriakarree auf den Weg bringen. Der Verein Viva Viktoria hat von 17 bis 19 Uhr Demonstrationen rund um das Viktoriaviertel angekündigt. Der Veranstalter rechnet mit etwa 600 Teilnehmern. Nach einer Auftaktkundgebung in der Franziskanerstraße geht es Richtung Stadthaus.

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